EU-Überwachungskonzept "Smart Borders"


Piratenpartei fordert: Totale Überwachung des EU-Reiseverkehrs muss gekippt werden
Reisende aus dem EU-Ausland sollen bei Teilnahme am Registrierungsprogramm zukünftig Fingerabdrücke von allen zehn Fingern an die Behörden abgeben müssen


(27.03.13) - Die EU-Kommission hat laut Angaben der Piratenpartei einen Entwurf vorgestellt, mit dem sie beabsichtigt, die Ein- und Ausreisekontrollen durch umfassende biometrische Datensammlungen zu Nicht-EU-Bürgern zu verschärfen. Die Piratenpartei sieht darin einen massiven Eingriff in die Menschenrechte der Betroffenen und erkennt Parallelen zum Kommissionsvorstoß bei der Speicherung von Fluggastdaten.

Das Überwachungskonzept "Smart Borders" sieht laut Piratenpartei vor, dass Reisende aus dem EU-Ausland bei Teilnahme am Registrierungsprogramm zukünftig Fingerabdrücke von allen zehn Fingern an die Behörden abgeben müssen. Zusätzlich sollen die Zeitpunkte der Ein- und Ausreise erfasst und gespeichert werden. Ein automatisiertes System soll "auffällige" Abweichungen von durchschnittlicher Aufenthaltsdauer und Überschreitungen der Visa-Genehmigungen automatisiert feststellen und an Behörden melden.

Gilles Bordelais, Koordinator der Bundes-AG Europa der Piratenpartei, bewertet diese Pläne wie folgt: "Die EU-Kommission fordert hier nicht weniger als die totale Überwachung der EU-Grenzen und stellt alle Nicht-EU-Bürger unter Generalverdacht. Wer fordert, dass Reisende und Touristen Fingerabdrücke an der Grenze abgeben müssen, kriminalisiert die Betroffenen und fördert damit ein Klima des Misstrauens. 'Smart Borders' ist ein weiteres IT-Prestigeprojekt auf Kosten der Grundrechte, das uns keine Sicherheit geben, dafür aber persönliche Freiheiten nehmen wird. Wenn selbst die Gruppe der EU-Datenschutzbeauftragten dieses Projekt als unverhältnismäßig und unnötig bezeichnet, sollte dies als deutliche Warnung verstanden werden."

Im Januar 2013 war laut Piratenpartei bekanntgeworden, dass die EU-Kommission einen Auftrag im Umfang von 50 Millionen Euro für die technische Ausgestaltung eines Systems zur Fluggastdatenüberwachung (EU-PNR) ausgeschrieben hat, ohne die Entscheidung des EU-Parlaments abzuwarten. Laut EU-Kommission sollen danach Passagierdaten von EU-Bürgern für fünf Jahre gespeichert werden, wenn sie in die EU ein- oder ausreisen. Im Rat werde derzeit darüber diskutiert, ob die Fluggastdatenspeicherung auch auf Reisen von Bürgern innerhalb der EU ausgeweitet und Verkehrsmittel wie etwa die Bahn einbezogen werden sollen. Die Bundesregierung weigere sich, ihre Position im Rat offen zu legen, und weiche dezidierten Fragen aus. Das Aktionsbündnis NoPNR kritisiert, dass Dokumente des Rates nicht öffentlich zugänglich sind.

Katharina Nocun, Themenbeauftragte der Piratenpartei für Datenschutz, sieht hier Parallelen: "Die EU-Kommission hat sich bei Fluggast- und Vorratsdatenspeicherung wiederholt gegen Grundrechte und für verdachtsunabhängige Überwachung ausgesprochen. Die Tendenz der EU-Innenpolitik, Bürger durch flächendeckende, pauschale Überwachungsmaßnahmen unter Generalverdacht zu stellen, erreicht mit dem Vorschlag zu 'Smart Borders' einen neuen traurigen Höhepunkt. Das Schweigen der Bundesregierung auf EU-Ebene in dieser Frage suggeriert, dass hier einmal mehr über Bande gespielt wird und Gesetze durchgebracht werden sollen, die in einem nachvollziehbaren Prozess mit öffentlicher Debatte keine Chance hätten." (Piratenpartei: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Dreijährige Hängepartie zu Ende

    Die EU-Kommission hat am 10. Juli 2023 das Data Privacy Framework veröffentlicht. Damit gibt es drei Jahre nachdem das Privacy Shield 2020 vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt wurde, eine neue Rechtsgrundlage für die Übertragung personenbezogener Daten aus der EU in die USA.

  • Verfassungswidrigkeit defacto bestätigt

    Das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) seine Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung (VDS) veröffentlicht. Die Entscheidung steht im Schatten eines bereits im September 2022 ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EUGH), das dieses Gesetz bereits als nicht mit EU-Recht vereinbar bewertet hat.

  • Bitkom zum "Recht auf Reparatur"

    Die EU-Kommission veröffentlichte einen Gesetzentwurf für ein "Recht auf Reparatur". Dazu erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: "Je länger IT-Geräte wie Smartphones, Tablets oder Laptops genutzt werden, desto besser ist ihr ökologischer Fußabdruck. Ein gesetzlich verbrieftes "Recht auf Reparatur" kann zur Langlebigkeit der Geräte beitragen, es reicht aber nicht aus. Wer Reparaturen von Geräten fördern will, muss die richtigen Anreize setzen. Eine Mehrwertsteuersenkung auf Ersatzteile und Reparaturdienstleistungen für IT-Hardware wie Smartphones und Laptops wäre ein solcher Anreiz, der direkt und unmittelbar wirkt.

  • Karenzzeit von bis zu drei Jahren gefordert

    Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland begrüßt den GRECO-Bericht zur fünften Evaluierungsrunde und fordert die umgehende Umsetzung der Empfehlungen. Die Forderungen der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) bestätigen die Kritikpunkte von Transparency Deutschland.

  • Bitkom zum Data Act

    Mit dem Data Act soll unter anderem der Datenaustausch zwischen Unternehmen und von Unternehmen an die öffentliche Hand vorangebracht werden. Dazu erklärt Bitkom-Präsident Achim Berg: "Der Data Act ist aktuell eines der wichtigsten Regulierungsprojekte auf EU-Ebene und entscheidet maßgeblich darüber, ob Europa auf dem Weg in die digitale Welt vorankommt."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen