Anforderungen von Privatanlegern


Kommunikation im Kapitalmarkt: Anlegerstudie 2012 veröffentlicht - Unzufriedenheit mit Informationsangeboten
Die Teilnehmer der Befragung wünschen sich eine vertrauenswürdige, kostenlose und professionelle Informationspolitik, bei der sie dieselben Informationen wie institutionelle Anleger erhalten


(25.05.12) - In Zeiten volatiler Kapitalmärkte profitieren Unternehmen von Privatanlegern, die Aktien halten und Anleihen zeichnen und so Stabilität schaffen. Wie und mit welchen Informationen diese Zielgruppe versorgt werden möchte und wo heute noch Defizite in der Finanzkommunikation liegen, hat das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig gemeinsam mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW), der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. (SdK) und der Deutsche EuroShop AG untersucht. Befragt wurden mehr als 500 Privatanleger in Deutschland mit monetärem Engagement in Aktien, Investmentfonds und/oder Unternehmensanleihen.

Privatanleger in Deutschland zeichnen sich durch ein langfristiges Interesse an Unternehmen aus. Sie informieren sich sowohl offline als auch online. Beide Kanäle müssen von Unternehmen bedient werden, um die Informationswünsche zu erfüllen. Als erste Anlaufstellen im Internet werden die Investor-Relations-Webseiten der Unternehmen genannt. Dort erwarten Privatanleger sowohl Präsentationen als auch Live-Events (Telefonkonferenzen, Webcasts, Online-Hauptversammlung) und Audio- und Videoformate. Großes Interesse gilt auch dem Online-Geschäftsbericht.

Social Media sind dagegen vor allem bei der Kommunikation mit jüngeren Anlegern unter 40 Jahren relevant. Entsprechende Plattformen werden für die Informationsbeschaffung zu ihren Anlagen und Finanzthemen genutzt. Momentan spielen in diesem Bereich Anlegerforen, Online-Wissensportale und Blogs über alle Altersgruppen hinweg die größte Rolle; mit Facebook und Twitter werden bislang nur die unter 40-Jährigen erreicht. Die Studie zeigt allerdings, dass die Nutzer im Social Web nicht auf einen Kanal fokussiert sind, sondern Social Media in der Breite nutzen. Sehr häufig nachgefragt werden zudem Präsentationen im Internet. Diese können sich sowohl auf der IR-Webseite als auch auf spezifischen Plattformen wie SlideShare befinden.

Im Offline-Bereich sind der Geschäftsbericht und gedruckte Aktionärszeitungen bzw. -briefe weiterhin die wichtigsten Medien in der Privatanleger-Kommunikation seitens der Unternehmen. Sie werden häufiger als Live-Events wie die Hauptversammlung, Finanzmessen, Anlegerforen oder Tage der offenen Tür nachgefragt.

Insgesamt besitzen Unternehmen im Vergleich der Informationsquellen eine relativ hohe Glaubwürdigkeit, die nur von Journalisten (Print und Online-Finanztitel, aber auch Online-Informationsportale) übertroffen wird. Banken und Finanzdienstleister müssen hingegen den größten Vertrauensverlust hinnehmen. Ihre Expertise wird von Privatanlegern kaum nachgefragt, um sich über Beteiligungen an Unternehmen zu informieren und Investitionsentscheidungen zu treffen. Analysten spielen für Privataktionäre ebenfalls eine untergeordnete Rolle.

Privatanleger greifen weiterhin stark auf Informationen und die Beratung von Anlegerschutzvereinigungen zurück. Der Austausch im Bekannten und Freundeskreis wird wider Erwarten eher selten genutzt. Finanzjournalisten nehmen eindeutig die führende Rolle als Vermittler und Meinungsbildner ein. Entsprechende Angebote im Print-Bereich (Tagespresse, Wirtschaftsmagazine, Finanz- und Börsentitel) sind die vorrangige Informationsquelle, gefolgt von kostenfreien Online-Informationsportalen. Diese Portale sind im Vergleich zu Social-Media-Angeboten bereits etabliert und werden von Anlegern aller Altersgruppen intensiv genutzt. Sie liegen hinsichtlich Nutzungshäufigkeit, Glaubwürdigkeit und Qualität des Informationsangebots in der Wahrnehmung zudem vor kostenpflichtigen professionellen Anbietern wie Bloomberg und Reuters.

Die Teilnehmer der Befragung wünschen sich von der Finanzkommunikation eine vertrauenswürdige, kostenlose und professionelle Informationspolitik, bei der sie dieselben Informationen wie institutionelle Anleger erhalten. Neben "harten" Fakten wie Aktienkurs und Kennzahlen suchen Privatanleger vor allem auch Informationen zu Produkten, zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens und zur Qualität des Managements. Mit den von den Unternehmen angebotenen Informationen sind deutsche Privatanleger nur mäßig zufrieden. Bei der Online-Kommunikation wird das größte Potenzial für eine bessere Ansprache gesehen.

Ansgar Zerfaß, Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig, sieht die Unternehmen an dieser Stelle in der Pflicht: "Privatanleger benötigen eine spezifische Ansprache - hier können viele Unternehmen im Social Web einiges erreichen. Webseiten für Investor Relations werden heute sehr gut angenommen, dort kann man ansetzen und neue, dialogorientierte Formate und Plattformen ergänzen." Kristin Köhler, Projektleiterin der Anlegerstudie, weist darauf hin, dass sich Privatanleger in ihrem Informationsverhalten hinsichtlich ihres Alters, ihrer Online- und ihrer Social-Media-Affinität unterscheiden.

Das jeweilige Anlageverhalten und Faktoren wie Risikoaffinität, Anlageerfahrung, Beteiligung oder Diversifikation des Portfolios beeinflussen die Informationsbeschaffung dagegen kaum. "Die Kommunikation mit Privatanlegern als relativ heterogener Gruppe, deren einzelne Mitglieder den IR-Verantwortlichen meist nicht persönlich bekannt sind, gestaltet sich von daher weniger komplex, als es auf den ersten Blick scheint", so die Wissenschaftlerin.

Die Anlegerstudie der Universität Leipzig hat sich erstmals dezidiert mit den Informationsanforderungen von Privataktionären - einer leider noch immer von Unternehmen nachrangig betrachteten Investorengruppe - beschäftigt, fasst Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW, die Unterstützung der wissenschaftlichen Analyse durch die Anlegerschutzvereinigung zusammen. "Aber nicht nur bei Unternehmen, sondern vor allem in der Anlageberatung wird Verbesserungspotenzial sichtbar", so Tüngler. Die Ergebnisse können zur weiteren Professionalisierung der Privatanlegerkommunikation und -beratung beitragen, bestätigt auch Daniel Bauer, Mitglied im Vorstand der SdK.

"Die Anlegerstudie gibt IR-Managern wichtige Impulse für eine zielgruppengerechte, transparente und umfassende Kommunikation", fasst Patrick Kiss, Leiter Investor & Public Relations der Deutsche Euroshop AG, zusammen. "Wir versuchen den Anforderungen unserer Aktionäre gerecht zu werden, indem wir neben traditionellen Maßnahmen auch neue Kanäle im Internet in unsere Kommunikationspolitik einbinden. Für eine gezielte Ansprache war es uns wichtig, die Bedürfnisse unserer Privatinvestoren detaillierter zu kennen." (Universität Leipzig: ra)

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Meldungen: Studien

  • Datenschutz als Innovations-Bremse

    Mehr als zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland fühlen sich vom Datenschutz ausgebremst. 70 Prozent haben bereits mindestens einmal Pläne für Innovationen aufgrund von Datenschutz-Vorgaben oder Unsicherheiten bei der Anwendung des geltenden Rechts gestoppt. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 61 Prozent. Aktuell sagen wie im Vorjahr 17 Prozent, dass sie einmal auf Innovationspläne verzichtet haben. Bei 35 Prozent war das dagegen bereits mehrfach der Fall (2024: 27 Prozent) und bei 18 Prozent sogar häufig (2024: 17 Prozent). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

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    IT-Verantwortliche bewerten das Risiko, dass ihr Unternehmen Opfer einer Cyberattacke wird, so hoch wie nie zuvor: Fast sieben von zehn Befragten (69 Prozent) befürchten laut einer aktuellen EY-Studie Hackerangriffe und bewerten die Gefahr dabei als "eher hoch" bis "sehr hoch". Besonders große Sorgen machen sich die Befragten in den Bereichen Technologie, Medien und Telekommunikation (82 Prozent), Energie und Metallverarbeitung (80 Prozent), Pharma und Gesundheit sowie Bau und Immobilien (jeweils 71 Prozent).

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    NTT Data stellte die Ergebnisse ihrer neuesten Studie vor. Die Daten zeigen, dass Fertigungsunternehmen beim Einsatz von GenAI zwar vor einigen Hürden stehen, die Technologie aber das Potenzial hat, ein ganz neues Niveau an Effizienz und Innovationskraft hervorzubringen. Neben den vielen Anwendungsbereichen von GenAI untersuchte die Studie "Von der Fertigungshalle ins KI-Zeitalter: Haben Sie einen Masterplan oder Nachholbedarf?" auch die Herausforderungen, denen sich das produzierende Gewerbe gegenübersieht.

  • Drei Viertel lassen KI-Chancen liegen

    Ob zur Qualitätskontrolle, Automatisierung, Energieeinsparung oder Steuerung von Robotern - die Anwendungsmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz in der Produktion sind zahlreich. Mit Blick auf die deutsche Industrie zeigt sich aber: Nur einem Viertel der Unternehmen gelingt es nach eigener Einschätzung bereits gut, die Potenziale von KI zu nutzen (24 Prozent). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die unter 552 Industrieunternehmen des verarbeitenden Gewerbes ab 100 Beschäftigten in Deutschland durchgeführt wurde. Die übrigen drei Viertel sehen sich noch nicht imstande, entsprechende Möglichkeiten auszuschöpfen (72 Prozent).

  • Lösungsansätze gegen den GenAI-Gender Gap

    Frauen drohen bei Künstlicher Intelligenz (KI), die bis 2030 allein in Deutschland 3 Millionen Jobs verändern könnte, ins Hintertreffen zu geraten. So zeigen aktuelle Zahlen von Coursera, dass lediglich 27 Prozent der Lernenden in Generative-AI (GenAI)-Kursen in Deutschland (102.000 Einschreibungen) weiblich sind. Dies liegt noch unter dem weltweiten Durchschnitt von 32 Prozent und reicht im Ländervergleich gerade für einen Platz in den Top-Ten (Platz 9). Und das, obwohl sich allein auf Coursera im vergangenen Jahr weltweit alle 10 Sekunden jemand in einen GenAI-Kurs einschrieb.

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