Schäubles Visionen Gegenstand im Innenausschuss


Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble muss zugeben: Es gibt für Deutschland keine konkreten Terror-Anschlagspläne - "Die Regierung soll handeln und keine apokalyptischen Szenarien an die Wand malen"
Opposition kritisiert: Der Verdacht liege nahe, dass immer wieder Schreckensszenarien entworfen würden, um im Streit innerhalb der Großen Koalition Druck auszuüben

(11.10.07) - In Deutschland liegen derzeit keine Erkenntnisse über konkrete Anschlagsplanungen durch Terroristen vor. Dies betonten am Mittwochvormittag Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der Chef des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhrlau und der Vizepräsident des Bundeskriminalamts Jürgen Stock in einer Sitzung des Innenausschusses.

Schäuble betonte zudem, derzeit seien terroristische Gruppen weder logistisch noch personell oder technisch in der Lage, selbstständig atomare Waffen zu entwickeln. Allerdings gebe es weltweit eine "Verfügbarkeit radioaktiver Quellen", so dass Angriffe mit so genannten schmutzigen Bomben eine "Anschlagsoption" seien. Allein 2006 habe es in Deutschland "neun verloren gegangene radioaktive Quellen gegeben".

Uhrlau fügte hinzu, nach dem 11. September habe man lernen müssen, "das Undenkbare zu denken". Es habe eine "Reihe von Signalen" aus dem Umfeld Osama bin Ladens und des al-Qaida-Netzwerks gegeben, dass über die Freisetzung von Radioaktivität oder Strahlung nachgedacht worden sei. Der Einsatz schmutziger Bomben sei in "einschlägigen Foren thematisiert" worden. Dabei gehe es nicht nur um die anzurichtenden Schäden, sondern um den psychologischen Aspekt, "Angst und Schrecken" zu verbreiten.

BKA-Vizepräsident Stock wies in seinem Statement darauf hin, dass man eine Reihe von Präventionsmaßnahmen eingeleitet habe, um Derartiges zu verhindern. Er informierte die Abgeordneten darüber, dass es im Zusammenhang mit der Festnahme dreier mutmaßlicher Terroristen Anfang September insgesamt 35 Durchsuchungen gegeben habe. Dabei seien 26 Sprengsätze sichergestellt worden, die zum Großteil aus Tschechien, aber auch aus Bulgarien und Serbien stammten.

Derzeit würden Festplatten, CDs, Handys und weitere Speichermedien von Experten ausgewertet, um herauszufinden, ob es weitere Anschlagsplanungen gab. "Es ist unsere Sorge, dass wir verborgene Informationspuzzleteile vielleicht nicht rechtzeitig finden, um weitere Taten zu verhindern."

Die auszuwertende Datenmenge sei enorm. Man gehe aktuell davon aus, dass Vergeltungsmaßnahmen auf längere Sicht auszuschließen seien und die Szene "verunsichert" sei, könne aber nicht ausschließen, dass andere Mitglieder der Islamischen Dschihad-Union weitere Anschläge planten.

Entgegen anders lautender Berichte halte man diese im März 2002 in Usbekistan gegründete Organisation nicht für eine Erfindung.

"Angenehm" gewesen, am vergangenen Wochenende kein Schäuble-Interview lesen zu müssen
Während die Koalitionsfraktionen sich zufrieden mit den Berichten der Experten zeigten, kritisierte die Opposition erneut die Art, in der Innenminister Schäuble sich in den vergangenen Wochen über die Sicherheitslage geäußert habe. Es sei, so die Linksfraktion, "ein außergewöhnlicher Zustand", dass "eher mit den Medien gesprochen wird als mit den Abgeordneten".

Der Verdacht liege nahe, dass immer wieder Schreckensszenarien entworfen würden, um im Streit innerhalb der Großen Koalition Druck auszuüben. Auch die Grünen monierten, Schäuble habe noch immer nicht verstanden, warum es Aufregung um seine Äußerungen gegeben habe. "Die Regierung soll handeln und keine apokalyptischen Szenarien an die Wand malen."

Auf die Feststellung der Grünen, es sei "angenehm" gewesen, am vergangenen Wochenende kein Schäuble-Interview lesen zu müssen, entgegnete der Innenminister, er entscheide selbst, wann er Interviews gebe. (Deutsche Bundesregierung: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • PKGr-Bericht über Kontrolltätigkeit vorgelegt

    Als Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) liegt dessen "Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß Paragraf 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes" (21/12) für den Berichtszeitraum Oktober 2023 bis Februar 2025 vor. Das PKGr kontrolliert die Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst, Bundesnachrichtendienst).

  • Deutsche Bahn dominiert

    Die Bundesregierung hat eine auf das 9. Sektorgutachten Bahn der Monopolkommission (20/8027) bezogene Stellungnahme vorgelegt (21/21). Dabei werde auf die Marktsituation bis zum 1. Halbjahr 2024 sowie auf Maßnahmen der Bundesregierung Bezug genommen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen worden sind oder deren Umsetzung bevorsteht, heißt es in der Unterrichtung.

  • Internationale Standards und Normen

    Nach Ansicht der Bundesregierung werden im Amtsblatt der EU veröffentlichte harmonisierte europäische Normen nicht generell Teil des Unionsrechts, auch wenn die EU-Kommission aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine andere Meinung vertritt. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (20/15026) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14834).

  • Treibhausgas (THG)-Emissionen

    Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken,wobei alle Sektoren bis auf den Verkehr Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen hervor (20/14900).

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen