Insolvenz: Privilegien umstritten


Entwurf zur Änderung der Insolvenzordnung: Bedeutet Gesetzesänderung: "Wir schützen ein Geschäftsmodell der Banken"
Das "reduzierte Risiko" bei Insolvenzen - die deutschen Reglungen entsprechen internationalen Vorgaben – haben ihren Beitrag zur Finanzkrise geleistet




Die gesetzlich festgeschriebene Bevorzugung bei Insolvenzen insbesondere von Gläubigern aus der Bankenwelt zu Lasten anderer Betroffener wird von Experten kontrovers beurteilt. Dies zeigte sich bei einer Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Der Bundesgerichtshof hatte vor fünf Monaten Konstrukte gekippt, mit denen solche Privilegierung im Finanzsektor möglich war. Im Ausschuss ging es nun um den Entwurf zur Änderung der Insolvenzordnung (18/9983, 18/10263), mit der das Vorgehen wieder auf eine rechtliche Basis gestellt werden soll - und womöglich zu Ausweitungen etwa auf die Energiebranche führen kann.

Professor Christoph G. Paulus (Humboldt-Universität zu Berlin) sprach von einem "massiven Lobbyismus" der Finanzdienstleister, "der das Geschäftsmodell begründet hat". Die Gesetzesänderung bedeute also: "Wir schützen ein Geschäftsmodell der Banken." Freilich müsse er pragmatisch feststellen, dass daran nichts mehr zu ändern sei: "Umkehren geht natürlich nicht." Sein Vergleich: "Wenn wir auf einer neunspurigen Autobahn auf der Mittelspur sind, drehen wir nicht um." Aber sicherlich habe das "reduzierte Risiko" bei Insolvenzen - die deutschen Reglungen entsprechen internationalen Vorgaben - seinen Beitrag zur Finanzkrise geleistet.

Professor Johannes Köndgen (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) prangerte das Privileg ausgerechnet für "hochprofessionelle Marktakteure" und dies "zu Lasten einfacher Insolvenzgläubiger" an. Es sei "keine besonders starke Begründung", dass mit der Gesetzesänderung das Insolvenzrecht an die Vertragspraxis angepasst werden solle. Er nahm die Ausweitung auf weitere Branchen ins Visier: "In der Tat drohen hier Dammbrüche." Erst Strom, dann Rohstoffe: "Dann ist da kein Halten mehr."

Köndgen warf der Bundesanstalt für Finanzwesen (BaFin) "Kompetenzanmaßung" vor. Sie habe noch am Tage des Urteils versucht, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs per behördlicher Allgemeinverfügung "außer Kraft zu setzen" -"ein ziemlich einmaliger Verfassungskonflikt". Paulus sprach davon, dass neben der BaFin auch zwei Ministerien kundgetan hätten: "Das Urteil unterminieren wir."

BaFin-Vertreterin Elisabeth Roegele rechtfertigte im Ausschuss die bis Ende September befristet gewesene Verfügung: Weil die Insolvenz-Privilegierung internationaler Standard sei, hätten deutsche Finanzdienstleiter sonst womöglich keine Geschäfte mehr im Ausland tätigen können oder die Transaktionen auf ausländische Töchter verlagert. Die nun in der Beratung befindliche Gesetzesänderung bringe "das deutsche Vorgehen wieder in Einklang mit europäischen Regelungen". Damit werde "die Wettbewerbsfähigkeit für deutsche Finanzinstitute wiederhergestellt" - dazu die "erforderliche Rechtssicherheit" - mithin "ein sehr wichtiger Gesetzentwurf".

Auch für Lucas Flöther (Bundesrechtsanwaltskammer) ist der Text der beabsichtigten Gesetzesänderung "sehr gelungen". Dass teils "unbestimmte Rechtsbegriffe" vorkämen, sei nun mal nicht anders zu regeln. Unbestimmt ist wohl auch, welche Branchen mit Insolvenz-Privilegien rechnen können. Max Liesenhoff (Verband Deutscher Gas- und Stromhändler) sieht "jetzt endlich auch Rechtssicherheit für den Handel mit Waren".

Demgegenüber mochte Christoph Nierung (Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands) "nur dringend davor warnen, weitere Privilegien einzuführen". Er machte sich für "Gläubigergleichheit" stark. Es dürfe neben der Finanzbranche "kein Mit-Durchschlüpfen für andere Wirtschaftszweige" geben.

Professor Christoph Thole (Universität zu Köln) stufte das Urteil des Bundesgerichtshofs als "in der Sache völlig konsequent" ein. Den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf finde er "nachvollziehbar". Freilich werde darin "nicht so ganz deutlich", dass es wie bisher nur um Finanzdienstleistungen gehe. Er machte sich für eine "klare Definition" stark. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 24.11.16
Home & Newsletterlauf: 13.12.16


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen