Sie sind hier: Home » Markt » Hinweise & Tipps

Vertrauen in die Zuverlässigkeit zerstört


Verdacht der Bestechlichkeit kann fristlose Kündigung rechtfertigen
Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist


(12.04.13) - Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 24.05.2012 (2 AZR 206/11) im Rahmen einer fristlosen Verdachtskündigung klargestellt, dass die strafrechtliche Bewertung im Kündigungsschutzprozess nicht maßgebend sei. Entscheidend sei der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch. Die Entscheidung, wonach der bestechliche Arbeitnehmer wirksam fristlos gekündigt werden kann, entspricht ständiger Rechtsprechung. Für den Agad-Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. ist allerdings der Hinweis des BAG auf entlastende Umstände sehr interessant.

"Kann der Arbeitnehmer beispielsweise aus der Ermittlungsakte ihn entlastende Ermittlungsergebnisse präsentieren, können diese die Verdachtskündigung selbst dann unwirksam machen, wenn der Arbeitgeber davon im Zeitpunkt des Ausspruches nichts wusste. Blieben solche entlastenden Tatsachen außer Betracht, hätte der Arbeitgeber nach der Auffassung des BAG ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste dann nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde nach Auffassung des BAG der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht", erklärt Rechtsanwalt Dr. Oliver K.-F. Klug, Hauptgeschäftsführer des Agad.

Das BAG führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass das Verhalten des Klägers "an sich" geeignet sei, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spiele es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen sei. Der ins Auge gefasste Vorteil begründe vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liege in der zutage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstöre der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit.

Auch die Anhörung war ordnungsgemäß. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, einen Fragenkatalog zu erstellen. Die Bezugnahme auf die Sachverhaltsdarstellung im Durchsuchungsbeschluss sei ausreichend. Der Arbeitgeber müsse bei der Anhörung auch nicht seine Kündigungsabsicht äußern. Zwar werde allgemein eine Äußerungsfrist von einer Woche vorgeschlagen, daraus folge aber nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist einzuräumen sei. Da der Kläger nicht einmal um eine Fristverlängerung gebeten, sondern den Vorwurf nur pauschal zurückgewiesen habe, sei auch die Frist von lediglich drei Tagen ausreichend gewesen.

Zwar müssten bei der Verdachtskündigung auch entlastende Umstände, die bereits im Zeitpunkt der Kündigung vorlagen, selbst dann berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber nichts von ihm wusste. Hier konnte der Kläger den Verdacht aber bis in die Revisionsinstanz nicht entkräften.

Im vorliegenden Fall war der 1953 geborene Kläger seit Januar 2002 bei einem öffentlichen Arbeitgeber als Ingenieur beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit "zentrales Baumanagement" war er für die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben zuständig.

Der Geschäftsführer eines Bauunternehmens zeigte den Kläger bei der Staatsanwaltschaft an, da er von dem Geschäftsführer für die Erteilung eines Auftrages eine Gegenleistung in Höhe von 10 Prozent des Auftragswertes gefordert habe. Nachdem sich der Geschäftsführer geweigert habe, diesen Betrag zu zahlen, drohte der Kläger ihm Konsequenzen an. Der Geschäftsführer der Baufirma habe ihm daraufhin angeboten, dessen Ferienwohnung am Gardasee kostenlos für einen Urlaub zu nutzen, was dieser dankend annahm.

Aufgrund des von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahrens, in dem auch ein Haftbefehl gegen den Kläger erlassen wurde, stellte der Arbeitgeber den Kläger von der Arbeitsleistung frei und lud ihn zu einem Anhörungsgespräch ein. Mit Anwaltsschreiben lehnte der Kläger die Teilnahme an dem Anhörungsgespräch ab. Er berief sich auf sein Schweigerecht im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren. Gleichzeitig erbat er einen Fragenkatalog, um sich darauf schriftlich äußern zu können.

Statt eines Fragenkataloges übersandte der Arbeitgeber dem Kläger eine Kopie des Durchsuchungsbeschlusses und forderte den Kläger zur Stellungnahme zu dem im Durchsuchungsbeschluss ausführlich geschilderten Sachverhalt auf. Für die Stellungnahme wurde dem Kläger eine Frist von nur drei Tagen eingeräumt.

Nachdem der Kläger die Vorwürfe nur pauschal bestritt, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis im Wege der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung. Diese Kündigung wurde von allen drei Instanzen bestätigt. (Agad: ra)

Agad: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Invests

  • Ethik für KI-Technologien ein Muss

    Das Europäische Parlament hat kürzlich mit dem "AI-Act" die weltweit erste staatliche Regulierung von KI verabschiedet. Die Verordnung soll die Entwicklung und den Einsatz von KI-Technologien maßgeblich regeln, indem sie Transparenz, Rechenschaftspflichten und Sicherheitsstandards vorschreibt.

  • Prüfungsangst kommt nicht von ungefähr

    Stehen die Prüfer des Fiskus vor der Tür, steigt in fast jedem Unternehmen das Nervositätslevel. Die Besucher kündigen sich zwar rechtzeitig an, stellen ihren Gastgebern aber ausführliche Detailfragen und schauen sich interne Unterlagen genau an, was nicht nur Zeit und Nerven kostet, sondern manchmal auch sehr viel Geld. "Mit einer gründlichen Vorbereitung können Firmen, Freiberufler und Selbstständige der Kontrolle ihrer Buchführung durch das Finanzamt aber in aller Regel gelassen entgegenblicken", betont Prof. Dr. Christoph Juhn, Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule und geschäftsführender Partner der Kanzlei Juhn Partner.

  • Bausteine für ein erfolgreiches ESG-Reporting

    Das Europäische Parlament hat bereits zum Jahresende 2022 die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD) angenommen. Zahlreiche Unternehmen - kapitalmarktorientierte, aber auch viele aus dem Mittelstand - sind spätestens Anfang 2025 rechtlich dazu verpflichtet, Informationen über die gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen ihres Handelns zu veröffentlichen und nach einem klar vorgegebenen Kriterienkatalog Rechenschaft abzulegen.

  • Chaos bei der Umsetzung von NIS-2 droht

    Ein Blick zurück kann manchmal sehr lehrreich sein: Am 26. Mai 2018 trat die Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO, in Kraft - genauer gesagt endete die 24-monatige Übergangsfrist. Zwei Jahre hatten deutsche Unternehmen also Zeit, ihre Prozesse an die neue Richtlinie anzupassen.

  • Die Uhr für DORA-Compliance tickt

    Ab dem 17. Januar 2025, gilt der Digital Operational Resilience Act (DORA) EU-weit für Finanzunternehmen und ihre IT-Partner. Da es sich um eine Verordnung der europäischen Union handelt, findet die Umsetzung in nationales Recht nicht statt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen