Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben


Experten uneins über Gesetzentwurf gegen Steuervermeidung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG)



Ein Gesetzentwurf, der grenzüberschreitende Steuervermeidung erschweren soll, ist in einer Anhörung im Finanzausschuss auf viel Zustimmung, im Einzelnen aber auch Kritik gestoßen. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) (19/28652) kommt die Bundesregierung der Verpflichtung nach, eine EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung schreibt in ihrem Entwurf, Deutschland erfülle zwar bereits heute weitgehend die vorgegebenen Mindeststandards der Richtlinie, es gebe aber in einigen Bereichen Anpassungsbedarf. Die EU-Richtlinie hätte eigentlich bis Ende 2019 umgesetzt werden müssen, weshalb die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat.

Ein von mehreren Sachverständigen besonders kritisierter Punkt hängt mit diesem Versäumnis zusammen. Denn die Bundesregierung will eine Regelung, in der es um die Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben bei Auslandseinkünften geht, rückwirkend zum 1. Januar 2020 in Kraft setzen, um die EU-Verordnung doch noch einzuhalten. Sie rechtfertigt dies damit, dass die Steuerpflichtigen mit einer solchen Regelung hätten rechnen können. Der Steuerberater Xaver Ditz von der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg nannte dies "verfassungsrechtlich äußerst zweifelhaft", aber auch praktisch problematisch in Fällen, in denen jemand die Steuererklärung für 2020 bereits abgegeben hat.

Ebenso kritisch beurteilte Arne Schnitger von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers dieses rückwirkende Inkrafttreten. Die Bestimmung selbst beinhalte eine Norm, die im deutschen Steuerrecht bisher gefehlt habe, und setzte die EU-Vorgaben korrekt um. Schnitger plädierte aber nachdrücklich dafür, sie erst zum 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen. Schnitger bemängelte zudem, dass der Gesetzentwurf an einigen Stellen unklar sei.

Monika Wünnemann vom Bundesverband der Deutschen Industrie nannte es unverständlich, dass der Gesetzentwurf nicht die Vorgaben der EU-Richtlinie ATAD eins zu eins umsetzt, sondern in mehreren Punkten darüber hinausgeht, beziehungsweise bei der Niedrigbesteuerungs-Grenze. Damit schaffe die Bundesregierung "einen deutlichen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen", beklagte Wünnemann.

Dagegen verwies Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit darauf, dass EU-Richtlinien immer Mindeststandards setzten und keine Notwendigkeit bestehe, sie eins zu eins zu übernehmen. Trautvetter mahnte eine wirksame Regelung für firmeninterne Kredite an, auch wenn ATAD dies nicht verlange, "da darüber erhebliche Gewinnverschiebungen in Konzernen erfolgen". Eine solche Regelung sei in einem früheren Referentenentwurf enthalten gewesen, der Finanzausschuss des Bundesrates fordere ihre Wiederaufnahme.

Achim Pross von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterstützte dies. Konzerninterne Kredite seien weltweit für etwa ein Drittel der Gewinnverlagerungen verantwortlich. Pross verwies auf eine weltweite Bewegung zur Angleichung des Steuerrechts, die das Ausmaß der Steuervermeidung bereits vermindert habe. Die ATAD wie die geplante deutsche Umsetzung reihten sich hier ein und entsprächen dabei den Vorgaben der OECD.

Vielfach kritisiert wurde in der Anhörung eine Regelung zur sogenannten Wegzugsbesteuerung. Dabei geht es darum, dass ein Eigentümer oder Miteigentümer eines Unternehmens, der ins Ausland zieht, die Stillen Reserven, also die nicht aus der Bilanz ersichtlichen Bestandteile des Eigenkapitals, versteuern muss. Damit soll verhindert werden, dass diese Vermögensteile der Besteuerung in Deutschland entzogen werden. Rainer Kambeck vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag stellte "die Absicht nicht in Frage", wohl aber, dass der Zugriff des Fiskus bereits vor der Realisierung der Werte erfolgen soll. Gerade bei Familienunternehmen könne das die Liquidität überfordern. Da diese Regelung auch nicht von ATAD verlangt werde, plädierte Kambeck für eine Verschiebung in die nächste Legislaturperiode.

Unterschiedlich beurteilten die Experten, ob diese Wegzugs-Regelung einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. Februar 2019 widerspricht. Dietz sah dies so, da der EuGH die Möglichkeit der dauerhaften Stundung verlange. Dagegen sah der Leipziger Steuerrechtler David Hummel "keine größeren unionsrechtlichen Bedenken". Der EuGH habe nie gesagt, dass eine Wegzugsbesteuerung rechtswidrig sei, und der vorliegende Gesetzentwurf sehe die Stundung auf Anfrage vor.

Kontrovers urteilten die Sachverständigen auch über die angemessene Höhe der Besteuerung. Mehrfach wurde gefordert, eine Anrechung im Ausland bereits bezahlter Steuern nicht nur auf die Körperschaftsteuer, sondern auch auf die Gewerbesteuer zu ermöglichen. Andernfalls drohe in bestimmten Fällen eine Doppelbesteuerung. Auch wurde vor Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen gewarnt.

Dagegen verwies der Berliner Politikwissenschaftler Lukas Hakelberg darauf, dass die 1989 von den USA eingeleitete Ära des globalen Steuerwettbewerbs zu Ende gehe. Dafür gebe es drei Gründe. Zum einen verfügten die USA, die unter Präsident Joe Biden eine Mindeststeuer von 21 Prozent forderten, über die Marktmacht, ihre Interessen auch durchzusetzen. Zum zweiten müssten die Staaten ihre in der Pandemie entstandenen Defizite decken. Und schließlich unterstützten große Teile der amerikanischen Tech-Industrie den Biden-Vorschlag. Unternehmen, die sich dagegen stellten, drohe ein Prestigeschaden. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 26.06.21
Newsletterlauf: 13.09.21


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen