Linke-Fragen zur Musterfeststellungsklage


Am 14. Juni 2018 hat der Deutsche Bundestag den seit Jahren angekündigten Gesetzentwurf zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage beschlossen
Die Möglichkeit der Heilung von Formfehlern oder die Nachholung von Angaben sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor, so dass momentan unklar ist, ob ein unvollständiger Antrag zumindest fristwahrend wirkt



Mit der Wirksamkeit des am 14. Juni 2018 vom Bundestag beschlossenen Gesetzes zur Einführung einer prozessualen Musterfeststellungsklage beschäftigt sich eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/4392). Vor dem Hintergrund ihrer Befürchtung, dass die Ziele des Gesetzes nicht erreicht werden, fragen die Abgeordneten die Bundesregierung unter anderem, wie sie zu der Meinung erfahrener Verbraucherrechtsexperten steht, die mit dem Gesetz verbundenen Anforderungen würden Verbraucher von einer Anmeldung zu dem Musterverfahren abschrecken und die Gerichte würden eher belastet als entlastet.

Eine weitere Frage betrifft Vorgaben in dem Gesetz, mit denen sichergestellt werden soll, dass Verbraucher ausreichend und rechtssicher informiert werden, um ihre Forderungen richtig anzumelden, und wie dabei dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Verbraucher in der Regel als Laien am Rechtsverkehr teilnehmen und die Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe viele von der Antragstellung abhält.

Weiter wollen die Fragesteller wissen, aus welchen Gründen das Gesetz auf Verbraucher beschränkt ist. Aus Sicht der Fraktion sind viele mit dem Gesetz verbundene Fragen nicht geklärt und Hintergründe für gesetzgeberische Entscheidungen nicht begründet.

Vorbemerkung der Fragesteller:
Am 14. Juni 2018 hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der Großen Koalition und gegen die Stimmen aller Oppositionsfraktionen den seit Jahren angekündigten Gesetzentwurf zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage beschlossen (Bundestagsdrucksache 19/2507). Grundlage des Gesetzes war ein identischer Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Entwurf lehnt sich an das bereits bestehende Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) an. Ziele des Gesetzes sollen die Überwindung des "rationalen Desinteresses" von Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihre Rechte gerichtlich einzuklagen, und die Entlastung der Justiz durch eine verbindliche Entscheidung über wesentliche Rechts- und Tatsachenfragen sein.

Es ist zu befürchten, dass die Ziele durch das beschlossene Gesetz nicht erreicht werden. Viele offene Fragen wurden nicht geklärt. Hintergründe für gesetzgeberische Entscheidungen nicht begründet. Acht von neun Sachverständigen haben in der Anhörung im Deutschen Bundestag den Entwurf an entscheidenden Stellen kritisiert: Er sei aufgrund eines fehlenden Leistungsanspruchs nicht geeignet, das rationale Desinteresse zu überwinden. Die Klage zielt ausschließlich auf eine einheitliche Feststellung tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen über Ansprüche zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmen ab. Sofern die Verfahrensparteien keinen Vergleich abschließen, müssen die Parteien evtl. festgestellte Leistungsansprüche jedoch in einem nachfolgenden Verfahren gesondert geltend machen. Außerdem seien die Fristen für die Anmeldung zu kurz.

Insbesondere beanstandeten die Sachverständigen, dass die formalen Anforderungen an den Antrag zu unbestimmt und die Hürden bei der Anmeldung für Verbraucherinnen und Verbraucher zu hoch seien. Eine inhaltliche Prüfung der eingegangenen Anträge durch das Bundesamt für Justiz schließt der Gesetzentwurf ausdrücklich aus. Solange das Quorum von 50 wirksamen Anträgen nicht erreicht ist, wäre bei einem Form- oder Fristversäumnis die Klage nicht zulässig. Auch eine Verjährungshemmung soll nur erfolgen, wenn der jeweilige Antrag "wirksam" eingereicht wurde. Die Möglichkeit der Heilung von Formfehlern oder die Nachholung von Angaben sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor, so dass momentan unklar ist, ob ein unvollständiger Antrag zumindest fristwahrend wirkt. Die Risiken der Verjährung aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung des Sachverhaltes oder eines Form- oder Fristfehlers bei der Einreichung tragen somit die Verbraucherinnen und Verbraucher bzw. der klageberechtigte Verband.

Dies gilt ebenso für das Risiko, zu Unrecht vom Vorliegen der Verbrauchereigenschaft im Sinne von § 29 c der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgegangen zu sein. Einen gesonderten Eröffnungsbeschluss, in welchem das Gericht zeitnah über die Zulässigkeit der Klage entscheidet und somit weit vor Erlass der Gesamtentscheidung klärt, ob die verjährungsunterbrechende Wirkung eintreten kann, sieht das Gesetz trotz der einschlägigen Kritik des Deutschen Richterbundes nicht vor. Offen ist auch, wie Verbraucherinnen und Verbraucher Sicherheit darüber erlangen können, dass Anträge, fristwahrend und formgerecht gestellt sind.
(Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 11.10.18
Newsletterlauf: 29.11.18



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