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Vermeidung künftiger Bankenrettungen


Neue Krisenmanagement-Maßnahmen: Die Finanzkrise hat unmissverständlich gezeigt, dass ein robusteres Krisenmanagement auf nationaler Ebene erforderlich ist
Vorschlag ein entscheidender Schritt hin zu einer Bankenunion in der EU und wird einen verantwortungsvolleren Bankensektor hervorbringen


(14.06.12) - Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass die Behörden noch immer nicht über das nötige Rüstzeug verfügen, um Probleme bei angeschlagenen Banken auf den heutigen globalen Märkten in den Griff zu bekommen. Um unbedingt notwendige Finanzdienstleistungen für Bürger und Unternehmen zu erhalten, mussten die Staaten die Banken mit öffentlichen Finanzspritzen stützen und Garantien in noch nie dagewesenem Umfang übernehmen: Von Oktober 2008 bis Oktober 2011 genehmigte die Europäische Kommission 4,5 Billionen EUR (bzw. 37 des EU-BIP) an staatlichen Beihilfemaßnahmen für Finanzinstitute. Zwar gelang es auf diese Weise, einen massiven Bankenausfall und Verwerfungen der Volkswirtschaft zu verhindern, doch wurde die damit einhergehende Verschlechterung der öffentlichen Finanzen dem Steuerzahler aufgebürdet und die Frage, wie mit krisengeschüttelten grenzübergreifenden Großbanken verfahren werden soll, noch immer nicht gelöst.

Mit den von der Europäischen Kommission angenommenen Vorschlägen für EU-weite Vorschriften zur Sanierung und Abwicklung von Banken wird sich dies ändern. Sie stellen sicher, dass die Behörden in Zukunft die nötigen Mittel an der Hand haben, um entscheidend eingreifen zu können, bevor Probleme auftreten bzw. in einem frühen Stadium bei bereits eingetretenen Problemen. Verschlechtert sich die Finanzlage einer Bank derart, dass keine Abhilfe mehr möglich ist, stellt der Vorschlag außerdem sicher, dass die unverzichtbaren Funktionen einer Bank erhalten werden können, während die Kosten für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken nicht mehr vom Steuerzahler, sondern von den Eigentümern und Gläubigern der Bank getragen werden.

Dazu sagt Kommissionspräsident Barroso: "Die EU setzt ihre G20-Verpflichtungen in vollem Umfang um. Zwei Wochen vor dem Gipfel in Los Cabos legt die Kommission einen Vorschlag vor, der unsere Steuerzahler und Volkswirtschaften vor den Auswirkungen etwaiger künftiger Bankenausfälle schützen wird. Der Vorschlag ist ein entscheidender Schritt hin zu einer Bankenunion in der EU und wird einen verantwortungsvolleren Bankensektor hervorbringen. Dies wird in Zukunft innerhalb der EU zu Stabilität und Vertrauen beitragen, da wir daran arbeiten, unsere miteinander verflochtenen Volkswirtschaften zu stärken und weiter zu integrieren."

Und Binnenmarktkommissar Michel Barnier sagt: "Die Finanzkrise hat den Steuerzahler eine Menge Geld gekostet. Der Vorschlag ist der letzte Schritt zur Erfüllung unserer G20-Verpflichtungen für eine bessere Finanzregulierung. Wir müssen den Behörden die nötige Handhabe geben, damit sie Bankenkrisen in Zukunft angemessen bewältigen können. Andernfalls werden am Ende wieder die Bürger die Zeche zahlen, während die Banken weitermachen wie bisher, weil sie sich darauf verlassen können, gerettet zu werden."

Kerninhalte des Vorschlags:

Ein Abwicklungsrahmen
Der Rahmen baut auf den in letzter Zeit unternommenen Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der nationalen Abwicklungsregelungen auf. Er stärkt diese in wesentlichen Punkten und gewährleistet die Umsetzbarkeit der Abwicklungsinstrumente im integrierten EU-Finanzmarkt.

Die vorgeschlagenen Instrumente sind aufgeteilt in Befugnisse zur "Prävention", "Frühintervention" und "Abwicklung", wobei die Behörden mit zunehmender Verschlechterung der Lage immer stärker eingreifen können.

1. Vorbereitung und Prävention:
Erstens schreibt der Rahmen vor, dass Banken Sanierungspläne aufstellen müssen, in denen sie darlegen, welche Maßnahmen bei einer Verschlechterung ihrer Finanzlage greifen würden, um ihre Lebensfähigkeit wiederherzustellen.

Zweitens müssen die für die Abwicklung von Banken zuständigen Behörden Abwicklungspläne ausarbeiten, die Optionen für das weitere Vorgehen bei nicht mehr lebensfähigen Banken in finanzieller Notlage enthalten (z.B. Einzelheiten zur Anwendung der Abwicklungsinstrumente sowie Mittel und Wege zur Erhaltung kritischer Funktionen). Sanierungs- und Abwicklungspläne müssen sowohl auf Gruppenebene als auch auf Ebene der einzelnen zugehörigen Institute ausgearbeitet werden.

Drittens kann eine Behörde, die bei ihren entsprechenden Planungen Abwicklungshindernisse feststellt, von einer Bank verlangen, dass sie ihre rechtlichen oder operationellen Strukturen ändert, um sicherzustellen, dass sie mit den vorhandenen Mitteln so abgewickelt werden kann, dass kritische Funktionen und Finanzstabilität nicht gefährdet und die Steuerzahler von Kosten verschont werden.

Schließlich können Finanzgruppen Vereinbarungen über eine gruppeninterne Unterstützung schließen, um die Ausweitung einer Krise in Grenzen zu halten und die Finanzstabilität der Gruppe als Ganzes rasch wiederherzustellen. Vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsbehörden und Anteilseigner eines jeden Unternehmens, das die Vereinbarung unterzeichnet hat, hätten zu einer Gruppe gehörende Institute somit die Möglichkeit, anderen Gruppenmitgliedern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, finanzielle Unterstützung (in Form von Darlehen, Garantien oder Bereitstellung von Vermögenswerten zur Verwendung als Sicherheit bei Transaktionen) zu leisten.

2. Frühintervention
Durch aufsichtliche Frühintervention wird sichergestellt, dass finanzielle Schwierigkeiten schon im Keim abgewendet werden. Frühinterventionsbefugnisse setzen ein, wenn ein Institut die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllt oder wahrscheinlich nicht erfüllen wird. Die Behörden könnten in diesem Fall verlangen, dass das Institut im Sanierungsplan enthaltene Maßnahmen durchführt, einen Aktionsplan mit einem Zeitplan für dessen Umsetzung aufstellt, eine Hauptversammlung zwecks Verabschiedung dringender Beschlüsse einberuft und zusammen mit seinen Gläubigern einen Umschuldungsplan ausarbeitet.

Außerdem werden die Aufsichtsbehörden die Möglichkeit haben, vorübergehend einen Sonderverwalter für eine Bank zu bestellen, wenn sich deren Finanzlage signifikant verschlechtert und die vorgenannten Instrumente nicht ausreichen, um die Situation umzukehren. Primäre Aufgabe des Sonderverwalters ist die finanzielle Wiederherstellung der Bank und die Sicherstellung einer soliden und vorsichtigen Unternehmensführung.

3. Abwicklungsinstrumente und -befugnisse
Eine Abwicklung erfolgt, wenn durch Prävention oder Frühintervention nicht verhindert werden kann, dass die Lage sich derart verschlechtert, dass die Bank von einem Ausfall betroffen oder bedroht ist. Wenn die Behörde feststellt, dass der Ausfall der Bank nicht durch anderweitige Maßnahmen abgewendet werden kann und dass das öffentliche Interesse (der Zugang zu unverzichtbaren Bankfunktionen, finanzielle Stabilität, Integrität der öffentlichen Finanzen usw.) gefährdet ist, sollten die Behörden die Kontrolle über das Institut übernehmen und entschlossen die Abwicklung einleiten.

Dank harmonisierter Abwicklungsinstrumente und -befugnisse, gekoppelt mit Abwicklungsplänen, die sowohl für national als auch für grenzübergreifend tätige Institute bereits im Voraus aufgestellt werden, erhalten die nationalen Behörden in allen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Instrumentarium und einen einheitlichen Ablaufplan für den Umgang mit Bankenausfällen an die Hand. Die Eingriffe in die Rechte von Anteilsinhabern und Gläubigern, die die Instrumente mit sich bringen, sind durch das übergeordnete Ziel gerechtfertigt, die finanzielle Stabilität sowie Einleger und Steuerzahler zu schützen, und werden von Schutzbestimmungen gestützt, die verhindern, dass die Abwicklungsinstrumente unrechtmäßig eingesetzt werden.

Die wichtigsten Abwicklungsinstrumente sind

>> das Instrument der Unternehmensveräußerung,
bei dem die Behörden die ausfallende Bank ganz oder teilweise an eine andere Bank verkaufen;

>> das Instrument des Brückeninstituts, bei dem die "guten" Vermögenswerte oder wesentlichen Funktionen der Bank ermittelt und gesondert auf eine neue Bank (Brückenbank) übertragen werden, die später an ein anderes Unternehmen veräußert wird. Die alte Bank mit den "schlechten" Vermögenswerten bzw. nicht wesentlichen Funktionen würde dann im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens liquidiert;

>> das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten, bei dem die "schlechten" Vermögenswerte der Bank auf eine eigens für die Vermögensverwaltung errichtete Zweckgesellschaft übertragen werden. Mit diesem Instrument wird die Bilanz einer Bank bereinigt. Um zu verhindern, dass dieses Instrument lediglich als eine staatliche Beihilfemaßnahme verwendet wird, wird in dem Rahmen vorgeschrieben, dass es nur in Verbindung mit einem anderen Instrument (Brückeninstitut, Unternehmensveräußerung oder Schuldenabschreibung) eingesetzt werden darf. Dadurch wird sichergestellt, dass die Bank nicht nur Unterstützung erhält, sondern gleichzeitig einer Restrukturierung unterzogen wird;

>> das "Bail-in"-Instrument, bei dem die Bank durch Löschung oder Verwässerung von Anteilen rekapitalisiert wird und die Forderungen der Gläubiger reduziert oder in Anteile umgewandelt werden. Ein Institut, für den sich kein Käufer des Privatsektors fände oder bei dem eine Aufgliederung voraussichtlich zu kompliziert wäre, könnte daher weiterhin grundlegende Dienstleistungen erbringen, ohne dass eine Rettung mit öffentlichen Mitteln notwendig wäre. Außerdem hätten die Behörden genug Zeit, es zu reorganisieren oder Teile seiner Geschäftstätigkeit geordnet zu liquidieren. Daher wären die Banken verpflichtet, in ihren Bilanzen einen Mindestbestand an Verbindlichkeiten zu führen, auf die die "Bail-in"-Befugnisse angewandt werden könnten. Beim Einsatz dieser Befugnisse würden die entsprechenden Verbindlichkeiten in einer im Voraus festgelegten Reihenfolge gemäß der Rangordnung der Forderungen abgeschrieben, damit das Institut wieder lebensfähig wird.

Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden
Im Hinblick auf den Umgang mit Ausfällen grenzübergreifend tätiger EU-Banken oder Gruppen sorgt der Rahmen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden in allen Phasen der Vorbereitung, Sanierung und Abwicklung. Vorgesehen ist die Einrichtung von Abwicklungskollegien unter der Leitung der für die Gruppenabwicklung zuständigen Behörde und unter Mitwirkung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Die EBA erleichtert gemeinsame Maßnahmen und wird bei Bedarf als verbindlicher Vermittler tätig. Dadurch werden die Grundlagen für eine zunehmend integrierte Beaufsichtigung grenzübergreifend tätiger Unternehmen auf EU-Ebene gelegt, die in den kommenden Jahren im Rahmen der Überprüfung der europäischen Aufsichtsstruktur weiter auszubauen wäre.

Abwicklungsfinanzierung
Damit die Abwicklungsinstrumente effektiv sind, müssen für sie Mittel in einer gewissen Höhe zur Verfügung stehen. Wenn die Behörden beispielsweise eine Brückenbank einrichten, braucht diese für ihre Tätigkeit Kapital oder kurzfristige Darlehen. Falls eine Finanzierung über die Märkte nicht möglich ist und um zu verhindern, dass Abwicklungsmaßnahmen vom Staat finanziert werden, werden zusätzliche Mittel durch Abwicklungsfonds bereitgestellt, die Beiträge von Banken proportional zu deren Verbindlichkeiten und Risikoprofilen erheben. Die Fonds müssen ausreichende Kapazitäten aufbauen, um in 10 Jahren 1 Prozent der gedeckten Einlagen zu erreichen. Sie werden ausschließlich zur Unterstützung einer geordneten Reorganisation und Abwicklung in Anspruch genommen, aber niemals zur Rettung einer Bank. Damit die Abwicklung grenzübergreifend tätiger Banken finanziert werden kann, ist eine gegenseitige Unterstützung der nationalen Abwicklungsfonds vorgesehen.

Damit die Ressourcen optimal eingesetzt werden, wird in der Abwicklungsrichtlinie zusätzlich auf die bereits vorhandenen Mittel in den 27 Einlagensicherungssystemen zurückgegriffen. Die Einlagensicherungssysteme stellen neben den Abwicklungsfonds finanzielle Mittel für den Schutz von Kleinanlegern bereit. Um maximale Synergie zu erreichen, wird es den Mitgliedstaaten sogar gestattet, das Einlagensicherungssystem und den Abwicklungsfonds zu verschmelzen, solange vollständig garantiert ist, dass das Sicherungssystem weiterhin in der Lage ist, die Einleger bei einem Ausfall zu entschädigen.

Hintergrund
Die Krise hat deutlich zutage treten lassen, dass wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät, sich diese auf den gesamten Finanzsektor und sogar weit über die Grenzen der einzelnen Länder hinaus ausbreiten können. Sie hat uns auch vor Augen geführt, dass es keine Systeme für den Umgang mit angeschlagenen Finanzinstituten gab. Es gibt nur sehr wenige Regeln, die festlegen, welche Maßnahmen im Falle einer Bankenkrise von den Behörden zu ergreifen sind. Deshalb kamen die G20 überein, dass ein Rahmen für Krisenverhütung und Krisenmanagement eingerichtet werden muss.2

Die Finanzkrise hat unmissverständlich gezeigt, dass ein robusteres Krisenmanagement auf nationaler Ebene erforderlich ist und dass Vorkehrungen für den Umgang mit dem Ausfall grenzübergreifend tätiger Banken getroffen werden müssen. Im Laufe der Krise ist es zum Ausfall mehrerer angesehener Banken (Fortis, Lehman Brothers, isländische Banken, Anglo Irish Bank, Dexia) gekommen. Dadurch wurden ernsthafte Mängel in den vorhandenen Regelungen aufgedeckt. Ohne Mechanismen für eine geordnete Liquidation hatten die EU-Mitgliedstaaten keine andere Wahl, als Rettungspakete für ihren Bankensektor aufzulegen. Die Kommission hat bereits 2010 eine Mitteilung zu dem Thema veröffentlicht.

Nähere Informationen
http://ec.europa.eu/internal_market/bank/crisis_management/index_de.htm
(Europäische Kommission: ra)


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    Das Gesetz über digitale Dienste ist das wegweisende Regelwerk der EU, mit dem das Online-Umfeld sicherer, gerechter und transparenter gemacht werden soll, und wird auf alle Online-Vermittler in der EU angewandt. Es schützt die Nutzer in der EU besser vor illegalen Waren und Inhalten und sorgt für die Wahrung ihrer Rechte auf Online-Plattformen, auf denen sie mit anderen Nutzern in Kontakt treten, Informationen austauschen oder Produkte kaufen.

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    Die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden von 22 Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Island haben die Ergebnisse einer Überprüfung ("Sweep") von Influencer-Posts in den sozialen Medien veröffentlicht. Demnach veröffentlichen fast alle Influencerinnen und Influencer (97 Prozent) kommerzielle Inhalte, aber nur jeder fünfte gibt systematisch an, dass es sich bei diesem Content um Werbung handelt.

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