Gesetzliche Vorschriften völlig unzureichend?


"Global Data Leakage Report 2010": Vermeidbare Datenverluste verursachten 200 Millionen Dollar Schaden
Hohe Zahl von Datenmissbrauchsfälle: Ein Grund für den erwarteten Anstieg von Vorfällen liege "in einem zunehmend etablierten und halblegalisierten Schwarzmarkt für gestohlene Daten"


(23.05.11) - Dem IT-Security-Unternehmen InfoWatch zu Folge gab es im vergangenen Jahr 794 bekannt gewordene Fälle von Datenmissbrauch und Datenverlust, bei denen insgesamt 654 Millionen Datensätze betroffen waren. Der Schaden belief sich allein 2010 auf rund 200 Millionen US-Dollar. Diese Zahlen wurden jetzt im "InfoWatch Global Data Leakage Report" für das Jahr 2010 veröffentlicht. Seit 2004 trugen Experten von InfoWatch mittlerweile über 3000 Vorfälle von Data Leakage zusammen. Statistisch ist so jeder Mensch jedes Jahr von mindestens einem Vorfall persönlich betroffen.

Während viele Vorfälle von Datenmissbrauch schnell mit krimineller Energie in Zusammenhang gebracht werden, stehen bei der Studie von InfoWatch auch unbeabsichtigte Datenverluste im Fokus, die vor allem auf Anwenderfehler und mangelnde Sorgfalt zurückzuführen sind. Das Verhältnis von beabsichtigten zu unbeabsichtigten Datenverlusten - im vergangenen Jahr kamen auf 334 absichtliche 420 unabsichtliche Datenverluste - ist für die Experten dabei ein wichtiger Indikator bei der Suche nach Ursachen für die immer noch alarmierend hohe Zahl von Datenmissbrauchsfällen. Zwar ist dieses Verhältnis bei nahezu allen Branchen in etwa gleich, variiert jedoch sehr stark, wenn man sich die verschiedenen Kanäle anschaut, auf denen Daten ungewollt abfließen:

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Sind versehentliche Datenverluste bei Servern, Workstations und Storage-Centern mit 63 Vorfällen 2010 vergleichsweise selten, so sind unbeabsichtigte Datenpannen in E-Mails oder bei Papier-Ausdrücken, die in falsche Hände gelangen umso häufiger, immerhin 167 Vorfälle. Umgekehrt wurden bei Servern allerdings 129 Fälle von absichtlichem Datendiebstahl bekannt während Papier und E-Mails gerade einmal für 41 Fälle vorsätzlichen Datendiebstahls missbraucht wurden.

Natalya Kaspersky, CEO von InfoWatch, wies des Öfteren darauf hin, dass es "nutzlos ist, wenn Server mit sehr viel Geld und viel Aufwand gegen alle Arten von Angriffen geschützt werden, solange die Daten auch im Altpapier zu finden sind. Mit guten DLP-Lösungen können Drucker überwacht und E-Mails gescannt werden. Sehr vielen Unternehmen ist immer noch nicht bewusst, wo die Schwachstellen ihrer Sicherheitspolitik liegen und investieren so an den falschen Stellen".

Die Menge von Daten wächst rapide, da immer mehr Unternehmen das Internet als Verkaufs- und Kommunikationsplattform nutzen. Selbst ein kleines Unternehmen verarbeitet dabei mit 10.000 Transaktionen oft schon mehrere Tausend Kundendaten. Datenbanken wachsen so kontinuierlich und es entstehen täglich neue. Um das Risiko von Datenverlusten zu reduzieren müssten demzufolge die Sicherheitsvorkehrungen in den Unternehmen schneller besser werden als die Daten mehr werden.

"Der Stand der Dinge ist jedoch, dass Unternehmen immer noch weit hinter den technischen Möglichkeiten des Datenschutzes zurückbleiben, meist aus Kostengründen. Gesetzliche Regelungen könnten hier viel bewirken, sind jedoch nicht zu erwarten", fasst Natalya Kaspersky die Lage in der Wirtschaft zusammen.

Ein weiterer Grund für den erwarteten Anstieg von Vorfällen liegt in einem zunehmend etablierten und halblegalisierten Schwarzmarkt für gestohlene Daten. Insbesondere personalisierte Daten und Kundeninformationen haben feste Preise und lassen sich mit geringem Risiko weiter verkaufen. Da Kundendaten meist weniger stark geschützt sind als betriebsinterne Dokumente und überdies oft einer sehr großen Anzahl von Mitarbeitern zur Verfügung stehen, wundert es nicht, wenn 96 Prozent der betroffenen Datensätze personalisierte Daten sind. "An dieser Stelle wäre abermals der Gesetzgeber gefordert, der den Datendiebstahl an sich stärker bestrafen müsste und nicht erst den entstandenen Schaden, der oft gerichtlich nur schwer nachzuweisen ist. Aber von einem Gesetzgeber der selbst illegale Daten in Form einer Steuer-CD einkauft wird wohl kaum eine Initiative in diese Richtung zu erwarten sein", bemerkt Natalya Kaspersky.

Die Technik ist vorhanden, die Einsicht fehlt
Die Studie zeigt weiter, dass heute auf der technischen Seite bereits viele Möglichkeiten gegeben wären, ohne dass spezielle Fachkräfte komplizierte Sicherheitslücken zu schließen hätten. Nach wie vor ist die Menge an Datenverlusten durch Diebstahl oder Verlust von mobilen Geräten wie USB-Sticks, Notebooks oder Handys mit 171 Vorfällen sehr hoch und eine Vorschrift zur generellen Verschlüsselung mobiler Datenträger ist von jedem Unternehmen leicht umzusetzen. Natalya Kaspersky vergleicht die Situation wie folgt: "Es ist wie beim Brandschutz, wo jeder um den Sinn von Brandschutzmaßnahmen weiß, aber niemand den Ernstfall erwartet. So sind auch hier die technischen Lösungen für jedermann verfügbar, aber niemand erwartet sich konkret einen Nutzen."

Ferner zeigt die Studie, dass auch DLP-Lösungen, die unbeabsichtigten Datenabfluss durch Anwenderfehler sehr wirksam bekämpfen können und selbst vorsätzlichen Datendiebstählen hohe Hürden in den Weg setzen, nur sehr unzureichend in den IT-Infrastrukturen der Firmen implementiert sind. Denn auch hier stünden feste Kosten und klar kalkulierbarer Aufwand auf der einen Seite dem unwahrscheinlichen Fall eines gravierenden Vorfalls auf der anderen Seite gegenüber. Lasche Vorschriften und oft mangelnde Haftbarkeit für entstandenen Schaden, so die Studie weiter, verringern überdies die Motivation für Unternehmen in DLP-Lösungen zu investieren. Dies sind keine Voraussetzungen, die hoffen lassen, dass sich die Situation ohne strengere gesetzliche Vorgaben signifikant verbessern wird.

Bekannte Datenmissbrauchsfälle nur Spitze des Eisbergs
Bei der Frage, wie groß die tatsächliche Gefahr von Datenmissbrauch einzuschätzen ist, sind einige Unwägbarkeiten gegeben. Dennoch lässt sich die Zahl der Vorfälle vergleichsweise gut abschätzen und der wirtschaftliche Schaden in seiner ungefähren Größenordnung bestimmen.

Die USA waren lange Zeit das einzige Land, in dem es eine Meldepflicht für Verstöße gegen die Datenschutzbestimmungen des Unternehmens gab. 2009 führte auch Großbritannien eine solche Meldepflicht ein und die Anzahl der Vorfälle stieg sprunghaft an. Vergleicht man nun die Zahlen von Großbritannien von heute mit denen von früher, oder vergleicht man die Vorfälle pro Kopf in den USA, immerhin durchschnittlich 1,4 Vorfälle pro 1 Million Einwohner, mit denen in Deutschland, wo offiziell nur 0,09 Vorfälle pro 1 Million Einwohner vorkommen, dann lässt sich unschwer erahnen, wie viele Fälle tatsächlich in deutschen Firmen passieren und wie viele Vorfälle davon nie an die Öffentlichkeit gelangen.

Wirtschaftlicher Schaden beträchtlich
Auch der wirtschaftliche Schaden kann annähernd beziffert werden, da einige wenige Vorfälle für einen beträchtlichen Teil der 654 Millionen Datensätze verantwortlich sind. Bei diesen großen Vorfällen kann sehr gut nachvollzogen werden, welcher wirtschaftliche Schaden entstand, ohne den Schaden durch Reputationsverlust überhaupt zu berücksichtigen. Die Experten von InfoWatch bezifferten so allein für 2010 den gesamten entstandenen Schaden auf 200 Millionen US-Dollar. Umgerechnet ergibt das ca. 33 US-Cent pro Datensatz. Natalya Kaspersky gibt zu bedenken, dass "diese Zahl noch deutlich höher wird, wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil der betroffenen Daten nicht finanziell missbraucht werden konnte. Der gezielte Datendiebstahl von wertvollen und veräußerbaren Daten ist also durchaus lukrativ, vor allem, wenn es einen etablierten Schwarzmarkt für gestohlene Daten gibt und die Risiken so gering bleiben wie bisher."

Fazit
Neben kriminellem Datendiebstahl wird der versehentliche Abfluss von Daten nach wie vor unzureichend bekämpft. Technische Möglichkeiten sind vorhanden, werden jedoch nicht eingesetzt, da die Gefahr oft unterschätzt wird und politische Rahmenbedingungen fehlen. Ein gut funktionierender Schwarzmarkt für Personaldaten mit festen Strukturen macht den Schutz noch dringender, da vorsätzlicher Datendiebstahl lukrativer wird.

Neben politischen Vorgaben zu konkreten Datenschutzmaßnahmen kann eine Meldepflicht für Firmen bei Datenverlusten, wie das Beispiel Großbritannien zeigt, dazu führen, dass überhaupt bekannt wird, welche Unternehmen hier zu den schwarzen Schafen zählen. Diese muss einhergehen mit einer drastischen Erhöhung der Strafen, so dass Datenschutz für Unternehmen nicht nur moralisch sondern auch wirtschaftlich sinnvoll wird. (InfoWatch: ra)

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