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Neue Ära für Finanzdienstleister


Die MiFID-Richtlinie wird den europäischen Markt für Finanzdienstleistungen grundlegend verändern
Unternehmen, die mit Wertpapieren handeln, sollten sich rechtzeitig darauf vorbereiten


(28.11.06) - Die neue EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID) wird unterschätzt. Davon ist Volker Thier, Partner im Bereich Financial Risk Management bei KPMG, überzeugt: "Viele glauben, MiFID betreffe sie nicht. Dabei hat die MiFID umfassende Auswirkungen auf Finanzdienstleister und das gesamte Wertpapiergeschäft."

MiFID zielt darauf ab, mehr Transparenz und Wettbewerb in den europäischen Finanzmarkt zu bringen. Dadurch sollen die Liquidität und Effizienz des Marktes erhöht und der Anlegerschutz verbessert werden. Von den vorgesehenen Änderungen sind alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen betroffen, die eine der in MiFID definierten Hauptdienstleistungen erbringen. Dies sind zum Beispiel die Annahme und Weiterleitung von Wertpapierorders oder das Management von Kundeneinlagen.

Aber auch neue Instrumente und Dienstleistungen, die in den vergangenen Jahren Einzug gehalten haben. So regelt MiFID nun auch Transaktionen mit Derivaten auf Kredite und Güter (Commodities) oder auch mit Emissionszertifikaten. Zudem werden durch MiFID künftig weitere Dienstleistungen reguliert, beispielsweise das Betreiben einer so genannten Multilateral Trading Facility (MTF). Andere Dienstleistungen, wie die Anlageberatung und die Erstellung von Finanzanalysen, werden durch MiFID erlaubnispflichtig und damit einer stärkeren Regulierung durch die Aufsichtsbehörde unterworfen.

Aufwand wird stark unterschätzt

"
Unternehmen, die diese Dienstleistungen anbieten, werden die derzeit gültigen Prozesse überprüfen und gegebenenfalls an die neuen Vorschriften anpassen müssen. Dies reicht vom ersten Kundenkontakt über den Handel bis hin zur Berichterstattung gegenüber dem Markt und den Kunden", sagt Volker Thier.

Ein Aufwand, den offenbar viele der betroffenen Unternehmen stark unterschätzen, wie eine KPMG-Umfrage zeigt. Diese Umfrage unter 200 Entscheidungsträgern bei europäischen Finanzdienstleistern ergab, dass sich bis April 2006 nur knapp die Hälfte der befragten Unternehmen überhaupt mit der MiFID beschäftigt hatte. Lediglich ein Drittel hatte bereits die entsprechenden Projektstrukturen zu deren Umsetzung geschaffen, und nur jeder Sechste hatte die Mi- FID-Vorbereitung bereits in der Budgetplanung berücksichtigt. Angesichts der noch zu erledigenden Aufgaben überrascht die abwartende Haltung vieler Unternehmen.

Die Richtlinie ist bis Februar 2007 in nationales Recht umzusetzen. Spätestens zum November 2007 sollen die neuen Regelungen in Kraft treten. "Wer erst im nächsten Jahr beginnt, sich mit der Umsetzung der komplexen Vorschriften zu befassen, könnte Schwierigkeiten bekommen. Denn der Aufwand, die neuen Regelungen rechtzeitig in Prozessen und Systemen zu verankern, ist groß", versichert Thier.

Auch wenn Detailfragen noch offen sind, die Richtung ist klar. Beispiel Kundenklassifizierung: Künftig haben Finanzdienstleister ihre Kunden in eine der drei Kundenklassen "Retail Client", "Professional Client" oder "Eligible Counterparty" einzustufen. Von der Einstufung hängt ab, welchen Schutz der jeweilige Kunde genießt und welche MiFID-Regelungen auf ihn anzuwenden sind.

Cornelia Schmitt, Managerin im Bereich Audit Financial Services bei KPMG in Frankfurt, weiß: "Die Einstufung hat sich nicht nur an objektiven Kriterien wie Geschäftstätigkeit oder Bilanzsumme zu orientieren. Es geht auch um subjektive Kriterien wie die tatsächliche Erfahrung des Kunden mit bestimmten Finanzinstrumenten. So kann ein hinsichtlich der Größenklassenkriterien 'Professional Client' in bestimmten Fällen durchaus als Kleinanleger einzustufen sein."

Unter dem Stichwort "Best Execution" finden sich Vorschriften, die dem Kunden eine optimale Orderausführung garantieren sollen. Dabei zählen zukünftig nicht nur der Preis, sondern auch Kosten, Geschwindigkeit und Wahrscheinlichkeit der Ausführung. Die Firmen sind verpflichtet, Grundsätze der Auftragsdurchführung (Order Execution Policy) festzulegen. Diese sind zu dokumentieren, zu überwachen und regelmäßig zu aktualisieren.

Börsen und MTFs müssen neue und umfangreiche Transparenzanforderungen für den Handel in börsennotierten Aktien erfüllen. Im Rahmen der Vorhandelstransparenz (Pre Trade Transparency) müssen sie ihre aktuellen Geld- und Briefkurse und die Tiefe ihrer Handelspositionen veröffentlichen. Systematische Internalisierer müssen unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls feste Kurse stellen. Neue Regelungen zur Nachhandelstransparenz (Post Trade Transparency) sehen vor, dass Handelsplätze Transaktionsdaten wie Ausführungszeitpunkt, Volumina und Kurse zeitnah publik machen.
Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand

Das MiFID-Team von KPMG ermittelt zunächst, welche Auswirkungen die Richtlinie für betroffene Unternehmen im Einzelfall hat. Gemeinsam wird dann ein individueller Fahrplan ausgearbeitet. Dabei werden zunächst die wesentlichen betroffenen Unternehmensbereiche und Prozesse identifiziert. Nach einer Detailanalyse entsteht ein detaillierter Umsetzungsplan.

Hierbei lassen sich vielfach bereits zu einem frühen Stadium erste Erfolge realisieren. In der Umsetzungsphase schließlich berät KPMG bei der nachhaltigen Sicherstellung der MiFID-Compliance. Dabei soll die MiFID-Umsetzung ausgenutzt werden, um Effizienzpotenziale zu heben. Die Auswirkungen der Richtlinie beschränken sich keineswegs nur auf die Kosten für Organisation und IT-Systeme.

Auch strategische Anpassungen können notwendig werden: "Manche Geschäftsmodelle kommen durch MiFID auf den Prüfstand", prognostiziert Sven Schielke, Associate Director bei KPMG. "Hat ein Wertpapierunternehmen in der Vergangenheit beispielsweise den überwiegenden Teil seines Geschäfts mit erfahrenen, institutionellen Kunden abgewickelt, so kann sich die Frage stellen, ob auch die Weiterführung des Geschäfts mit Privatkunden angesichts der hohen Transparenzanforderungen und der umfangreichen weiteren Vorschriften zum Anlegerschutz für diese Kundengruppe noch lohnend erscheint." (Volker Thier: KPMG: ra)


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