Compliance-Regeln: Häufig nur auf dem Papier


Compliance-Hürde Auslandsgeschäft: Deutsche Unternehmen stellen wirtschaftlichen Erfolg vor Regeln und Gesetze
Neue Studie zeigt: Für mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen ist der internationale Erfolg wichtiger als die Einhaltung von Gesetzen - Jedem Zweiten fehlt Überblick über unterschiedliche nationale Gesetze



Deutsche Unternehmen sind unzureichend auf die Compliance-Risiken durch eine internationale Expansion vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die KrolLDiscovery, ein weltweit führender Anbieter von Ediscovery, im Juni 2017 durchgeführt hat. Die Mehrheit der befragten Unternehmen sieht es als notwendig an, neue Märkte zu erschließen, um ihre Wettbewerbsposition in internationalen Absatz- und Einkaufsmärkten zu sichern. Sorgen bereiten ihnen jedoch die Vielzahl an Gesetzen und Vorschriften im grenzübergreifenden Geschäftsverkehr, die für viele kaum zu überblicken sind. Zudem hält mehr als jeder zweite Befragte es für nötig, sich zugunsten des Unternehmenserfolgs an lokale Gegebenheiten anzupassen, auch wenn diese mit dem deutschen Recht in Konflikt stehen.

71 Prozent der deutschen Unternehmen suchen neue internationale Märkte
Die weltweiten politischen Entwicklungen – der bevorstehende Brexit, die Agenda von US-Präsident Donald Trump, der Aufstieg Chinas und der hohe Wettbewerb auf den europäischen Märkten – sind entscheidend für das Geschäft deutscher Unternehmen. Knapp drei Viertel (71 Prozent) der befragten Unternehmen finden es immer wichtiger, angesichts dieser Entwicklungen neue Absatz- und Einkaufsmärkte zu erschließen. Nur 21 Prozent sehen hierfür keine Notwendigkeit. Dabei wollen 62 Prozent mit einer Expansion in neue Märkte bessere Konditionen für ihren Einkauf erzielen, und jedes zweite Unternehmen will seinen Absatz sichern.

Vielzahl internationaler Gesetze macht deutschen Unternehmen zu schaffen
In neuen Märkten Geschäfte zu machen bringt nicht nur Chancen mit sich. Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmensverantwortlichen (69 Prozent) sehen sich dabei mit rechtlichen Risiken konfrontiert. Immerhin sind sich drei Viertel (76 Prozent) der Mitarbeiter von international tätigen Unternehmen der Regeln und Gesetze bewusst, die im Umgang mit ausländischen Partnern gelten: Vier von fünf Unternehmen (79 Prozent) haben Prozesse und Regeln für internationale Geschäftsbeziehungen definiert. Doch nur rund die Hälfte (57 Prozent) geben an, dass die Einhaltung dieser Compliance-Regeln auch kontrolliert wird. Knapp die Hälfte der Unternehmen in der Umfrage weiß also nicht, ob ihre Mitarbeiter sich im Umgang mit ausländischen Geschäftspartnern gesetzes- und regelkonform verhalten.

Compliance-Regeln existieren nur auf dem Papier, Kontrolle findet oft nicht statt
Ein Problem ist die Vielzahl nationaler Gesetze, über die jeder Zweite (47 Prozent) keinen Überblick hat. Ein anderes ist das Gefühl, sich an lokale Gegebenheiten anzupassen zu müssen, um international erfolgreich zu sein – auch wenn diese mit deutschen Gesetzen in Konflikt stehen. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten sieht dies als notwendig an. 37 Prozent geben sogar zu, dass Schmiergelder oder kleine Gefälligkeiten manchmal unverzichtbar sind, um Geschäfte im Ausland abzuschließen. Besonders klar ist das Bild im Einkauf: Zwei Drittel (67 Prozent) entscheiden sich gelegentlich bewusst gegen das günstigste oder transparenteste Angebot, um gute Beziehungen zu ausländischen Lieferanten aufrecht zu erhalten.

"Zwischen der Selbstwahrnehmung deutscher Unternehmen und ihrem Handeln besteht ein Widerspruch. Zwar behauptet die überwiegende Mehrheit der Befragten in unserer Umfrage, im Alltag auf alle geltenden Regeln und Gesetze zu achten. Zugleich geben aber sehr viele zu, im Sinne der Beziehungspflege manchmal gegen Ausschreibungsregeln zu verstoßen oder gar Schmiergelder zu zahlen", sagt Helmut Sauro, Senior Business Development Manager bei KrolLDiscovery. "Das kann unterschiedliche Gründe haben. Manche Mitarbeiter erkennen gesetzeswidriges Verhalten nicht als solches. Teilweise fehlt aber auch das Risikobewusstsein und man verlässt sich darauf, dass schon nichts passieren wird."

Wirksame Compliance-Kontrollen müssen alle Kommunikationskanäle einbeziehen
Weltweit tätige Unternehmen agieren in einem komplexen Netz aus nationalen, internationalen und internen Regeln und Gesetzen. Ein Mitarbeiter, der zum Beispiel in Fernost zur Anbahnung eines lukrativen Geschäfts gegen Antikorruptionsrichtlinien verstößt, kann eine fatale Kettenreaktion in Gang setzen. An deren Ende ist nicht nur das Geschäft im lokalen Markt in Gefahr, auch zu Hause können unangenehme Ermittlungen die Folge sein. Gerade für Unternehmen, die einen großen Teil ihres Geschäftes im Ausland machen, ist eine genaue Kontrolle der Einhaltung von Regeln und Gesetzen also Pflicht – auch um im Ernstfall schnell reagieren und mit den Behörden kooperieren zu können.

Unternehmen, die die Einhaltung von Vorschriften überwachen oder mit präventiven Untersuchungen begangene Verstöße aufdecken wollen, müssen eine Fülle an Datenquellen einbeziehen. Für die Kommunikation mit ausländischen Geschäftspartnern sind E-Mail-Verkehr und Telefon die wichtigsten Kanäle, die 93 Prozent und 82 Prozent der Befragten nutzen. Doch die Bedeutung von Social Media im internationalen Geschäftsverkehr wächst: Rund ein Drittel (32 Prozent) nutzen bereits Chat- und Messenger-Dienste wie WhatsApp, Skype, Telegram und ähnliches für den Austausch mit ausländischen Partnern. Jeweils ein knappes Viertel greift auch auf Business-Netzwerke wie LinkedIn oder XING (24 Prozent) sowie soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter (23 Prozent) zurück. Für 70 Prozent sind auch persönliche Treffen Teil des Kommunikationsmixes. All diese Kanäle können Aufschluss über potenzielle Gesetzesverstöße geben und sollten im Rahmen eines umfassenden Audits berücksichtigt werden.

"Die Komplexität grenzüberschreitender Untersuchungen ist sehr hoch, da nationale Gesetze ebenso wie Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr beachtet werden müssen", erklärt Dr. Christian Schefold LLM, Compliance-Experte bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Dentons. "Hinzu kommt, dass die Menge an Daten in Unternehmen exponentiell ansteigt und eine Vielzahl unterschiedlicher Kanäle bei einer Untersuchung berücksichtigt werden müssen. Um diese zu sammeln, zu sichten und für eine Untersuchung aufzubereiten, bedienen sich Unternehmen Ediscovery-Lösungen. Diese helfen mittels künstlicher Intelligenz den Projektjuristen dabei, den Fall schnell und kostengünstig zu bearbeiten."

Über die Umfrage
KrolLDiscovery und YouGov haben im Juni 2017 256 Entscheider aus Vertriebs- und Einkaufsabteilungen sowie der Geschäftsführung deutscher Unternehmen zum Thema internationale Geschäftsbeziehungen befragt.
(Kroll Ontrack: ra)

eingetragen: 22.07.17
Home & Newsletterlauf: 05.09.17

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Meldungen: Studien

  • Datenschutz als Innovations-Bremse

    Mehr als zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland fühlen sich vom Datenschutz ausgebremst. 70 Prozent haben bereits mindestens einmal Pläne für Innovationen aufgrund von Datenschutz-Vorgaben oder Unsicherheiten bei der Anwendung des geltenden Rechts gestoppt. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 61 Prozent. Aktuell sagen wie im Vorjahr 17 Prozent, dass sie einmal auf Innovationspläne verzichtet haben. Bei 35 Prozent war das dagegen bereits mehrfach der Fall (2024: 27 Prozent) und bei 18 Prozent sogar häufig (2024: 17 Prozent). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

  • Gefahr von Cyberattacken

    IT-Verantwortliche bewerten das Risiko, dass ihr Unternehmen Opfer einer Cyberattacke wird, so hoch wie nie zuvor: Fast sieben von zehn Befragten (69 Prozent) befürchten laut einer aktuellen EY-Studie Hackerangriffe und bewerten die Gefahr dabei als "eher hoch" bis "sehr hoch". Besonders große Sorgen machen sich die Befragten in den Bereichen Technologie, Medien und Telekommunikation (82 Prozent), Energie und Metallverarbeitung (80 Prozent), Pharma und Gesundheit sowie Bau und Immobilien (jeweils 71 Prozent).

  • Revolution in der Fertigung

    NTT Data stellte die Ergebnisse ihrer neuesten Studie vor. Die Daten zeigen, dass Fertigungsunternehmen beim Einsatz von GenAI zwar vor einigen Hürden stehen, die Technologie aber das Potenzial hat, ein ganz neues Niveau an Effizienz und Innovationskraft hervorzubringen. Neben den vielen Anwendungsbereichen von GenAI untersuchte die Studie "Von der Fertigungshalle ins KI-Zeitalter: Haben Sie einen Masterplan oder Nachholbedarf?" auch die Herausforderungen, denen sich das produzierende Gewerbe gegenübersieht.

  • Drei Viertel lassen KI-Chancen liegen

    Ob zur Qualitätskontrolle, Automatisierung, Energieeinsparung oder Steuerung von Robotern - die Anwendungsmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz in der Produktion sind zahlreich. Mit Blick auf die deutsche Industrie zeigt sich aber: Nur einem Viertel der Unternehmen gelingt es nach eigener Einschätzung bereits gut, die Potenziale von KI zu nutzen (24 Prozent). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die unter 552 Industrieunternehmen des verarbeitenden Gewerbes ab 100 Beschäftigten in Deutschland durchgeführt wurde. Die übrigen drei Viertel sehen sich noch nicht imstande, entsprechende Möglichkeiten auszuschöpfen (72 Prozent).

  • Lösungsansätze gegen den GenAI-Gender Gap

    Frauen drohen bei Künstlicher Intelligenz (KI), die bis 2030 allein in Deutschland 3 Millionen Jobs verändern könnte, ins Hintertreffen zu geraten. So zeigen aktuelle Zahlen von Coursera, dass lediglich 27 Prozent der Lernenden in Generative-AI (GenAI)-Kursen in Deutschland (102.000 Einschreibungen) weiblich sind. Dies liegt noch unter dem weltweiten Durchschnitt von 32 Prozent und reicht im Ländervergleich gerade für einen Platz in den Top-Ten (Platz 9). Und das, obwohl sich allein auf Coursera im vergangenen Jahr weltweit alle 10 Sekunden jemand in einen GenAI-Kurs einschrieb.

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