Keine geeignete Rechtsgrundlage?


Experten kritisieren Neufassung des Infektionsschutzgesetzes
Der neue Paragraf 28a genüge den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht



Das zur Bewältigung der Coronakrise vorgelegte dritte Bevölkerungsschutzpaket wird von Gesundheits- und Sozialexperten begrüßt. Kritisch äußerten sich hingegen Rechtsexperten, die in den geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) keine geeignete Rechtsgrundlage sehen. Die Sachverständigen äußerten sich anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags über das Gesetzespaket in schriftlichen Stellungnahmen. Das vom Bundestag und Bundesrat am 18. November 2020 beschlossene Gesetz trat nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Die Regelungen in dem Gesetzentwurf berücksichtigen neue Erkenntnisse über das Coronavirus und setzen einen Rahmen für künftige Impfprogramme. Zugleich beinhaltet die Vorlage der Regierungsfraktionen (19/23944) von Union und SPD eine gesetzliche Präzisierung hinsichtlich der Eingriffe in grundrechtliche Freiheiten. In einem neuen Paragrafen 28a des IfSG werden mögliche Schutzvorkehrungen zur Bekämpfung des Coronavirus konkret aufgeführt.

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) erklärte, viele der jetzt geplanten Regelungen seien sinnvoll, gleichwohl gebe es erheblichen zusätzlichen Handlungsbedarf. So deute sich eine Überlastung der ambulanten Versorgungsstrukturen an. Auch seien Bedürfnisse von Patientengruppen, die nicht den großen Versorgungssektoren zuzuordnen seien, unter dem Druck der ersten Pandemiewelle weitgehend übersehen worden, etwa Menschen mit Bedarf an ambulanter Intensivversorgung oder Patienten, die ihre Pflege selbst organisieren.

Der Caritasverband mahnte, im bevorstehenden Winter müssten Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung ergriffen werden. Der Verband sprach sich für eine Modernisierung des IfSG aus mit dem Ziel, Risikogruppen besonders zu schützen.

Die Bundesärztekammer (BÄK) sprach von überwiegend angemessenen Maßnahmen vor dem Hintergrund der aktuell dynamischen pandemischen Lage. Kritisch gesehen werde die geplante Erfassung von Daten im Rahmen der Corona-Impfungen. Die BÄK regte die Einrichtung eines nationalen Impfregisters an, um Impfdaten zeitnah und umfassend auszuwerten und zur Verfügung zu stellen.

Die Juristin Andrea Kießling von der Ruhr Universität Bochum kritisierte die geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz. Der neue Paragraf 28a genüge den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Die Vorschrift lasse keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen. Gerichte würden die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als Rechtsgrundlage akzeptieren. Ähnliche Bedenken äußerten auch andere Rechtsexperten. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 18.11.20
Newsletterlauf: 21.01.21



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen