Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

Illegale Überwachung und Haftungsrisiko


Der gute Zweck heiligt nicht die Mittel: Durch die illegale Überwachung von Mitarbeitern droht ein erhebliches Haftungsrisiko - Neben den strafrechtlichen Folgen können Datenschutzverstöße mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 250.000 Euro sanktioniert werden
Wesentlich für beinahe jedes Unternehmen, egal von welcher Größe oder mit welchem Geschäftsvolumen, ist eine funktionierende Compliance-Struktur

Dr. Christiane Bierekoven:
Dr. Christiane Bierekoven: Systematische IT-Compliance gefragt, Bild: Rödl & Partner

(09.06.08) - Durch die illegale Überwachung von Mitarbeitern droht Geschäftsführern und Vorständen ein erhebliches Haftungsrisiko. Dies zeigen die aktuellen Vorgänge bei der Deutschen Telekom wie auch bei führenden Einzelhandelsunternehmen – unter anderem Lidl.

"Der gesetzliche Handlungsrahmen für Unternehmen, Sicherheitslecks aufzudecken oder Wirtschaftsspionage zu verhindern, ist sehr eng", betont Dr. Christiane Bierekoven, Rechtsanwältin und Expertin für IT-Recht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner. "Der gute Zweck heiligt nicht die Mittel. Das berechtigte Interesse daran, die Weitergabe vertraulicher Informationen zu unterbinden, rechtfertigt nicht den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter und anderer beteiligter Personen. Der Datenschutz und das Fernmeldegeheimnis sind bei entsprechenden Kontrollen und Ermittlungen stets und umfassend zu beachten."

Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden, Verstöße gegen das Fernmeldegeheimnis sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit empfindlichen Geldstrafen. Zu berücksichtigen ist hierbei für die Unternehmensführung insbesondere, dass nicht nur der eigentliche Täter bestraft werden kann, sondern auch, wer zu der entsprechenden Tat angestiftet bzw. hierzu Beihilfe geleistet hat.

"Die aktuellen Fälle zeigen, dass es sich hierbei keineswegs nur um eine rein theoretische Möglichkeit handelt, sondern von dem Instrument der Strafanzeige durchaus erfolgreich Gebrauch gemacht werden kann, wie die aktuellen Ermittlungen und Durchsuchungen in der Telekomzentrale in Bonn demonstrieren", sagt Bierekoven. "Strafrecht, Telekommunikationsrecht und Telemedienrecht bieten einen starken Schutz gegen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte. Die Ermittlungen und Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft können jedoch nicht nur ein entsprechendes Gerichtsverfahren nach sich ziehen, sondern haben auch erhebliche negative Konsequenzen für das Ansehen des Unternehmens."

Neben den strafrechtlichen Folgen können Datenschutzverstöße zudem mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 250.000 Euro sanktioniert werden. Die aktuellen Fälle lassen aufgrund ihres Ausmaßes erwarten, dass dieser Rahmen ausgeschöpft werden könnte. Hinzu kommen mögliche Schadensersatzansprüche der durch eine rechtswidrige Überwachung betroffenen Personen.

Verantwortlich für diese Konsequenzen und deshalb mit einem besonders hohen Risiko behaftet ist in erster Linie die Leitung des Unternehmens. Dies sind nicht nur die Geschäftsführer einer GmbH und die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Das Haftungsrisiko gilt gleichermaßen für Geschäftsführer oder Inhaber mittelständischer Unternehmen.

Die Verantwortlichen haften persönlich für Schäden, die ihr Unternehmen, sei es eine GmbH, eine AG, eine OHG oder eine KG, durch ihr vorsätzliches oder aber auch bereits fahrlässiges Fehlverhalten erleidet. Dies kann zum Beispiel die Anweisung bzw. stillschweigende Duldung illegaler Überwachungsmaßnahmen oder der rechtswidrige Einblick in E-Mails, Schriftverkehr oder Telefonverbindungen sein. Die Unternehmensleiter werden strafrechtlich meistens gemeinsam mit den Sicherheits- und IT-Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.

Fraglich ist, wie Unternehmen ohne strafrechtliches Risiko Kontrollen und, insbesondere bei konkretem Missbrauchsverdacht, zunächst eigene Ermittlungen durchführen können, um das Unternehmen davor zu schützen, dass vertrauliche Informationen weitergegeben werden?

"Wesentlich für beinahe jedes Unternehmen, egal von welcher Größe oder mit welchem Geschäftsvolumen, ist eine funktionierende Compliance-Struktur", erklärt Bierekoven. "Diese muss mit Bezug auf den Gebrauch oder Missbrauch von Daten eine effektive IT-Compliance umfassen. Hier sollten sämtliche erforderlichen Einwilligungen der eigenen Mitarbeiter in die Protokollierung und Kontrolle der Nutzung der betrieblichen Kommunikationsmittel, seien es Telefon, Fax, Handy, E-Mail, Internet oder auch Blackberry, dokumentiert sein."

Grundlage jeder IT-Compliance ist zunächst eine umfassende Analyse der IT-Infrastruktur aus technischer und rechtlicher Sicht, in deren Rahmen festgestellt wird, ob und welche technischen und rechtlichen Mechanismen das Unternehmen bereits ergriffen hat und ob bereits ergriffene Maßnahmen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Zentrale Fragen sind dabei, wer Daten erhebt und wie diese verarbeitet und gegen Missbrauch geschützt werden, wie Arbeitnehmer oder auch Dritte - beispielsweise Kunden - kontrolliert oder gar überwacht werden, ob hierfür die erforderlichen Einwilligungen vorliegen, die den Mitarbeitern Inhalt, Umfang und Ausmaß der internen Überwachungsmaßnahmen aufzeigen, der Betriebsrat beteiligt wurde, es einen unabhängigen Datenschutzbeauftragten gibt, wer im Unternehmen auf welche Daten Zugriff hat und schließlich, welche Mechanismen und Abhilfemaßnahmen für Missbrauchsfälle, insbesondere unter Einsatz personenbezogener oder sensibler Unternehmensdaten, vorgesehen sind.

Auf der Grundlage der Bestandsaufnahme wird eine einheitliche Compliance-Richtlinie erstellt, die im Unternehmen implementiert und durch effektive Controllingmechanismen etabliert und durchgesetzt wird.

Bierekoven weist darauf hin: "Nur durch eine systematische IT-Compliance können Unternehmen das Risiko unbefugter Informationsabflüsse durch effektive Kontrollmaßnahmen verringern und dennoch sicherstellen, nicht als unheimlicher 'Big Brother' wahrgenommen zu werden."
(Rödl & Partner: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Markt / Hintergrund

  • Überprüfung der Finanzmarktregulierung notwendig

    Die privaten Banken sehen neue Chancen für Fortschritte auf dem Weg zu gemeinsamen Finanzmärkten in Europa. "Die Kapitalmarktunion ist so weit oben auf der europapolitischen Agenda wie seit Jahren nicht - wir begrüßen das ausdrücklich", sagte Christian Sewing, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, anlässlich des 23. Deutschen Bankentages in Berlin.

  • Schutz von Unternehmen vor Abmahnmissbrauch

    Gute Nachricht für Deutschlands Unternehmen: Der Bundesrat hat beschlossen, einen Gesetzentwurf aus Bayern zum Schutz vor Abmahnmissbrauch in den Bundestag einzubringen. Mit dem Entwurf soll die Verfolgung von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ausgeschlossen werden.

  • IP-Adressen der einzige Ermittlungsansatz?

    Die Ampel-Regierung hat sich nach Angaben von FDP-Rechtspolitikern im Kabinett auf das sogenannte "Quick-Freeze-Verfahren" geeinigt. Verkehrsdaten sollen bei diesem Modell nur bei einem Anfangsverdacht auf eine Straftat auf Richteranordnung gespeichert werden.

  • Unterschied zwischen DSA und NetzDG

    Am 17. Februar 2024 trat der Digital Services Act (DSA), das EU-Regelwerk für Internet-Plattformen, in vollem Umfang in Kraft. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich sagte: "Hass und Hetze im Internet bedrohen unsere Demokratie wie nie zuvor. Nach einer aktuellen, repräsentativen Studie wurde fast jede zweite Person in Deutschland bereits online beleidigt, ein Viertel der Befragten mit körperlicher Gewalt konfrontiert.

  • Entwicklung der Künstlichen Intelligenz 2024

    Unkoordinierter Einsatz, Fokus auf Personalisierung, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, ROI sowie Bedrohungen und Chancen sind die Trends, die die Künstliche Intelligenz 2024 prägen werden. Der weltweite Umsatz im Bereich Künstliche Intelligenz in den Anwendungsfeldern Hardware, Software und IT-Services könnte sich im Jahr 2024 auf über 550 Milliarden US-Dollar belaufen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen