"Mythos der Kapazitätsengpässe" entzaubert


Netzneutralität "ein hohes Gut ist": Dennoch keine Mehrheit für Handlungsempfehlungen zu Netzneutralität
Die immer wieder von den Diensteklassenbefürwortern angesprochenen Kapazitätsengpässe im Netz hätten sich nicht bewahrheitet


(25.10.11) - Die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" hat die im Zwischenbericht der Projektgruppe "Netzneutralität" enthaltenen Handlungsempfehlungen ebenso abgelehnt, wie den von der Opposition vorgelegten Alternativtext. Beide Fassungen erhielten 17 Ja- und 17 Neinstimmen und gehen nun als Sondervoten in den Bericht ein.

Während der Debatte kam der Vorsitzende der Projektgruppe Peter Tauber (CDU/CSU) zu der Feststellung, dass die Netzneutralität "ein hohes Gut ist" und die Voraussetzung für ein Internet, "wie wir es uns wünschen" sei. In dieser Einschätzung sei sich die Projektgruppe einig gewesen. Unterschiedlicher Auffassung sei man jedoch in der Frage gewesen, wie sich die Netzneutralität "jetzt und in der Zukunft" gewährleisten lasse. Gesetzliche Regelungen, so Tauber, seien dafür nicht nötig. Die gegebenen Instrumente seien ausrechend, habe auch der Präsident der Bundesnetzagentur mit den Projektgruppenmitgliedern bestätigt. Derzeit gebe es nach Ansicht der Mehrheit in der Projektgruppe in Deutschland keine akute Gefährdung der Netzneutralität, sagte Tauber.

Bejaht wurde von ihm auch die Frage, ob es unterschiedliche Diensteklassen und das Best-Effort-Prinzip, was eine bestmögliche Datenweiterleitung durch die Diensteanbieter vorsieht, nebeneinander bestehen könnten. Dies könne unter der Voraussetzung gelingen, dass geklärt werde, was genau unter Best Effort zu verstehen sei.

Auch der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz sieht derzeit keine Verstöße gegen die Netzneutralität und daher auch keinen Bedarf an einer gesetzlichen Verankerung. "Der Markt kann das sehr wohl regeln", sagte Schulz. Sei es bisher zu gelegentlichen Verletzungen der Netzneutralität gekommen, habe die Bundesnetzagentur "vermittelnd eingegriffen". Daher werde aus seiner Sicht keine "Vorratsgesetzgebung" benötigt. Für den Fall, dass es in der Zukunft zu einem Marktversagen kommt und auch die Bundesnetzagentur nicht helfen könne, sollte über staatliche Regelungen nachgedacht werden. Derzeit jedoch sollte man "davon die Finger lassen".

Aus Sicht der Opposition muss hingegen die Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben werden. Diese Forderung sei im Sondervotum der Opposition enthalten, sagte Martin Dörmann (SPD). Im Text der von der Bundesregierung vorgelegten Novelle des Telekommunikationsgesetzes finde sich noch nicht einmal das Wort Netzneutralität, kritisierte er. Hier nur auf die Bundesnetzagentur zu vertrauen sei nicht ausreichend. Von einer Überregulierung könne zudem nicht die Rede sein. Vielmehr werde so die benötigte Rechtssicherheit geschaffen, sagte Dörmann.

In der Projektgruppenarbeit habe es eine große Sachlichkeit gegeben, sagte die von der Linksfraktion benannte Sachverständige Constanze Kurz. Damit sei es jedoch vorbei gewesen, als man in großer Runde zu einem Konsens gelangen wollte. Aus ihrer Sicht sei es wichtig, dass im Sondervotum der Opposition alle wichtigen Fragen berührt würden. Was die Rolle der Bundesnetzagentur angeht, so habe das Gespräch mit dessen Präsidenten Matthias Kurth gezeigt, dass es eine partielle Machtlosigkeit im Bereich des Mobilfunkmarktes gebe. Auch hätten sich die immer wieder von den Diensteklassenbefürwortern angesprochenen Kapazitätsengpässe im Netz nicht bewahrheitet. Auf Nachfrage der Enquete-Kommission hätten die Provider keine derartigen Zahlen nennen können, sagte Kurz.
Der "Mythos der Kapazitätsengpässe" sei entzaubert, sagte auch der von den Grünen benannte Sachverständige Markus Beckedahl. Die Einführung von Diensteklassen sei daher nicht nötig. "Das führt zu einem Zwei-Klassen-Netz", sagte er. Beckedahl verwies auch darauf, dass die Bundesnetzagentur den Mobilfunkbereich nicht prüfe. Genau dort gebe es aber die meisten Verstöße gegen die Netzneutralität. Beckedahl forderte daher eine Gleichbehandlung von Angeboten durch Kabel und Funk. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen