Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesgerichtshof

Entsperren benutzerfreundlicher gestalten


In einem Urteil vom 25. August 2015 – X ZR 110/13 erklärt der Bundesgerichtshof das Patent zur Entsperrung eines Touchscreens für nichtig
Das Streitpatent beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit

(10.09.15) - Die beklagte Apple Inc. ist Inhaberin des auch in Deutschland geltenden europäischen Patents 1 964 022 (Streitpatents). Die Klägerin Motorola Mobility Germany GmbH hat das Streitpatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen. Die Erfindung betrifft eine Maßnahme zum Entsperren einer tragbaren elektronischen Vorrichtung mit berührungsempfindlichem Bildschirm (Touchscreen), beispielsweise eines Mobiltelefons. Nach den Ausführungen der Patentschrift war es bekannt, solche Geräte gegen unabsichtliche Funktionsauslösung durch zufälligen Berührungskontakt zeitweise zu sperren und durch Berührung bestimmter Bildschirmbereiche in einer vorgegebenen Reihenfolge wieder zu entsperren. Das Streitpatent möchte das Entsperren benutzerfreundlicher gestalten. Es schlägt daher im Wesentlichen vor, dass der Nutzer zum Entsperren des Geräts eine bestimmte (Finger-)Bewegung (Wischbewegung) auf der Berühroberfläche ausführt. Dabei wird ihm auf dem Bildschirm eine grafische Hilfestellung gegeben, indem sich ein Entsperrbild "im Einklang mit der Fingerbewegung" auf einem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent gemäß Art. II § 6 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG* mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt und auch die hilfsweise verteidigten beschränkten Fassungen des Patents für nicht rechtsbeständig gehalten. Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig (Art. 52 Abs. 1 EPÜ**), weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Art. 56 Satz 1 EPÜ***). Das von dem schwedischen Hersteller Neonode vertriebene Mobiltelefon N1 nehme alle Merkmale der Erfindung bis auf die Anweisung vorweg, dem Nutzer auf dem Bildschirm ein Entsperrbild anzuzeigen, das sich im Einklang mit der – als solche bekannten – Fingerbewegung auf einem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt. Dieses Merkmal sei jedoch bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen, weil es kein technisches Problem löse, sondern lediglich auf die Vorstellung des Benutzers einwirke, indem es durch grafische Maßnahmen die Bedienung des Geräts vereinfache.

Der u.a. für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er hat zwar bei der Prüfung der Patentfähigkeit – anders als das Bundespatentgericht – berücksichtigt, dass die Erfindung insofern über den durch das Mobiltelefon Neonode N1 verkörperten Stand der Technik hinausgeht, als die Entsperrung dem Benutzer durch eine den Entsperrvorgang begleitende grafische Darstellung angezeigt wird. Eine solche benutzerfreundlichere Anzeige war dem Fachmann jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt. Denn dort wird ein "virtueller Schalter" beschrieben, der durch eine Wischbewegung auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm mittels "Verschiebens" eines grafischen Objekts einen Schieberegler imitiert. Das Streitpatent beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Bundespatentgericht – Urteil vom 4. April 2013 – 2 Ni 59/11 (EP)

Karlsruhe, den 25. August 2015

* Art. II § 6 IntPatÜbkG (Gesetz über internationale Patentübereinkommen vom 21. Juni 1976) Nichtigkeit

(1) 1Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent wird auf Antrag für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, dass

1.der Gegenstand des europäischen Patents nach den Artikeln 52 bis 57 des Europäischen Patentübereinkommens nicht patentfähig ist, …

** Art. 52 EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) Patentierbare Erfindungen

(1) Europäische Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

*** Art. 56 EPÜ Erfinderische Tätigkeit

1 Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 25.08.15: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundesgerichtshof

  • "Abrufkraft Helferin Einlage"

    Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, legen aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest, gilt grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart.

  • Kündigungsschutz & Schwerbehinderung

    Ist eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG geplant und schließen der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat darüber einen Interessenausgleich mit Namensliste, wird nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung des in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.

  • Berechtigte Vertraulichkeitserwartung?

    Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.

  • Offene Videoüberwachung - Verwertungsverbot

    In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.

  • Interessenkonflikte drohen

    Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in aller Regel, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 gültigen Fassung (aF) zu widerrufen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen