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Frage der Tariffähigkeit des DDN


Keine Entscheidung zur Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbands Diakonischer Dienstgeberverband Niedersachsen e.V. (DDN)
Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass wegen einer Zwangsmitgliedschaft im DDN Zweifel an der Tariffähigkeit des auf Arbeitgeberseite am Vertragsschluss beteiligten DDN und damit an der Wirksamkeit des TV DN bestehen könnten



Nimmt ein Tarifvertrag auf einen anderen Tarifvertrag Bezug, werden die Regelungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags inkorporierter Teil des verweisenden Tarifvertrags. Als solcher gelten sie unmittelbar und zwingend zwischen den an den Verweisungstarifvertrag gebundenen Parteien eines Arbeitsvertrags. Das gilt auch für den Fall, dass am Abschluss des in Bezug genommenen Tarifvertrags eine nicht tariffähige Partei beteiligt gewesen sein sollte.

Die Beklagte ist Mitglied des Diakonischen Werks der evangelisch-lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe. Kirchenrechtliche Bestimmungen schreiben vor, dass dessen Mitglieder zugleich Mitglieder im DDN sind. Der DDN hat u. a. den Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen vom 19. September 2014 (TV DN) geschlossen. Die Beklagte betreibt ein Ende 2016 im Wege eines Betriebsübergangs übernommenes Krankenhaus. In diesem ist die Klägerin als Fachkrankenschwester im Herzkatheter-Labor beschäftigt. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten einer Pflegefachkraft in einem Funktionsbereich. Seit der ab Mai 2019 geltenden Fassung gewährt Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 1 TV DN eine monatliche Zulage zum Tabellenentgelt für "Arbeitnehmerinnen auf Arbeitsplätzen in der Pflege in Krankenhäusern".

Deren Zahlung beansprucht die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass der Begriff des "Arbeitsplatzes in der Pflege" auch Funktionsbereiche wie bspw. das Herzkatheter-Labor umfasse. Die Beklagte steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass die Zulage nur an Pflegepersonal auf bettenführenden Stationen zu zahlen sei.

Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass wegen einer Zwangsmitgliedschaft im DDN Zweifel an der Tariffähigkeit des auf Arbeitgeberseite am Vertragsschluss beteiligten DDN und damit an der Wirksamkeit des TV DN bestehen könnten. Darauf ist der aus Anlass des Betriebsübergangs ua. von der Beklagten sowie der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied die Klägerin ist, geschlossene Überleitungstarifvertrag vorgelegt worden. Dessen § 3 be- stimmt, dass auf die übergehenden Arbeitsverhältnisse ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Bestimmungen des TV DN in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.

Darum konnte der Senat nicht mehr über die Frage der Tariffähigkeit des DDN befinden. Die Regelungen des TV DN sind aufgrund der Bezugnahme in § 3 des Überleitungstarifvertrags, an den die Parteien gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind, inkorporierter Teil dieses Tarifvertrags. Als solcher gelten sie im Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend. Ob die Parteien daneben auch an den TV DN selbst gebunden sind, war deshalb irrelevant. Die Klage hatte dennoch keinen Erfolg. Funktionsbereiche wie bspw. das Herzkatheter-Labor sind vom Begriff der "Arbeitsplätze in der Pflege" iSv. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 1 TV DN nicht umfasst.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Juli 2025 - 6 AZR 172/24 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 20. Juni 2024 - 3 Sa 648/23 -


Hinweise
Der Senat hat am selben Tag in einem Parallelverfahren (- 6 AZR 173/24 -), das eine Fachkrankenschwester in der Anästhesie betraf, ebenso entschieden.
In einem weiteren vom Senat am selben Tag entschiedenen Verfahren (- 6 AZR 270/24 -), in dem die Parteien über die Zahlung einer Team-/Gruppenleiterzulage nach dem TV DN stritten, kam es auf die Tariffähigkeit des DDN ebenfalls nicht an.
(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Juli 2025: ra)

eingetragen: 04.08.25


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