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Ehe "Edeka/Tengelmann" nun doch freigegeben


Bundeskartellamt gibt Zusammenschlussvorhaben Edeka/Tengelmann unter aufschiebender Bedingung frei - Geplante Beschaffungskooperation nicht genehmigt
Der am Markt zu beobachtende Preiswettbewerb würde nicht ausreichen, um den wettbewerblichen Verhaltensspielraum der Edeka wirkungsvoll zu begrenzen


(02.07.08) - Das Bundeskartellamt hat am 1. Juli 2008 ein von Edeka und Tengelmann gemeinsam kontrolliertes Gemeinschaftsunternehmen unter aufschiebenden Bedingungen freigegeben. Die Unternehmen beabsichtigen, die Discountketten "Netto Marken-Discount" und "Plus" zusammenzufassen und dann unter dem Namen "Netto Marken-Discount" weiter zu führen. Durch das Vorhaben gelten beide Unternehmen auch beim Supermarktgeschäft - also "Edeka" und "Kaiser´s Tengelmann" - nach den gesetzlichen Regelungen als zusammengeschlossen.

Die Zusagenlösung sieht die Veräußerung der wettbewerblich problematischen Standorte vor. Außerdem wurde die geplante Beschaffungskooperation nicht genehmigt. Kartellamtspräsident Dr. Bernhard Heitzer sagte: "Mit dieser Entscheidung setzt das Bundeskartellamt ein Zeichen gegen die fortschreitende Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel. Gleichzeitig wird Edeka seine Nachfragemacht gegenüber den Lebensmittelproduzenten nur geringfügig ausbauen."

Der Zusammenschluss betrifft den deutschen Markt für den Lebensmitteleinzelhandel. Dieser Markt war in den vergangenen Jahren einem radikalen Konsolidierungsprozess unterworfen. Heute entfallen ca. 90 Prozent des inländischen Marktvolumens auf die fünf führenden Handelsunternehmen. Marktführer ist Edeka mit einem Marktanteil von 25 Prozent.

Im Lebensmitteleinzelhandel unterteilt das Bundeskartellamt das Bundesgebiet in 345 regionale Absatzmärkte. Näher untersucht wurden ca. 100 dieser Märkte. In diese Untersuchung hat das Bundeskartellamt alle Handelsunternehmen mit nennenswerter Marktbedeutung einbezogen. Hierzu gehören Edeka, Rewe und Tengelmann genauso wie Aldi, Lidl, Metro oder tegut. Die Marktanteilsabstände der Edeka zu den nachfolgenden Wettbewerbern sind erheblich. Die hoch konzentrierten Märkte fallen fast ausnahmslos in sog. "Cluster" benachbarter Märkte, auf denen Edeka ebenfalls über hohe Marktanteile verfügt. Die Marktführerschaft der Edeka ist somit auch bei regionaler Marktbetrachtung heute schon ein Flächenproblem. Durch den Zusammenschluss hätte sich diese Marktführerschaft weiter verschärft.

Durch den Zusammenschluss werden die Nummer 1 und die Nummer 5 im deutschen Lebensmitteleinzelhandel fusionieren. Edeka übernimmt nicht nur einen nach seinem Vertriebskonzept engen Wettbewerber, sondern würde auch ihre regionale und bundesweite Marktabdeckung deutlich ausbauen. Es kommt in vielen Regionalmärkten zu Marktanteilsadditionen. Edeka würde ihr erhebliches wettbewerbliches Potential auch über die Marktanteilsadditionen hinaus erweitern.

Mit Netto Marken-Discount und den Edeka Supermärkten hat Edeka sich sowohl im Vollsortiment als auch im ebenfalls markenorientierten sog. "Soft-Discount" positioniert. Schon heute ist Edeka wie kaum ein anderes Handelsunternehmen in der Lage, verschiedene Kundengruppen über die eigenen Vertriebskonzepte abzudecken. Dabei liegt die Stärke des Unternehmens insbesondere im Bereich der Markenprodukte. Mit dem Wegfall von Tengelmann verbleiben als wesentliche Anbieter im Soft-Discount und im Vollsortiment lediglich Rewe und - mit Einschränkungen - die Schwarz-Gruppe.

Der am Markt zu beobachtende Preiswettbewerb würde nicht ausreichen, um den wettbewerblichen Verhaltensspielraum der Edeka wirkungsvoll zu begrenzen. Nicht zuletzt würde der angemeldete Zusammenschluss die heute ohnehin schon bestehende hohe Marktkonzentration bei der Warenbeschaffung verschärfen und zu noch größeren Abhängigkeiten der Lieferanten führen. Der Ausbau der Position der Edeka auf den Beschaffungsmärkten würde auch ihre Marktstellung auf den Absatzmärkten weiter stärken, zumal Edeka die übernommenen Standorte weitestgehend auf das - wirtschaftlich erfolgreichere - Netto Markendiscount-Konzept umstellen will. Um eine Untersagung zu vermeiden, sind Edeka und Tengelmann mit einem Zusagenangebot an das Bundeskartellamt herangetreten.

Nach intensiven Verhandlungen konnte der Fall mit einer Zusagenlösung beendet werden. Tengelmann wird vor Vollzug des Zusammenschlusses alle Standorte, die in den vom Bundeskartellamt als problematisch eingestuften Märkten liegen, an einen oder mehrere Erwerber (maximal drei) veräußern. Dies werden knapp 400 Standorte sein. Der Marktanteilszuwachs durch den Zusammenschluss in den betroffenen Regionalmärkten wird damit unterbunden. Nur wenn sich nachweislich kein Erwerber für einen Standort findet, darf dieser geschlossen werden. Diese Regelung ist in der Bedingung des Bundeskartellamtes auf wenige Einzelfälle begrenzt worden.

Die beabsichtigte Beschaffungskooperation zwischen Edeka und Kaiser´s Tengelmann war nicht genehmigungsfähig. Tengelmann wird sich - wie schon angekündigt - einen anderen Partner für eine Beschaffungskooperation suchen. Durch die Umstrukturierung der Transaktion wird auch das Kaiser´s Geschäft unabhängig vom Edeka-Geschäft bleiben. Die Kombination "Veräußerung von Standorten" und "getrennte Beschaffung für die Kaiser´s Märkte" führt dazu, dass der durch den Zusammenschluss verursachte Zuwachs bei der Warenbeschaffung der Edeka nur gering sein wird. (Bundeskartellamt: ra)

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