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Virtuelles Hausverbot: Sperrung von IP-Adressen


Die Rechtmäßigkeit der Sperrung von IP-Adressen des Mitbewerbers: Gefahr einer Betriebsstörung darf mit einer geeigneten Sicherheitssoftware begegnet werden
Gericht sah in der automatischen IP-Sperrung keinen Verstoß gegen den hier gerügten wettbewerbsrechtlichen Tatbestand der Mitbewerberbehinderung i. S. d. § 4 Nr. 10 UWG


(12.03.09) - Die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH weist auf einen Fall hin bei dem es um die Sperrung von IP-Adressen eines Mitbewerbers ging. Die Betreiberin einer Website für Druckerzubehör warb damit, über 5.000 lieferbare Artikel im Angebot zu haben. Ein Mitbewerber wollte dies überprüfen und ließ innerhalb von zwei Stunden 652 Seiten der Betreiberin aufrufen. Daraufhin wurde seine IP-Adresse von der Sicherheitssoftware der Konkurrentin gesperrt. Der Mitbewerber sah darin ein unzulässiges "virtuelles Hausverbot" und rügte einen Verstoß gegen die §§ 3, 4 Nr. 10 UWG wegen gezielter Behinderung am Markt. Das Gericht befand die Sperrung für rechtmäßig (OLG Hamm, Az. 4 U 37/08, 10. Juni 2008).

Die Entscheidung
Besitzer von rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücken und Personen, die mit rechtsverletzenden Dienstleistungen zu tun hatten, können ebenso in Anspruch genommen werden wie an Herstellung, Erzeugung oder Vertrieb Beteiligte. Bei Fällen, in denen der Verletzte noch nicht Klage gegen den Verletzer erhoben hat, muss die Rechtsverletzung offensichtlich sein. Damit geht der Drittauskunftsanspruch über die Anforderungen der europarechtlichen Enforcement-Richtlinie, auf die der neue § 101 UrhG zurückgeht, hinaus.

Der auskunftsverpflichtete Dritte soll von der Prüfung entlastet werden, ob eine Rechtsverletzung vorliegt. Bei Zweifeln in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht scheidet die Offensichtlichkeit aus. Eine Rechtverletzung muss daher so eindeutig sein, dass eine Fehlentscheidung und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Dritten kaum möglich ist.

Das Merkmal der Offensichtlichkeit ist auch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 101 Abs. 7 UrhG von Bedeutung. Datenschutzrechtliche Aspekte Richten sich die Auskunftsansprüche gegen Internetprovider als Dritte, so können der Herausgabe der Daten trotz Vorliegens der Voraussetzungen eines Drittauskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 1, Abs. 2 UrhG Vorschriften des Sperre abgelehnt hatte. Zwar müsse ein Gewerbetreibender Testmaßnahmen der Konkurrenz grundsätzlich dulden. Dies gelte allerdings nur, solange sich der Mitbewerber wie ein normaler Kunde verhalte und sich nur für einzelne Artikel interessiere. Sei dies – wie hier – nicht der Fall, so gelte es abzuwägen zwischen dem Interesse des getesteten Unternehmers an der Vermeidung einer Betriebsstörung und dem Interesse des Testers, etwaige Wettbewerbsverstöße hinreichend darlegen und beweisen zu können.

Diese Abwägung fiel vorliegend zugunsten der Website-Betreiberin aus. Das konkrete Testverhalten habe die – bereits ausreichende – Gefahr einer Betriebsstörung verursacht, der mit einer geeigneten Sicherheitssoftware begegnet werden dürfe. Es bestünde ein legitimes Interesse daran, es gar nicht erst zu einer Beeinträchtigung der Internetseiten kommen zu lassen. Diese Gefahr werde bereits durch die Art des Zugriffs und die Alarmmeldung der Sicherheitssoftware indiziert.

Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung und kaufmännischer Vernunft wird solche Sicherheitssoftware nicht übermäßig restriktiv programmiert, da dies die Gefahr einer Sperrung potenzieller Kunden hervorrufen würde und damit den Umsatz der Website beeinträchtigen könnte. Die durch das Anschlagen der Sicherheitssoftware indizierte Gefahr einer Beeinträchtigung musste die Website-Betreiberin daher nach Auffassung des Gerichts nicht hinnehmen. Vielmehr sei es dem Mitbewerber zuzumuten, durch Anordnung arbeitsteiligen Vorgehens das Angebot wie ein normaler Nutzer zu prüfen.

Zudem sah das Gericht in der automatischen IP-Sperrung keinen Verstoß gegen den hier gerügten wettbewerbsrechtlichen Tatbestand der Mitbewerberbehinderung i. S. d. § 4 Nr. 10 UWG. Dieser erfasse individuelle und gezielte Mitbewerberbehinderungen, wie z. B. den Boykott. Die "gezielte" Behinderung setzt aber, anders als es der Wortlaut nahelegt, nicht zwingend voraus, dass der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Es reicht vielmehr aus, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur GeItung bringen kann. Im Rahmen der insoweit durchzuführenden Interessenabwägung stellte das Gericht fest, dass der erhöhte Aufwand für arbeitsteilige Überprüfungen des Konkurrenzangebots den Mitbewerber nicht so weit beeinträchtige, dass von einer gezielten Behinderung gesprochen werden könne.

Kommentar der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft
"Virtuelle Hausverbote" durch Sperrung von IP-Adressen konkurrierender Unternehmen können nach der Entscheidung des OLG Hamm zulässig sein, wenn die Gesamtabwägung zugunsten des sperrenden Unternehmens ausfällt. Bei dieser Gesamtabwägung spielt insbesondere eine Rolle, ob das Verhalten des Mitbewerbers dem eines normalen Kunden entspricht oder darüber hinaus der Betriebsablauf gestört wird.

Ob das Ergebnis der Abwägung richtig war, wird im Rahmen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die dort anhängige Nichtzulassungsbeschwerde (Az. I ZR 132/08) noch einmal überprüft werden. Bis dahin müssen Mitbewerber mit höheren Kosten für die Überprüfung von Werbung für Onlineangebote rechnen. Dabei ist im Blick zu behalten, dass Überprüfungen auch in der analogen Welt mitunter beschränkt sind. In bestimmten Fällen kommt den Mitbewerbern zudem zugute, dass die Rechtsprechung ihnen Auskunftsansprüche zugesteht. (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft: ra)


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