Siemens-Skandal: Der Ablauf


Schwarze Kassen bei Siemens: Die Vorgänge im Überblick
Ablauf der Vorfälle, die Ergebnisse interner Ermittlungen und die Sofortmaßnahmen gegen ungesetzliche Geschäftspraktiken


(15.01.07) – Auf ihren Webseiten informiert Siemens sehr offen über den Ablauf der Vorfälle in der Schmiergeldaffäre, die Ergebnisse interner Ermittlungen und die Sofortmaßnahmen von Siemens.

Zusammenfassung der Ereignisse
Es begann am 15. November 2006: Die Staatsanwaltschaft München I durchsuchte Geschäfts- und Privaträume in München, Erlangen und Österreich. Unterlagen und elektronische Daten wurden in großem Umfang beschlagnahmt. Diese Maßnahmen stehen in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen mehrere teils ehemalige, teils aktive Mitarbeiter von Siemens wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Steuerhinterziehung.

Einige Haftbefehle gegen ehemalige, teils aktive Com-Mitarbeiter wurden ausgestellt. Unter den festgenommenen Personen waren u. a. der frühere Finanzvorstand des Bereichs Com sowie die ehemaligen Leiter der Abteilungen Interne Revision und Rechnungswesen für den Bereich Com. Ein weiterer früherer Mitarbeiter wurde in Österreich festgenommen und den deutschen Behörden überstellt. Neben der Vernehmung von Beschuldigten wurde eine Anzahl von Mitarbeitern, darunter auch leitende Angestellte, als Zeugen vernommen.

Die Staatsanwaltschaft hat mitgeteilt, dass gegen die in Untersuchungshaft genommenen Beschuldigten der Verdacht bestehe, sich zusammengeschlossen zu haben, um fortgesetzt Untreuehandlungen zum Nachteil von Siemens durch die Bildung schwarzer Kassen zu begehen. Durch überwiegend für den Bereich Com tätige Personen sollen seit dem Jahr 2002 bis heute Gelder aus dem Geschäftsbereich der Siemens AG über Off-Shore-Gesellschaften und deren Schweizer und Liechtensteiner Konten ausgeschleust worden sein. Wie die Staatsanwaltschaft verlauten ließ, ist die Frage, ob und in welchem Umfang die veruntreuten Gelder Gegenstand von Bestechungshandlungen waren, noch nicht geklärt. Die Ermittlungen laufen derzeit; Siemens kooperiert in vollem Umfang mit den Ermittlungsbehörden.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München wurden aufgrund einer anonymen Anzeige sowie Rechtshilfeersuchen aus der Schweiz und Italien ausgelöst.

Konten in Genf, Schweiz, die von einem früheren leitenden Com-Mitarbeiter von Siemens Griechenland geführt wurden, wurden im August 2005 beschlagnahmt. Siemens war hiervon Ende 2005 sowohl von dem Mitarbeiter als auch von der Bank, bei der die Konten geführt wurden, unterrichtet worden. Als Resultat Siemens-interner Untersuchung verklagte Siemens den Mitarbeiter. Die Zivilklage wurde am 14. November 2006 in Griechenland eingereicht.

Im Rahmen der internen Untersuchungen hat Siemens im Juni 2006 zudem Kenntnis von einem Treuhandkonto in Lugano, Schweiz, erlangt. Im Juli 2006 forderte Siemens den Treuhänder auf, die Bankunterlagen betreffend das Konto sowie das Guthaben des Kontos herauszugeben. Wie Siemens erfuhr, wurde das Konto ebenso beschlagnahmt.

Ende 2004 wurden auch in Liechtenstein Konten beschlagnahmt. Nach Aufhebung der Beschlagnahme der Liechtensteiner Konten im Jahr 2005 wurde das Guthaben auf den Konten an Siemens überwiesen.

Am 30. März 2006 wurden die Geschäftsräume der Intercom Telecommunication Systems AG (Intercom) in der Schweiz, einer Siemens-Tochtergesellschaft, durchsucht. Wie Siemens daraufhin erfuhr, wurden über Intercom direkt sowie über Zwischengesellschaften so genannte Business Consultant Agreements abgewickelt. Intercom befindet sich mittlerweile in Liquidation. Von Intercom erfolgten Zahlungen auf die vorgenannten Bankkonten. Die Untersuchung betreffend die rechtmäßigen Eigentümer der Konten in Genf und Lugano dauert noch an.

Dem Schweizer Ermittlungsverfahren waren Ermittlungen in Liechtenstein vorangegangen. Das Ermittlungsverfahren in Liechtenstein richtet sich gegen frühere Siemens-Mitarbeiter sowie Dritte wegen des Verdachts der Geldwäsche und Bestechung. Im Januar 2006 erfuhr Siemens von einem Rechtshilfeersuchen von Liechtenstein an die Schweiz. Siemens schlussfolgerte daraus, dass zwischen den Schweizer und Liechtensteiner Ermittlungsverfahren ein Zusammenhang besteht.

In Italien ist bereits seit geraumer Zeit ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche und Bestechlichkeit anhängig, das sich gegen Dritte richtet und Handlungen aus den 90er-Jahren zum Gegenstand hat. Es steht ebenso mit Aktivitäten des Bereichs Com in Zusammenhang. Vor dem Hintergrund eines Rechtshilfeersuchens von Italien nach Deutschland aus dem Jahre 2005 waren seinerzeit Geschäfts- und Privaträume in München durchsucht worden.

Ergebnisse der internen Ermittlungen
Siemens steht über eine US-amerikanische Anwaltskanzlei, die das Unternehmen vertritt, in Kontakt mit der US-amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde (U.S. Securities and Exchange Commission) sowie dem US-amerikanischen Justizministerium. Siemens hat sich verpflichtet, die Vorgänge vollständig und möglichst rasch aufzuklären, und hat zudem eine zusätzliche interne Untersuchung eingeleitet. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt resultierten aus den internen Ermittlungen folgende wesentlichen Erkenntnisse:

>> Im Bereich Com gibt es zahlreiche Business Consultant Agreements. Siemens hat für den Zeitraum von etwa sieben Jahren eine Vielzahl von Zahlungen im Zusammenhang mit diesen Verträgen identifiziert, für die das Unternehmen entweder keine hinreichende Geschäftsgrundlage erkennt oder den Empfänger nicht hinreichend identifizieren konnte. Vor dem Hintergrund der Vorschriften des US-amerikanischen sowie deutschen Rechts, aber auch vor den Gesetzen anderer Rechtskreise erscheinen diese Zahlungen bedenklich.

>> Die identifizierten Zahlungen wurden bei der Ermittlung des Steueraufwands in früheren Perioden als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben gebucht. Die Siemens-Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass bestimmte Zahlungen nach den deutschen Steuervorschriften als nicht abzugsfähig einzuordnen sind. Als Folge hat Siemens zusätzliche Ertragsteueraufwendungen in unserem Abschluss gebucht, um die richtige steuerliche Einordnung vorzunehmen. Dieser Sachverhalt wurde bereits an die deutsche Steuerbehörde gemeldet.

Sofortmaßnahmen gegen ungesetzliche Geschäftspraktiken
Die internen Untersuchungen zu etwaigen Gesetzesverstößen sind noch nicht abgeschlossen.

Die oben beschriebenen, zusätzlichen latenten und laufenden Ertragsteueraufwendungen beliefen sich über einen Zeitraum von rund sieben Jahren auf 168 Mio. Euro. Von dieser Gesamtbelastung wurden im Geschäftsjahr 2006 Aufwendungen in Höhe von 73 Mio. Euro in der Konzerngewinn- und Verlustrechnung gebucht, die den Geschäftsjahren 2006, 2005 und 2004 zuzuordnen sind. Die verbleibenden zusätzlichen 95 Mio. Euro Ertragsteueraufwendungen beziehen sich auf Zeiträume vor dem Geschäftsjahr 2004 und wurden als Verminderung des Eigenkapitals zum 1. Oktober 2003 berücksichtigt.

Der Vorstand von Siemens duldet keine ungesetzlichen Geschäftspraktiken von Mitarbeitern, weder im Inland noch im Ausland. Daher wurden die folgenden Sofortmaßnahmen getroffen:

>> Der Vorstand hat einen externen Anwalt beauftragt, die Funktion eines unabhängigen Ombudsmanns zu übernehmen und geschützte Kommunikationswege sowohl für Siemens-Mitarbeiter als auch Dritte sicherzustellen.
>> Erhärtet sich der Verdacht auf ungesetzliches Verhalten, so werden die betroffenen Mitarbeiter unverzüglich suspendiert.
>> Die Revisions- und Compliance-Abteilungen des Unternehmens sowie eine interne Task Force wurden beauftragt, die interne Untersuchung weiterzuführen sowie weiterhin die Compliance- und internen Kontrollsysteme auf Lücken und Umgehungsmöglichkeiten zu überprüfen.
>> Der Vorstand und der Prüfungsausschuss von Siemens werden einen unabhängigen Compliance-Berater beauftragen, dessen Aufgabe es sein soll, den Vorstand und den Prüfungsausschuss im Hinblick auf die zukünftige Struktur der Compliance-Organisation bei der Durchführung von Compliance Reviews, der Überprüfung der Richtlinien und Kontrollmechanismen einschließlich deren Verbesserungsmöglichkeiten sowie der erforderlichen Kommunikation und Schulung zu beraten. Darüber hinaus wird er im Rahmen der regelmäßigen Durchsprachen des Prüfungsausschusses berichten.
>> Der Prüfungsausschuss von Siemens wird eine unternehmensweite Untersuchung durchführen und eine unabhängige externe Anwaltskanzlei beauftragen, die eine auf die Untersuchung von Rechtsverstößen spezialisierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mandatieren wird.

Es kann gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass Siemens oder einzelne Mitarbeiter wegen Gesetzesverstößen straf- oder zivilrechtlich verfolgt werden. Negative Folgen können daraus auch für unsere operative Geschäftstätigkeit resultieren, u. a. aus Geldbußen, Schadenersatz oder Ausschlüssen bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Zum jetzigen Zeitpunkt hat das Management noch keine Rückstellungen für etwaige Sanktionen vorgenommen, da es bislang nicht über hinreichende Informationen verfügt, eine vernünftige Schätzung der möglichen Höhe der Inanspruchnahme vornehmen zu können. Ferner können sich Änderungen im Geschäftsablauf und der internen Compliance-Programme als notwendig erweisen.
(Siemens: ra)



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