Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Weitere Urteile

Kläger hatte die Revisionsfrist gewahrt


Wirksame förmliche Zustellung setzt auch während der Covid-19-Pandemie den Versuch einer Übergabe des Schriftstücks voraus
Für förmliche Zustellungen – etwa von Gerichtsentscheidungen oder besonders wichtigen Verwaltungsakten – hat der Gesetzgeber ein klares Regelwerk aufgestellt




Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.10.2022 – X R 14/21 entschieden, dass eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten unwirksam ist, wenn der Zusteller nicht zuvor versucht, die Postsendung mit dem Schriftstück persönlich zu übergeben. Dies gilt auch während der Covid-19-Pandemie.

Für förmliche Zustellungen –etwa von Gerichtsentscheidungen oder besonders wichtigen Verwaltungsakten– hat der Gesetzgeber ein klares Regelwerk aufgestellt (§§ 166 ff. der Zivilprozessordnung –ZPO–). Wenn diese Regeln bei der Zustellung nicht beachtet werden, ist die Zustellung unwirksam. Eine "Heilung" des Mangels tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die Hand bekommt.

In dem nun vom BFH entschiedenen Fall hatte der Postzusteller die Sendung mit einem Gerichtsurteil an einem Samstag in den Briefkasten der von den Klägern bevollmächtigten Steuerberatungskanzlei eingelegt. Wäre dieser Samstag das Zustellungsdatum gewesen, wäre die von den Klägern eingelegte Revision zu spät erhoben worden. Die Kläger machten allerdings geltend, die Zustellung sei unwirksam, weil der Zusteller während der Covid-19-Pandemie niemals versucht habe, in den Kanzleiräumen zu klingeln und das Schriftstück dort zu übergeben.

Der X. Senat des BFH hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft der Deutschen Post AG und durch Vernehmung des zuständigen Postzustellers als Zeugen. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es im Bereich der Deutschen Post AG zwar keine generellen Anweisungen gab, während der Covid-19-Pandemie auf ein Klingeln beim Empfänger und den Versuch einer persönlichen Übergabe zu verzichten, der Amtsleiter des Zustellers aber eine solche Anweisung erteilt hatte.

Auf dieser Grundlage hat der BFH die Zustellung als unwirksam angesehen. Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, in denen der Gesetzgeber pandemiebedingte Erleichterungen in Bezug auf bestimmte Förmlichkeiten vorgesehen hat, sind zu den Zustellungsvorschriften der ZPO keine gesetzlichen Sonderregeln geschaffen worden. Auch das für den Streitfall maßgebende Landesrecht ordnete nicht an, dass bei Zustellungen ein Kontaktverbot bestehe. Dies hat der BFH für die in Bayern im Juni 2021 geltenden Infektionsschutzregeln, die vergleichbar mit denen anderer Bundesländer gewesen sein dürften, entschieden. Daher konnte offen bleiben, ob der Landesgesetzgeber überhaupt die bundesrechtlichen Zustellungsregelungen modifizieren konnte.

Der damit gegebene Zustellungsmangel wurde erst am darauffolgenden Montag geheilt, als eine Mitarbeiterin des Steuerberaters den Kanzleibriefkasten geleert hat. Daher hatten die Kläger die Revisionsfrist gewahrt. (Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs vom 12.01.2023: ra)

eingetragen: 24.03.23
Newsletterlauf: 27.03.23


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Weitere Urteile

  • Erbschaftsteuer für Immobilienerwerb

    In Deutschland gelegene Immobilien können steuerfrei vermacht werden, wenn der Erblasser dem Begünstigten die Immobilie durch ausländisches Vermächtnis zuwendet. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 23.11.2022 - II R 37/19 entschieden. Voraussetzung ist jedoch, dass weder der Erblasser noch der Begünstigte Deutsche sind und beide im Ausland leben.

  • Im Wege der Abmahnung eingeschritten

    Bei der Wettbewerbszentrale sind im vergangenen und im laufenden Jahr 2023 zahlreiche Beschwerden zu Werbung mit "gekauften" Kundenbewertungen eingegangen: Insgesamt 72 Fälle registriert die Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft für fairen Wettbewerb. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen verschiedene Anreize wie beispielsweise Gutscheine, Rabatte oder andere Incentives für das Verfassen einer Kundenbewertung beworben oder gewährt werden. In 19 Fällen hat sie entsprechende Werbemaßnahmen als irreführend erachtet und ist deshalb im Wege der Abmahnung eingeschritten.

  • Anfechtungsrecht des Gesellschafters

    Der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann den Bescheid über den Bestand des steuerlichen Einlagekontos nicht anfechten. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21.12.2022 - I R 53/19 entschieden. § 27 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) schreibt vor, dass der Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit einem besonderen Bescheid festzuschreiben ist.

  • Verkauf oder Tausch von Kryptowährungen

    Veräußerungsgewinne, die ein Steuerpflichtiger innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf oder dem Tausch von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Monero erzielt, unterfallen der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14.02.2023 - IX R 3/22 entschieden.

  • Urteil zum Prämiensparen

    Im Zinsstreit um Prämiensparverträge hat das Oberlandesgericht Naumburg am 8. Februar 2023 ein Urteil gesprochen. Darin hat das Gericht der Saalesparkasse konkret vorgeschrieben, wie sie die Zinsen hätte berechnen müssen. Betroffene Sparer können mit hohen Nachzahlungen rechnen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte im Juli 2020 eine Musterfeststellungsklage eingereicht, der sich über 800 Verbraucher angeschlossen hatten.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen