Kritik an Neuregelung der Verbandsklage


Ein Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, anerkannten Umweltverbänden die Möglichkeit einzuräumen, ein breiteres Feld behördlicher Entscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen
Die völkerrechtlich geforderten Klagerechte seien in der Tat "sehr weitreichend", aber nicht unbegrenzt - Der eingrenzende Ansatz des Gesetzes sei der richtige Weg



Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung von Klagerechten in Umweltangelegenheiten (18/9526) ist bei einer Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit überwiegend auf Kritik gestoßen. Mit der Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) und weiterer Gesetze will die Bundesregierung völker- und europarechtliche Vorgaben in deutsches Recht umsetzen. Bedarf besteht, weil etwa die 5. Vertragsstaatenkonferenz der Aarhus-Konvention der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN ECE) die deutsche Umsetzung in zwei Punkten für völkerrechtswidrig erklärt hatte. Auch vom Bundesverwaltungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof war dem Gesetzgeber Nachbesserungsbedarf attestiert worden. Der Entwurf sieht unter anderem vor, anerkannten Umweltverbänden die Möglichkeit einzuräumen, ein breiteres Feld behördlicher Entscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Zudem soll die bisher im UmwRG bestehende Ausschlussklausel wegfallen.

Der vorlegte Entwurf scheitere an dem eigenen Anspruch, die völker- und europarechtlichen Vorgaben eins zu eins umsetzen, kritisierte Michael Zschiesche (Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UfU)). Wie auch die Sachverständigen Remo Klinger (GEULEN & Klinger Rechtsanwälte), Sabine Schlacke (Institut für Umwelt- und Planungsrecht, Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und Dirk Teßmer (Rechtsanwälte Philipp-Gerlach & Teßmer) kritisierte Zschiesche, dass die Neuregelungen des Paragraphen 1 UmwRG weiterhin hinter den Vorgaben des Artikel 9 Absatz III der Aarhus-Konvention zurückblieben. Die Aarhus-Konvention sehe vor, alle behördlichen Handlungen und Unterlassungen gegen umweltrechtliche Vorschriften gerichtlich überprüfbar zu machen. Dies geschehe mit dem Entwurf aber nicht. So seien die im Entwurf ausgeführten Ausnahmen für Pläne und Programme, bei denen keine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung vorgesehen ist, nicht der Konvention zu entnehmen, kritisierte Zschiesche.

Auch Klinger betonte, dass bestimmte Ausnahmen des Rechtsschutzes, etwa im Bereich der Raumordnungspläne der Windenergie oder des Bundesverkehrswegeplans, "offenkundig interessengesteuert" seien. Auch wenn der Entwurf einen richtigen Schritt darstelle, blieben die Neuregelungen an einigen "sehr wichtigen Stellen" rechtswidrig. Ohne Begründung seien etwa Rechtsverordnungen - in seiner schriftlichen Stellungnahme verweist Klinger als Beispiel auf Flugroutenfestlegungen - nicht aufgeführt worden. Auch die Beschränkung auf "Vorhaben" sei problematisch, falle so doch der Produktgenehmigungsbereich heraus. "Eklatant rechtswidrig" sei zudem die Übergangsvorschrift, nach der die neuen Rechtsschutzmöglichkeiten erst auf Entscheidungen Anwendungen finden sollen, die nach dem 31. Dezember 2016 fallen. Klinger mahnte zu Nachbesserungen, damit sich der Gesetzgeber weitere "Blamagen" erspare.

Weniger kritisch beurteilte Frank Fellenberg (Deutscher Anwaltverein) den Gesetzentwurf. Die völkerrechtlich geforderten Klagerechte seien in der Tat "sehr weitreichend", aber nicht unbegrenzt. Der eingrenzende Ansatz des Gesetzes sei der richtige Weg. Eine von andere Sachverständigen vorgeschlagene Quasi-Übernahme der Regelung der Aarhus-Konvention als Generalklausel ins UmwRG lehnte Fellenberg hingegen ab, da die entsprechende Regelung "sprachlich und rechtstechnisch" missglückt sei. Nachbesserungsbedarf sah der Vertreter des Deutschen Anwaltvereins hingegen im Bereich von Ausschlussregelungen.

Oliver Schollmeyer (Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI) warnte vor einem Schwinden von Rechts- und Planungssicherheit für Investitionen und Innovationen sowohl für Private als auch für die öffentliche Hand. Durch eine Erweiterung von Klagebefugnissen drohe eine Häufung und Verlängerung von Gerichtsverfahren, die öffentliche Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen werde gefährdet. Die Verfahren müssten handhabbar bleiben. In seiner schriftlichen Stellungnahme fordert der BDI unter anderem Anpassungen in der neu eingeführten Missbrauchsklausel und bei den Regelungen zur Heilung von formellen und materiellen Verfahrensfehlern. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 07.10.16
Home & Newsletterlauf: 19.10.16


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Bürokratie auf Bundesebene

    Zum Stichtag 24. Mai 2024 sind auf Bundesebene 1.797 Gesetze mit 52.401 Einzelnormen sowie 2.866 Rechtsverordnungen mit 44.475 Einzelnormen gültig gewesen. Das führt die Bundesregierung in einer Antwort (20/11746) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/11510) zu "Maßnahmen zur Reduzierung von Bürokratie auf Bundesebene" aus. Bezogen auf die Zahl der Gesetze beziehungsweise Rechtsverordnungen ist das jeweils der Höchstwert seit 2010.

  • Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz

    Der Rechtsausschuss hat sich in einer öffentlichen Anhörung mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines "Gesetzes zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerungen von Schrottimmobilien" (20/11308) befasst. Das Echo der geladenen Expertinnen und Experten zum Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz fiel dabei sehr unterschiedlich aus.

  • Finanzierung des EEG-Kontos

    Um erneuerbare Energien zu fördern, werden Betreibern von Photovoltaik- und Windanlagen Preise garantiert. Der paradoxe Effekt in der gegenwärtigen Situation: Die Strompreise an der Börse sinken, was gut für den Verbraucher ist.

  • Bekämpfung von Finanzkriminalität

    Geldwäsche soll in Deutschland besser bekämpft werden. Das ist das Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (20/9648) zur Verbesserung der Bekämpfung von Finanzkriminalität (Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz, FKBG), das der Finanzausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion sowie der Gruppe Die Linke verabschiedet hat.

  • Innovative Ansätze in der Datenpolitik nötig

    Mit den Rahmenbedingungen für eine innovative Datenpolitik, also Datenaustausch und -nutzung sowie Datenschutz, hat sich der Digitalausschuss in einer öffentlichen Anhörung befasst. Die Sachverständigen bewerteten auch die nationalen Spielräume bei der Umsetzung des europäischen Data Acts, des Data Governance Acts aber auch der KI-Verordnung.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen