Ratingagenturen werden kritisch beurteilt


Finanzausschuss: Deutsche Bundesbank: Ratings könnten eigenständige Analysen nicht ersetzen
Künftig sollen Ratingagenturen zahlreiche Bestimmungen beachten müssen


(01.04.10) - Die Arbeit von Ratingagenturen und die Bedeutung der von ihnen erstellten Ratings ist von den meisten Sachverständigen in einer Anhörung des Finanzausschusses kritisch beurteilt worden. So äußerte die Deutsche Bundesbank Zweifel, ob neue Ratingagenturen auf dem bisher von wenigen Unternehmen beherrschten Markt die Verhältnisse wesentlich ändern würden. Sie könnten sich möglicherweise nur auf dem Markt etablieren. indem sie für Unternehmen und Wertpapiere bessere Bewertungen als die Wettbewerber abgeben würden.

Auch die Gründung einer staatlichen Ratingagentur beurteilte die Bundesbank mit Blick auf deren Ratings von anderen Staaten wie Griechenland kritisch. Ratings könnten eigenständige Analysen nicht ersetzen, erklärte die Bundesbank.

Anlass der Anhörung war der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur europäischen Verordnung über Ratingagenturen (17/716), mit dem Konsequenzen aus der Finanzkrise gezogen werden sollen. Die Agenturen hätten die verschlechterte Marktlage nicht früh genug erkannt, wird darin kritisiert. Künftig sollen Agenturen zahlreiche Bestimmungen beachten müssen. So drohen Bußgelder bis zu 1 Million Euro, wenn eine Ratingagentur sowohl Beratungsleistungen erbringt als auch die Produkte des beratenen Unternehmens mit Ratings versieht. Bis zur Gründung einer Europäischen Aufsichtsbehörde soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die neuen Aufgaben übernehmen.

Die vorgeschriebene Trennung von Rating und Beratung lässt sich nach Ansicht des Unternehmensberaters Karl-Heinz Bachstädt umgehen, indem eine Agentur ihr Bewertungs- und Beratungsgeschäft unter dem Dach einer Holding aufteilt. Außerdem könnte die Trennung von Rating und Beratung unterlaufen werden, wenn die Mitarbeiter einer Ratingagentur unmittelbar nach Ende der Tätigkeit dort in die Beratungsfirma wechseln würden. Der Bußgeldrahmen sei vor dem Hintergrund der Milliarden-Umsätze der großen Ratingagenturen "viel zu niedrig", kritisierte Bachstädt. Für ein europäisches Ratingsystem sprach sich Wolfgang Gerke (Bayerisches Finanz Zentrum) aus, zeigte sich jedoch zugleich "pessimistisch, das dies gelingt".

Susanne Uhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, private externe Ratings würden heute weitestgehend interne Bewertungen seitens der Gläubiger ersetzen. Bei strukturierten Produkten hätten Banken und Bankaufsicht heute keine eigene Expertise mehr. Diese Expertise müsse es wieder geben, forderte Uhl. Zugleich kritisierte sie die Auswirkungen der Arbeit der Agenturen, die mit der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Staaten, Ländern und Kommunen über die Zinsbelastung der betroffenen Schuldner entscheiden würden. "Im Bereich von Finanzprodukten agieren sie wie ein Finanz-TüV, ohne jedoch für Falschbewertungen zu haften."

Der Zentrale Kreditausschuss bestätigte, dass die Banken keine Systeme hätten, um umgepackte Finanzprodukte zu bewerten. Man habe jedoch hervorragende Systeme zur Bewertung zum Beispiel von mittelständischen Unternehmen.

Bertram Theilacker, Vorstandsmitglied einer Sparkasse, erklärte, mit der Einführung einer Aufsicht im Gesetzentwurf werde ein an sich nicht richtiges System nur bestätigt. Ratingagenturen würden auch künftig für ihre Urteile von den Beurteilten bezahlt. "Die Gefahr, dass Risiken unterzeichnet werden bleibt damit latent vorhanden", erklärte Theilacker.

Vertreter der Ratingagenturen begrüßten die beabsichtigte europäische Harmonisierung der Aufsicht. Ratings seien Meinungen und das werde auch so bleiben, sagte der Vertreter von "Fitch Deutschland". Prognosen würden manchmal schiefgehen. In der Stellungnahme von "Moody’s Investor Service" (MIS) hieß es unter anderem, aus den dramatischen Veränderungen des Finanzsystems hätten sich wichtige Lehren ergeben. MIS habe darauf mit einer Vielzahl von Initiativen reagiert, "um die Qualität, Unabhängigkeit und Transparenz seiner Ratings zu verbessern". (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen