Korruptionswahrnehmungsindex 2013


Lobbyismus braucht Gegengewicht in der Großen Koalition: Rechenschaft der Politik muss durch mehr Transparenz gestärkt werden
Positiv zu werten ist, dass CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung neu geregelt wird

(08.01.14) - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat im Dezember den Korruptionswahrnehmungsindex veröffentlicht. Er umfasst 177 Länder und Territorien. Der Index setzt sich aus verschiedenen Expertenbefragungen zusammen und misst die bei Politikern und Beamten wahrgenommene Korruption. Deutschland erreicht auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) 78 Punkte. Die Bundesrepublik rangiert damit auf dem 12. Platz. Im europäischen Vergleich belegen Dänemark (91 Punkte), Finnland (89) und Schweden (89) die vordersten Plätze. International reiht sich außerdem Neuseeland (91 Punkte) in die Gruppe der Spitzenreiter ein.

Transparency fordert Integritätsoffensive der deutschen Politik
Die Lobby-Skandale der vergangenen Monate und Jahre haben gezeigt, dass sich die besorgniserregenden Tendenzen im Lobbyismus nicht durch einzelne Maßnahmen eindämmen lassen. Daher fordert Transparency eine Integritätsoffensive der Politik.

Dazu gehören:
1. Einführung eines Lobbychecks und -registers,
2. Regelungen zur Vermeidung von Drehtüreffekten und
3. Maßnahmen zur besseren Regulierung der Parteienfinanzierung.

Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, sagte: "Die Bundestagswahlen haben gezeigt, dass die Kanzlerin einen großen Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung genießt. Getreu dem Motto ‚Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser‘ brauchen wir jedoch einen transparenten Rahmen, in dem sich Politiker und Interessenvertreter bewegen können. Leider lässt der Koalitionsvertrag nicht erkennen, dass sich die Große Koalition hier entscheidend bewegen will. Vor dem Hintergrund einer geschwächten Opposition wäre mehr Transparenz von enormer Bedeutung. Wir erwarten von Frau Merkel, dass sie Transparenz im Lobbyismus zur Chefinnensache macht."

Positiv zu werten ist, dass CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung neu geregelt wird. Auch der Einsatz externer Personen in der Verwaltung soll transparenter gestaltet und Interessenkonflikten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft entgegengewirkt werden. Entscheidende Maßnahmen für ein verantwortungsvolleres und transparentes Lobbying fehlen jedoch.

Einführung eines Lobbychecks und -registers
"Lobbyisten geben Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen ab, sie pflegen Kontakte zur Ministerialverwaltung, zu Abgeordneten und ihren Assistenten. Das alles ist legitim. Es muss jedoch klar sein, welche Interessen berücksichtigt wurden und ob bestimmte Interessen nicht beachtet wurden, obwohl sie von der Regulierung betroffen sein werden. Künftig sollte jeder Gesetzentwurf einem Lobbycheck unterzogen werden. Nur so kann eine mögliche Ungleichbehandlung aufgedeckt und die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur unparteiischen Interessenabwägung erfüllt werden", so Edda Müller.

Vorgeschlagen wird die Einführung einer legislativen Fußspur: In der Begründung von Gesetzentwürfen soll dokumentiert werden, welcher externe Sachverstand und welche Interessenvertreter bei der Vorbereitung beteiligt waren und welche nicht. Die 1. Lesung im Bundestag sollte für einen "Lobbycheck" genutzt werden. Damit könnte endlich die Betroffenheit der verschiedenen Bevölkerungsgruppen von einem Gesetzesvorhaben kritisch diskutiert werden. Hierdurch würde die in der Großen Koalition geschwächte Kontrollfunktion der Opposition im Deutschen Bundestag gestärkt.

Gleichzeitig muss es möglich sein, sich in einem Lobbyregister schnell und einfach einen Überblick über die genannten Interessenvertreter zu verschaffen. So müssen Lobbyisten verpflichtet werden, ihre inhaltlichen und finanziellen Interessen offenzulegen.
Regelungen zur Vermeidung von Drehtüreffekten
Beispiele für Drehtüreffekte muss man in Deutschland nicht erst lange suchen: Prominente Politiker wechseln regelmäßig in die Wirtschaft: so ging Eckart von Klaeden (CDU) jüngst zum Autohersteller Daimler und Kurt Beck (SPD) erhielt einen Beratervertrag beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim. "Manche Politiker scheinen nicht zu verstehen, dass ein solcher Wechsel in die gutbezahlte Privatwirtschat Raum für Spekulation bietet", so Edda Müller.

Um diesem Anschein von Interessenkonflikten entgegenzuwirken soll dem Koalitionsvertrag zufolge eine angemessene Regelung für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretäre und politische Beamte angestrebt werden. Aus Sicht von Transparency bedarf es einer eindeutigen Karenzzeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt, wenn ein Zusammenhang zwischen der früheren und neuen Tätigkeit besteht. Erfahrungen auf EU-Ebene zeigen, dass eine Fall-zu-Fall-Prüfung durch eine Ethikkommission nicht mehr Handlungssicherheit schafft. Der frühere Kommissar für Unternehmen und Industrie Günter van Verheugen ging zum Beispiel trotzdem kurz nach seinem Ausscheiden 2009 zahlreichen Tätigkeiten in der Wirtschaft nach.

Maßnahmen zur besseren Regulierung der Parteienfinanzierung
"Es ist vollkommen in Ordnung, dass die Unternehmen die Parteien fördern, die ihnen besonders nahe stehen. Wir dürfen jedoch nicht naiv sein, anzunehmen, dass Unternehmen hohe Summen an Geldern verschenken, ohne eine Gegenleistung zu erwarten", so Edda Müller. Transparency Deutschland fordert daher eine Deckelung von Parteispenden und Sponsoring auf maximal 50.000 Euro pro Jahr und Konzern, Unternehmen, Verband oder Person. Somit könnte allen Debatten über den unlauteren Einfluss von Großspenden die Grundlage entzogen werden.

Für besonders viel Unmut sorgten in der jüngsten Vergangenheit Spenden der Automobilindustrie. Diese Spendenpolitik ist nicht neu. So spendet Daimler seit vielen Jahren sowohl an die CDU als auch SPD 150.000 Euro im Jahr. Auch BMW spendet regelmäßig – entweder direkt oder über BMW Großaktionären. So flossen in den Jahren 2009 bis 2013 rund 1,5 Millionen Euro an die CDU, 700.000 Euro an die CSU, 600.00 Euro an die SPD, 500.000 an die FDP und 100.000 Euro an die Grünen. Der Anschein, dass diese langfristige Spendenpolitik der Automobilbranche, das Handeln der Bundesregierung beeinflusst hat, schadet dem Ansehen der Politik. (Transparency: ra)

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Studien

  • Datenschutz als Innovations-Bremse

    Mehr als zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland fühlen sich vom Datenschutz ausgebremst. 70 Prozent haben bereits mindestens einmal Pläne für Innovationen aufgrund von Datenschutz-Vorgaben oder Unsicherheiten bei der Anwendung des geltenden Rechts gestoppt. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 61 Prozent. Aktuell sagen wie im Vorjahr 17 Prozent, dass sie einmal auf Innovationspläne verzichtet haben. Bei 35 Prozent war das dagegen bereits mehrfach der Fall (2024: 27 Prozent) und bei 18 Prozent sogar häufig (2024: 17 Prozent). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

  • Gefahr von Cyberattacken

    IT-Verantwortliche bewerten das Risiko, dass ihr Unternehmen Opfer einer Cyberattacke wird, so hoch wie nie zuvor: Fast sieben von zehn Befragten (69 Prozent) befürchten laut einer aktuellen EY-Studie Hackerangriffe und bewerten die Gefahr dabei als "eher hoch" bis "sehr hoch". Besonders große Sorgen machen sich die Befragten in den Bereichen Technologie, Medien und Telekommunikation (82 Prozent), Energie und Metallverarbeitung (80 Prozent), Pharma und Gesundheit sowie Bau und Immobilien (jeweils 71 Prozent).

  • Revolution in der Fertigung

    NTT Data stellte die Ergebnisse ihrer neuesten Studie vor. Die Daten zeigen, dass Fertigungsunternehmen beim Einsatz von GenAI zwar vor einigen Hürden stehen, die Technologie aber das Potenzial hat, ein ganz neues Niveau an Effizienz und Innovationskraft hervorzubringen. Neben den vielen Anwendungsbereichen von GenAI untersuchte die Studie "Von der Fertigungshalle ins KI-Zeitalter: Haben Sie einen Masterplan oder Nachholbedarf?" auch die Herausforderungen, denen sich das produzierende Gewerbe gegenübersieht.

  • Drei Viertel lassen KI-Chancen liegen

    Ob zur Qualitätskontrolle, Automatisierung, Energieeinsparung oder Steuerung von Robotern - die Anwendungsmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz in der Produktion sind zahlreich. Mit Blick auf die deutsche Industrie zeigt sich aber: Nur einem Viertel der Unternehmen gelingt es nach eigener Einschätzung bereits gut, die Potenziale von KI zu nutzen (24 Prozent). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die unter 552 Industrieunternehmen des verarbeitenden Gewerbes ab 100 Beschäftigten in Deutschland durchgeführt wurde. Die übrigen drei Viertel sehen sich noch nicht imstande, entsprechende Möglichkeiten auszuschöpfen (72 Prozent).

  • Lösungsansätze gegen den GenAI-Gender Gap

    Frauen drohen bei Künstlicher Intelligenz (KI), die bis 2030 allein in Deutschland 3 Millionen Jobs verändern könnte, ins Hintertreffen zu geraten. So zeigen aktuelle Zahlen von Coursera, dass lediglich 27 Prozent der Lernenden in Generative-AI (GenAI)-Kursen in Deutschland (102.000 Einschreibungen) weiblich sind. Dies liegt noch unter dem weltweiten Durchschnitt von 32 Prozent und reicht im Ländervergleich gerade für einen Platz in den Top-Ten (Platz 9). Und das, obwohl sich allein auf Coursera im vergangenen Jahr weltweit alle 10 Sekunden jemand in einen GenAI-Kurs einschrieb.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen