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Gebietskartell gegründet


Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Zuckerhersteller
Andreas Mundt: "Die Absprachen zwischen Nordzucker, Pfeifer & Langen und Südzucker zielten darauf ab, möglichst hohe Zuckerpreise zu erzielen"

(05.03.14) - Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von rund 280 Mio. Euro gegen die drei großen deutschen Zuckerhersteller Pfeifer & Langen GmbH & Co. KG, Köln, Südzucker AG Mannheim/Ochsenfurt, Mannheim, und Nordzucker AG, Braunschweig, sowie gegen sieben persönlich Verantwortliche wegen wettbewerbsbeschränkender Gebiets-, Quoten- und Preisabsprachen verhängt.

Die Verstöße bezogen sich auf Zucker für die weiterverarbeitende Industrie (sog. Verarbeitungszucker) und Zucker für Endverbraucher (sog. Haushaltszucker). Sie wurden bis zur Durchsuchung des Bundeskartellamtes im Jahre 2009 über viele Jahre praktiziert und reichen teilweise bis in die Mitte der 90er Jahre zurück.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Die Zuckerhersteller haben ein 'Gebietskartell' gegründet und sich über viele Jahre darüber abgesprochen, sich beim Vertrieb von Zucker in Deutschland im Wesentlichen auf ihr angestammtes Gebiet zu beschränken und den anderen Kartellbeteiligten nicht in die Quere zu kommen. Zuckermengen wurden eher ins Ausland exportiert, als dass sie an Kunden im Gebiet der Wettbewerber abgesetzt wurden. Die Absprachen zwischen Nordzucker, Pfeifer & Langen und Südzucker zielten darauf ab, möglichst hohe Zuckerpreise zu erzielen. Diese Form der Koordinierung war nicht durch die Regulierung der europäischen Zuckermärkte vorgegeben. Trotz des Quotenregimes und Mindestpreisregelungen ist Wettbewerb um Absatzgebiete, Kunden und Kundenpreise im Zuckermarkt möglich und zum Schutz eines funktionsfähigen Restwettbewerbs auch erforderlich, um die Nachfrager vor einer noch stärkeren Verfälschung des Wettbewerbs zu schützen. Die bebußten Unternehmen haben sich das europäische Quotenregime, die Mindestpreisregulierung und die hieraus resultierende hohe Markttransparenz für ihre Abstimmung zunutze gemacht und auch noch den Restwettbewerb beschränkt. Der Fall zeigt damit eindrucksvoll, wie eine umfassende Marktregulierung dazu beitragen kann, dass es zu Wettbewerbsbeschränkungen zu Lasten der Kunden kommt."

Die Grundabsprache zur Wahrung des Heimatmarktprinzips machte immer wieder Kontakte auf Geschäftsleitungsebene und auf Ebene des Vertriebs erforderlich. Abgesichert wurde die Gebietsabsprache durch Preis- und Mengensicherungsmaßnahmen im Inland sowie Maßnahmen zur Import- und Export­steuerung. Wenn das Grundverständnis der Zuckerhersteller über die Respektierung der Kernabsatzgebiete in Gefahr war oder jedenfalls Anpassungsbedarf bestand, kam es zu entsprechenden Einzelkontakten. Entweder – unter eher strategischem Blickwinkel – auf Ebene der Geschäftsleitungen oder – unter eher operativem Blickwinkel – auf Ebene des Vertriebs. Die Einzelkontakte betrafen z.B. Werksschließungen, Expansionsstrategien, Quotenverteilungen und Preisabsprachen bei Verarbeitungs- und Haushaltszucker. Auch Sachverhalte wie z.B. Änderungen der europäischen Zuckermarktordnung, die EU-Osterweiterung oder Veränderungen in den Import-Exportströmen führten zu Abstimmungen im Interesse eines weitgehend einvernehmlichen "Kunden- und Mengenmanagements".

Ab dem Jahr 2005 senkte die EU-Kommission schrittweise die europäischen Produktionsquoten für Zucker, ohne jedoch den Unternehmen Vorgaben für die jeweils individuelle Quotenrückgabe zu machen. Dennoch haben sich die Unternehmen Nordzucker, Pfeifer & Langen und Südzucker unter dem Dach des deutschen Verbandes der Zuckerindustrie, der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, im Jahr 2008 über ihre zukünftigen Produktionsmengen und die entsprechende unternehmensbezogene Quotenrückgabe abgestimmt. Die Unternehmen begingen diesen Verstoß gegen das Kartellrecht, um gemeinsam ein Überangebot von Zucker in Deutschland und damit einhergehend einen Preisverfall zu verhindern. In der Folge kam es nach den Aussagen von Industriekunden tatsächlich zu erheblichen Preissteigerungen und zu Versorgungsengpässen bei der Beschaffung von Zucker. Entgegen der Darstellung der Unternehmen liegen dem Bundeskartellamt keine belastbaren Hinweise dafür vor, dass Vertreter staatlicher Stellen an dieser Absprache mitgewirkt hätten. Aber selbst eine Billigung oder sogar Initiierung von staatlicher Seite hätte diese Wettbewerbsbeschränkung nicht legalisieren können.

Die Nordzucker AG hat mit dem Bundeskartellamt im Rahmen der Bonusregelung umfassend kooperiert und daher einen weitreichenden Bußgelderlass erhalten. Bei der Bemessung der Bußgelder wurden – ausgehend vom Bußgeldrahmen, der 10 Prozent des jeweiligen Gesamtumsatzes beträgt, und der Schwere der Tat – für alle Unternehmen auch deren Kooperationsbeiträge und – soweit abgelegt – die Geständnisse berücksichtigt.

Mit allen genannten Unternehmen wurde eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung erzielt. Die verhängten Geldbußen sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide kann Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet. (Bundeskartellamt: ra)


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