Sorge über hohe Kosten in der Heimpflege


Die Linke fordert in einem Antrag, die Eigenanteile in Pflegeheimen zu begrenzen und die Teilkostendeckung zu einer Pflegevollversicherung umzugestalten
Nach Angaben der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA-Pflegeschutzbund) wird das finanzielle Risiko eines Pflegefalls oft unterschätzt



Gesundheitsexperten sehen die teilweise stark steigenden Eigenanteile in der Heimpflege mit Sorge. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses über einen Antrag (19/960) der Linksfraktion schlugen sie - auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen - unterschiedliche Lösungen vor. Einig sind die Experten darin, dass die Pflegekosten in den nächsten Jahren deutlich steigen werden, unter anderem durch höhere Löhne und mehr Personal, was zu höheren Beiträgen führen könnte und auch zu höheren Eigenanteilen. Während einige Experten empfehlen, aus der Teilkostendeckung auszusteigen und eine Pflegevollversicherung zu entwickeln, sehen andere Fachleute darin ein zusätzliches Kostenrisiko sowie einen systematischen Fehlanreiz. Auch die Idee einer Teilkostenversicherung mit fixem Eigenanteil der Versicherten wurde in der Anhörung vorgeschlagen.

Die Linke fordert in ihrem Antrag, die Eigenanteile in Pflegeheimen zu begrenzen und die Teilkostendeckung zu einer Pflegevollversicherung umzugestalten. Die angestrebte flächendeckende tarifliche Bezahlung der Pflegekräfte dürfe sich nicht zu Lasten der Pflegefälle und Versicherten auswirken. Der Pflegevorsorgefonds solle umgewidmet und die medizinische Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen wieder durch die Krankenversicherung finanziert werden.

Nach Angaben der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA-Pflegeschutzbund) wird das finanzielle Risiko eines Pflegefalls oft unterschätzt. Der Versicherungszuschuss decke nur bis zu 75 Prozent der reinen Pflegekosten. Bei stationärer Pflege kämen Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten hinzu, die von den Betroffenen selbst zu tragen seien. Eine bessere Bezahlung und Aufstockung der Pflegekräfte werde zu weiteren Kosten führen.

Der Verband schlug vor, die medizinische Behandlungspflege wieder auf die gesetzlichen Krankenkassen zu übertragen, den Pflegevorsorgefonds aufzulösen, die aufwendigen Parallelstrukturen bei den zahlreichen Pflegekassen zu verändern, Eigenanteile zu deckeln und langfristig eine Vollversicherung einzuführen. Nach Berechnungen des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) würde die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege die GKV rund drei Milliarden Euro jährlich kosten.

Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing warnte, mit einer Vollversicherung könnte die Bereitschaft zurückgehen, ältere Menschen zu Hause zu pflegen. Der Pflegeversicherung liege jedoch der Gedanke der Eigenverantwortung zugrunde. Wenn der Sozialstaat die Pflegebedürftigkeit komplett absichere, könnte dadurch die Eigenverantwortung an Bedeutung verlieren und die Pflegeversicherung belastet werden. Vor allem bei einer Steuerfinanzierung ginge der Zusammenhang zwischen Beitrag und Leistungsanspruch und damit das Kostenbewusstsein verloren.

Der Arbeitgeberverband BDA gab zu Bedenken, eine Vollversicherung würde neue Ungerechtigkeiten schaffen. Es wäre nicht vermittelbar, warum über die Pflege hinaus eine Unterstützung für Verpflegung und Unterkunft geleistet werde, die andere Menschen nicht erhielten. Insbesondere wohlhabende Pflegebedürftige würden durch die Finanzierung ihrer Wohn- und Verpflegungskosten besser gestellt. Der Verband plädierte alternativ für eine ergänzende kapitalgedeckte Risikovorsorge, um die Finanzierbarkeit der Pflege langfristig zu sichern. Denkbar wäre ein Prämienmodell, ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag für Versicherte.

Für ein solches Konzept plädierte auch die Sozialökonomin Susanna Kochskämper vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Es sollte über eine ergänzende, kapitalgedeckte zweite Säule für die Pflegeversicherung nachgedacht werden. Sie warnte, auf keinen Fall sollte die Erwartung geschürt werden, die Pflegeversicherung könnte die steigenden Pflegekosten bei gleichbleibenden Leistungszusagen allein und ohne signifikant steigende Beiträge bewältigen.

Nach Angaben des Deutschen Pflegerates (DPR) steigt der Eigenanteil in den stationären Pflegeeinrichtungen seit Jahren. Mit der Pflegereform 2017 sei zwar der Übergang in einen höheren Pflegegrad durch den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) nicht mehr mit Mehrkosten für die Pflegefälle verbunden, jedoch sei der Kostenanstieg ungebremst. Ferner seien die Kosten in den Bundesländern sehr unterschiedlich.

Der Sozialverband VdK sieht wegen der "drastisch steigenden Belastungen" für die Betroffenen akuten Handlungsbedarf. Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen zahlten im Schnitt 587 Euro monatlich aus eigener Tasche für die Pflegekosten. Zusammen mit den Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten ergebe sich eine monatliche Gesamtbelastung von 2.278 Euro.

Der Verband forderte einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss, um Kosten zu begleichen, die entweder die Infrastruktur betreffen oder gesamtgesellschaftliche Aufgaben, etwa die Investitions- oder Ausbildungskosten. Auch ein Vertreter des GKV-Spitzenverbandes brachte in der Anhörung einen Bundeszuschuss ins Gespräch. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 15.06.18
Newsletterlauf: 12.07.18


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Garantien für Uefa unterliegen Steuergeheimnis

    Der Erlass von Einkommensteuer für Veranstaltungen in Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft 2024 ist aus Sicht der Bundesregierung in besonderem öffentlichen Interesse. Allerdings unterlägen die Inhalte der Steuergarantien für den europäischen Fußballverband Uefa dem Steuergeheimnis, schreibt sie in ihrer Antwort (20/12227) auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke (20/11840).

  • Übererfüllung von EU-Rechtsakten

    Die Bundesregierung gibt in einer Antwort (20/12167) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/11742) Auskunft über das "Gold-Plating" von EU-Richtlinien beziehungsweise EU-Verordnungen. Danach wurden in dieser Legislaturperiode neun Richtlinien und drei Verordnungen über das von der Richtlinie beziehungsweise Verordnung geforderte Mindestmaß hinaus umgesetzt.

  • Werbung der Deutschen Bahn AG

    Die Deutsche Bundesregierung erteilt keine Auskünfte über den Umfang des Werbebudgets der Deutschen Bahn AG (DB AG). Es handle sich dabei um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens, heißt es in der Antwort der Regierung (20/12222) auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke (20/11503).

  • Beschränkung der Laienverteidigung

    Der Bundesrat will die in der Strafprozessordnung eröffnete Möglichkeit der Laienverteidigung einschränken. Nach den Vorstellungen der Länderkammer sollen künftig nur noch volljährige Angehörige des Beschuldigten, Vertreter etwa von Berufsverbänden oder Gewerkschaften oder Personen mit der Befähigung zum Richteramt - nach Genehmigung durch das Gericht - die Verteidigung übernehmen dürfen.

  • Innovative Ansätze in der Datenpolitik nötig

    Mit den Rahmenbedingungen für eine innovative Datenpolitik, also Datenaustausch und -nutzung sowie Datenschutz, hat sich der Digitalausschuss in einer öffentlichen Anhörung befasst. Die Sachverständigen bewerteten auch die nationalen Spielräume bei der Umsetzung des europäischen Data Acts, des Data Governance Acts aber auch der KI-Verordnung.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen