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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen


Digitales Wettbewerbsrecht 4.0: Die wohl bedeutendste Änderung erfolgt durch den neu eingeführten Paragraphen 19a
Er ermöglicht dem Bundeskartellamt erstmals ein frühzeitiges Eingreifen bei Wettbewerbsgefährdungen durch bestimmte große Digitalkonzerne



Nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist die 10. GWB Novelle unter dem Namen "Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen ("GWB-Digitalisierungsgesetz") in Kraft getreten.

Wichtige Änderungen für den Wettbewerbsschutz in der Digitalwirtschaft
Ein zentraler Bestandteil der Novelle ist die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Die klassische Missbrauchsaufsicht der Wettbewerbsbehörden ist darauf ausgerichtet, vorhandenes wettbewerbsfeindliches Verhalten von marktmächtigen Unternehmen im Nachhinein abzustellen oder zu sanktionieren. Auf dieser Basis haben wir in den vergangenen Jahren auch als nationale Wettbewerbsbehörde wichtige Erfolge erzielt, wie zum Beispiel in unseren Verfahren gegen Amazon oder Facebook. Die große Dynamik der Digitalwirtschaft und das rasante Wachstum der großen Plattformen machen es aber notwendig, schneller und noch effektiver einschreiten zu können. Hier bringt uns die Novelle einen großen Schritt voran. Wir werden künftig bestimmte Verhaltensweisen der Big-Tech-Unternehmen schon früher untersagen können, also quasi bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir werden die Möglichkeit bekommen, vorbeugend einzuschreiten. Das kann ganz entscheidend dazu beitragen, die Marktmacht der großen Plattformen einzubremsen. Der deutsche Gesetzgeber ist hier international Vorreiter. Ähnliche Instrumente werden zwar auch auf europäischer Ebene diskutiert, aber der Gesetzgebungsprozess steht dort noch ganz am Anfang."

Die wohl bedeutendste Änderung erfolgt durch den neu eingeführten Paragraphen 19a. Er ermöglicht dem Bundeskartellamt erstmals ein frühzeitiges Eingreifen bei Wettbewerbsgefährdungen durch bestimmte große Digitalkonzerne. Unternehmen, denen aufgrund ihrer strategischen Stellung und ihrer Ressourcen eine besondere marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt, kann das Bundeskartellamt bestimmte Verhaltensweisen vorbeugend untersagen. Beispiele für solche Verhaltensweisen sind die Selbstbevorzugung von konzerneigenen Diensten oder die Behinderung des Marktzutritts von Dritten durch das Vorenthalten bestimmter Daten.

Die Schlagkraft der neuen Vorschrift untermauert der Gesetzgeber außerdem durch eine Verkürzung des Rechtsweges. Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundeskartellamtes, die auf der Basis von § 19a getroffen wurden, werden direkt vom Bundesgerichtshof entschieden. Das Überspringen der in allen sonstigen Kartellrechtsverfahren ersten Instanz, dem Oberlandesgericht Düsseldorf, wird mit einer erheblichen Zeitersparnis in den Verfahren einhergehen.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Vorschriften der klassischen Missbrauchsaufsicht konkretisiert und um internetspezifische Kriterien erweitert. Bei der Bemessung von Marktmacht ist nun auch gesetzlich vorgesehen, dass der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten und die Frage, ob eine Plattform über eine sog. Intermediationsmacht verfügt, zu berücksichtigen sind. Eine solche Schlüsselposition bei der Vermittlung von Dienstleistungen kann eine kartellrechtlich relevante Abhängigkeit begründen.

Hinsichtlich der Regelungen für Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht gilt nun, dass der Schutzbereich der Norm nicht mehr auf kleine und mittlere Unternehmen begrenzt ist. Eine wichtige Neuerung ist auch, dass das Bundeskartellamt zugunsten abhängiger Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen anordnen kann, dass ein Datenzugang gegen angemessenes Entgelt gewährt wird. Darüber hinaus sind spezielle Eingriffsmöglichkeiten für den Fall vorgesehen, dass ein Plattformmarkt in Richtung eines großen Anbieters zu "kippen" droht (sog. "tipping" eines Marktes).

Änderungen in der Fusionskontrolle
Eine bürokratische Entlastung für die Unternehmen soll mit einer Neujustierung der Umsatzschwellen in der Fusionskontrolle erreicht werden. Die meisten Zusammenschlussvorhaben sind in Deutschland erst anmeldepflichtig, wenn die beteiligten Unternehmen weltweit bzw. im Inland bestimmte Mindestumsätze erzielen. Künftig unterliegen Zusammenschlüsse nur dann der Kontrolle, wenn u.a. ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland mindestens einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro macht, statt bisher 25 Millionen und außerdem ein anderes beteiligtes Unternehmen einen Jahresumsatz in Deutschland von mindestens 17,5 Millionen Euro erzielt, statt bisher fünf Millionen.

Andreas Mundt: "Wir haben bislang Jahr für Jahr rund 1.200 Fusionen kontrolliert; darunter auch sehr viele wettbewerblich nicht wirklich relevante Fälle. Das ist eine stattliche Zahl, mit der eine sehr hohe Arbeitsbelastung einhergeht. Grundsätzlich begrüßen wir daher eine Anhebung der Schwellen. Bei der jetzt gewählten Höhe dürften allerdings der ein oder andere bedenkliche Fall wegfallen. Mit den freiwerdenden Ressourcen werden wir uns noch besser auf die wirklich kritischen Fälle fokussieren können."

Das Bundeskartellamt kann künftig außerdem Unternehmen in bestimmten Wirtschaftszweigen auch unterhalb der Umsatzschwellen dazu verpflichten, Zusammenschlüsse anzumelden. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen, u.a. Schwellenwerte, erfüllt sein und das Bundeskartellamt muss zunächst in einem der betroffenen Wirtschaftszweige eine Sektoruntersuchung durchgeführt haben.

Umsetzung der ECNplus-Richtlinie
Durch die Umsetzung der sog. ECNplus-Richtlinie wird die Effektivität der Kartellverfolgung gestärkt. In Angleichung an das auf EU-Ebene bestehende System sind Unternehmen und ihre Mitarbeiter künftig verpflichtet, in einem gewissen Rahmen an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken.

Ein wichtiger Schritt ist zudem die Stärkung der Kartellbehörden im gerichtlichen Bußgeldverfahren, wonach das Bundeskartellamt auch nach Einspruch gegen eine Bußgeldentscheidung – statt wie bisher nur die Generalstaatsanwaltschaft – zuständige Verfolgungsbehörde bleibt und im gerichtlichen Bußgeldverfahren künftig über dieselben Rechte wie die Staatsanwaltschaft verfügt.

Auch im Bereich der Bußgeldvorschriften enthält die Novelle verschiedene Neuerungen. So sind neue Regeln in Bezug auf Geldbußen gegen Unternehmensvereinigungen vorgesehen. Außerdem hat das Kronzeugenprogramm nun eine gesetzliche Verankerung erfahren. Das Bundeskartellamt wird seine diesbezüglichen Bekanntmachungen anpassen. Kronzeugenanträge können natürlich weiterhin jederzeit eingereicht werden.

Änderungen im Verwaltungsverfahren
Mit der Novelle werden die Voraussetzungen für einstweilige Maßnahmen des Bundeskartellamtes abgesenkt, um auch so die Möglichkeit für ein schnelleres und effizienteres Eingreifen in gefährdeten Märkten zu verbessern.

Auch die Änderungen bei der Akteneinsicht sind zu begrüßen. Während die Anhörung in Kartellverwaltungsverfahren künftig auch mündlich erfolgen kann, sorgen konkretisierte Bestimmungen zur Akteneinsicht von Verfahrensbeteiligten und Dritten für Rechtsklarheit in Verfahren.

Schließlich wird die etablierte Praxis, eine informelle Beratung von Unternehmen durch Schreiben des oder der Vorsitzenden einer Beschlussabteilung vorzunehmen, nun im Gesetz normiert. (Bundeskartellamt: ra)

eingetragen: 19.01.21
Newsletterlauf: 16.03.21


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