VIG sei "kein Gesetz zur Gefahrenabwehr"


Experten bewerten Wirksamkeit des Verbraucherinformationsgesetzes unterschiedlich
Die bei der Verabschiedung des Gesetzes gemachten "vollmundigen Versprechen" seien nicht eingehalten worden


(14.07.10) - Das seit zwei Jahren geltende Verbraucherinformationsgesetz (VIG) wird von Verbraucherschützern auf der einen Seite sowie der Lebensmittelindustrie und dem Handel auf der anderen Seite höchst unterschiedlich bewertet. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz deutlich.

Mit dem Gesetz sollte als Folge verschiedener Lebensmittelskandale eine verbesserte Produktinformation der Verbraucher durch Behörden erreicht werden. Anlässlich der anstehenden Evaluation des Gesetzes haben die Oppositionsfraktionen Anträge (SPD 17/2116, Die Linke 17/1576, Grüne 17/1983) mit dem Ziel der Reformierung des VIG vorgelegt, die Grundlage der Anhörung waren.

Dabei kritisierte die Verbraucherschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) dass die bei der Verabschiedung des Gesetzes gemachten "vollmundigen Versprechen" nicht eingehalten worden seien. Der angekündigte "Meilenstein" sei das Gesetz in keinem Fall, sagte die DUH-Vertreterin. Weder würden "Ross und Reiter" genannt, noch die Fristen bei Anfragen eingehalten. Zudem würden Behörden und Unternehmen zu oft pauschal auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verweisen, um sich der Auskunftspflicht zu entziehen.

Diesen Eindruck teilt auch die Organisation Foodwatch. 80 Prozent der Anfragen seien nicht beantwortet worden, kritisierte deren Vertreter. Zudem schrecke das VIG in seiner jetzigen Form Verbraucher eher ab, als das sie ermutigt würden, ihr Auskunftsrecht in Anspruch zu nehmen. Foodwatch fordert daher unter anderem, dass Behörden verpflichtet werden sollen, sämtliche von ihnen erhobene Mess-, Analyse- und Untersuchungsergebnisse "gut zugänglich und leicht auffindbar" zu veröffentlichen.

Ganz anders beurteilte der deutsche Handel, vertreten durch das Unternehmen Edeka, die Situation. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, so der Edeka-Vertreter, das konkrete Verbraucheranfragen "zeitnah und präzise" beantwortet würden. Kritisch bewertete er dass Unternehmen durch Sammelanfrage von Verbrauchergruppen "über Gebühr" mit Aufwand und Kosten belastete würden und der Nutzen für den Verbraucher “nicht ersichtlich" sei.

Das VIG sei "kein Gesetz zur Gefahrenabwehr", machte der der Vertreter des Spitzenverbandes der Lebensmittelwirtschaft deutlich. Bei "Gefahr im Verzug" werde die Öffentlichkeit aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen "schnell und aktuell" informiert. Auskünfte im Rahmen des VIG dürften daher erst veröffentlich werden, wenn die in diesem Zusammenhang laufenden Verwaltungsakte abgeschlossen seien. Sowohl Handel als auch Industrie lehnen auch eine Erweiterung des gesetzlichen Auskunftsanspruches gegenüber Unternehmen ab. Dafür gebe es "keinen Bedarf", da die Unternehmen im Rahmen des Wettbewerbs bereist umfassend informieren würden.

Jürgen Maier vom baden-württembergischen Verbraucherschutzministerium zog aus Sicht der Länder eine positive Bilanz des VIG. Es habe die Informationskultur weitergebracht und für wachsende Transparenz bei Unternehmen und Behörden gesorgt, befand Maier. Einen Bedarf für eine Ausweitung der Regelungen sehe er derzeit nicht, sagte er. Gleichzeitig machte Maier deutlich, dass er dem dänischen Smiley-Modell "aufgeschlossen" gegenüber stehe, wenngleich der Aufwand für die Regelung sehr hoch sei, da die beurteilten Unternehmen in sehr kurzen Abständen kontrolliert werden müssten.

Über die positiven Erfahrungen mit dem seit 2001 in Dänemark geltenden System der Veröffentlichung aller Lebensmittelkontrollberichte durch Aushang "im Geschäft, im Restaurant und im Internet", sprach Poul Ottosen, Gesandter der dänischen Botschaft. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher stünden der Regelung sehr positiv gegenüber. Kernpunkt sei die sofortige Veröffentlichung der Ergebnisse ohne eine eventuelle Klage abzuwarten, sagte Ottosen. Als Folge des Smiley-Systems sei die Einhaltung der Regeln etwa bei der Hygiene klar verbessert worden. (Deutscher Bundestag: ra)

Lesen Sie auch:
Verbraucherinformationsgesetz zügig reformieren


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Vereinsversammlungen künftig hybrid möglich

    Vereine sollen künftig grundsätzlich hybride Mitgliederversammlungen einberufen dürfen. Die Teilnahme und Ausübung von Mitgliedsrechten soll dann sowohl in Präsenz als auch virtuell möglich sein. Zudem sollen durch Beschluss der Mitglieder auch rein virtuelle Versammlungen einberufen werden können.

  • Steuerflucht effektiv bekämpfen

    Der Finanzausschuss hat dem von der Deutscher Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. August 2020 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über den Austausch länderbezogener Berichte (20/5021) zugestimmt. Für den Entwurf stimmten in der vom Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) geleiteten Sitzung die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie die CDU/CSU-Fraktion und die AfD-Fraktion. Die Fraktion Die Linke enthielt sich.

  • Ausbildung einer einheitlichen Rechtspraxis

    Der Rechtsausschuss hat den Regierungsentwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe" (20/3449, 20/3715) in geänderter Fassung beschlossen. Die Vorlage wurde einstimmig angenommen.

  • Schutz Kritischer Infrastrukturen

    Als Unterrichtung durch die Deutsche Bundesregierung liegen "Eckpunkte für das Kritis-Dachgesetz" (20/5491) vor. Danach wird mit dem Kritis-Dachgesetz zum ersten Mal das Gesamtsystem zum physischen Schutz Kritischer Infrastrukturen (Kritis) in Deutschland in den Blick genommen und im Rahmen der dem Bund zustehenden Zuständigkeiten gesetzlich geregelt.

  • Zu einem "Anti-Littering-Fonds" ausbauen

    Die von der Bundesregierung geplante Abgabe für Hersteller von Einweg-Plastikprodukten wird von Experten mehrheitlich positiv bewertet. Gleichwohl rieten die Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz auch zu Nachbesserungen am Gesetzentwurf, mit dem die europäischen Richtlinie zur "Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt" (20/5164) umgesetzt werden soll.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen