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Flüssiggashändler bildeten jahrelang ein Kartell


Bundeskartellamt verhängt Millionenbußen gegen Flüssiggasunternehmen: 208 Mio. Euro wegen Kundenschutzabsprachen
Durch die Kundenschutzabsprachen wurden die Verbraucher über viele Jahre hinweg in erheblicher Weise geschädigt

Bernhard Heitzer:
Bernhard Heitzer: Keine Zweifel am Vorsatz der beschuldigten Flüssiggashändler, Bild: Bundeskartellamt

(21.12.07) - Das Bundeskartellamt hat gegen gegen Unternehmen der Flüssiggasbranche sowie deren Geschäftsführer Bußgelder in Höhe von insgesamt knapp 208 Mio. Euro wegen Kundenschutzabsprachen verhängt. Bei den betroffenen Unternehmen handelt es sich um die folgenden Unternehmen:

>> Drachen-Propangas GmbH, Frankfurt
>> Friedrich Scharr KG, Stuttgart
>> Progas GmbH & Co KG, Dortmund
>> Primagas GmbH, Krefeld
>> Sano-Propan GmbH, Nürnberg
>> Tyczka Energie KGaA und Tyczka Totalgaz GmbH, Geretsried

Gegen vier weitere Unternehmen sind Verfahren noch anhängig. Die betroffenen Unternehmen sind in der Belieferung von Privat- und Gewerbekunden mit Flüssiggas in Kleintanks (bis 5,6 t) oder mit Flaschengas tätig. Bei den am Kartell beteiligten Unternehmen handelt es sich zum Teil um deutsche Tochtergesellschaften von europaweit agierenden Flüssiggas- und Mineralölunternehmen.

Kartellamtspräsident Dr. Bernhard Heitzer sagte: "Nach der Durchsuchung durch das Bundeskartellamt haben wir keine Zweifel am Vorsatz der beschuldigten Flüssiggashändler. Es handelt sich um eine Kundenschutzabsprache mit einer Wirkung ähnlich einem Gebietskartell, das sogar einzelne Elemente von Preisabsprachen enthält."

Die Auswertung der bei der Durchsuchung der betreffenden Unternehmen im Mai 2005 sichergestellten Unterlagen und Dateien hat ergeben, dass sich die führenden Flüssiggasanbieter, insbesondere die Mitglieder des Deutschen Verbandes Flüssiggas e.V. (DVFG), seit mindestens 1997 verständigt hatten, sich gegenseitig keine Kunden abzuwerben.

Kunden von Wettbewerbern durften von Mitarbeitern anderer Lieferanten nicht abgeworben werden. Wechselwilligen Kunden wurde auf Nachfrage kein Preis oder nur ein überhöhter "Abschreckungspreis" genannt. Abgesichert wurde die Kartellabsprache im Tankgasgeschäft durch ein System von "Wettbewerbsmeldungen": Über Kundenanfragen informierte man sich wechselseitig bzw. sorgte bei doch erfolgtem Lieferantenwechsel für Kompensation. Meldestelle war das von mehreren Kartellbeteiligten gemeinschaftlich betriebene Transportunternehmen Transgas.

Bei Flaschengas dienten sog. Flaschenpools als Basis der Kundenschutzabsprache. Damit ergab sich bei den an der Absprache beteiligten Unternehmen - diese machen ca. die Hälfte des deutschen Marktes aus - ein Preisniveau, das weit über dem Preisniveau kleinerer, sogenannten freier Anbieter lag. Obwohl Flüssiggas ein ebenso homogenes Gut wie z.B. Heizöl ist, ergaben sich bei Flüssiggas kartellbedingt Preisunterschiede von bis zu 100 Prozent.

Kartellamtspräsident Bernhard Heitzer resümierte: "Durch die Kundenschutzabsprachen wurden die Verbraucher über viele Jahre hinweg in erheblicher Weise geschädigt. Dies gilt gerade für die Kunden, die einen Miettank der etablierten Flüssiggasanbieter nutzen. Sie waren den überhöhten Preisen schutzlos ausgeliefert."

Da die Verstöße noch vor in Kraft treten der neuen Bußgeldleitlinien stattgefunden haben, hat das Bundeskartellamt die Bußgelder nach dem alten System der Mehrerlösberechnung ermittelt. Dabei hat es die Preise der freien Anbieter als Maßstab für die Berechnung der durch das Kartell erzielten erheblichen Mehrerlöse genommen. Die Unternehmen trugen im Rahmen des rechtlichen Gehörs u.a. vor, dass derartig hohe Geldbußen sie in ihrer Existenz gefährden würden.

Das Bundeskartellamt hat die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Unternehmen mindernd berücksichtigt, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass hinter den Unternehmen durchweg potente Muttergesellschaften stehen, die die Möglichkeit haben, ihre Marktstellung in Deutschland durch eine Zahlung der Geldbußen ohne weiteres sicherzustellen. Die Bußgeldbescheide sind noch nicht rechtskräftig. Die betroffenen Personen und Unternehmen können gegen die Beschlüsse Einspruch beim OLG Düsseldorf einlegen. (Bundeskartellamt. ra)


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