Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Festsetzung exzessiv überhöhter Preise?


Überhöhte Preise von Krebsmedikamenten: Kommission bittet um Stellungnahmen zu Aspens Vorschlag zu Preissenkungen
Die EU-Wettbewerbsvorschriften greifen nicht in allen Fällen ein, in denen Bedenken hinsichtlich der Höhe von Arzneimittelpreisen bestehen können



Die Europäische Kommission holt Stellungnahmen zu den Verpflichtungen ein, die das Pharmaunternehmen Aspen angeboten hat, um die Bedenken der Kommission hinsichtlich exzessiv überhöhter Preise auszuräumen. Aspen bietet an, seine Preise für sechs Krebsmedikamente in Europa um durchschnittlich 73 Prozent zu senken und die fortdauernde Lieferung dieser patentfreien Arzneimittel während eines erheblichen Zeitraums zu gewährleisten.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: "Pharmaunternehmen bringen häufig innovative Arzneimittel auf den Markt, und das sollte sich für sie rentieren. Zuweilen nutzen sie jedoch auch ihre beherrschende Stellung, um die Preise für ältere aber immer noch unentbehrliche Arzneimittel ohne triftigen Grund um mehrere hundert Prozent zu erhöhen.

Die Kommission hat vorliegend Bedenken, dass das Verhalten von Aspen als Festsetzung exzessiv überhöhter Preise durch ein marktbeherrschendes Unternehmen einzustufen ist, und dies ist nach den EU-Wettbewerbsvorschriften verboten. Um diese Bedenken auszuräumen, bietet Aspen an, seine Preise drastisch zu senken und die Lieferung der sechs kritischen Arzneimittel zu gewährleisten. Wir wenden uns nun an die Interessenträger, um zu erfahren, ob sie der Ansicht sind, dass die Verpflichtungsangebote die Bedenken ausräumen und für Patienten und Gesundheitssysteme in ganz Europa ausreichend sind."

Nach einem am 15. Mai 2017 eingeleiteten förmlichen Prüfverfahren hat die Kommission ernste Bedenken, dass Aspen seine marktbeherrschende Stellung auf zahlreichen nationalen Märkten missbraucht haben könnte, um exzessiv überhöhte Preise für unentbehrliche patentfreie Krebsarzneimittel zu verlangen. Nach dem Erwerb der Krebsarzneimittel von einem anderen Unternehmen erhöhte Aspen 2012 die entsprechenden Preise zunächst in Deutschland, Estland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden, und setzte diese Strategie dann in allen anderen Ländern in Europa um, in denen es die Arzneimittel verkaufte.

Konkret wurden die Preise für mehrere Arzneimittel erhöht, die hauptsächlich zur Behandlung von Leukämie und anderen hämatologischen Krebserkrankungen eingesetzt werden. Dabei handelt es sich u. a. um die Medikamente, die unter den Markennamen Alkeran, Leukeran und Purinethol im Handel sind.

Eine von der Kommission durchgeführte vorläufige Untersuchung der Einnahmen und Kosten in Aspens Buchhaltung hat ergeben, dass Aspen nach den Preiserhöhungen durchweg Gewinne aus dem Verkauf von Krebsarzneimitteln in Europa erzielt hat, die sowohl in absoluter Hinsicht als auch im Vergleich mit ähnlichen Unternehmen in der Branche sehr hoch waren. Die Preise von Aspen lagen im Durchschnitt, selbst bei Veranschlagung einer angemessenen Rendite, um fast dreihundert Prozent über den relevanten Kosten, auch wenn es dabei Unterschiede zwischen Produkten und Ländern gab.

In bestimmten Fällen lassen sich hohe Gewinnspannen zum Beispiel dadurch erklären, dass es sich lohnen muss, signifikante Innovationen vorzunehmen und unternehmerische Risiken einzugehen. Die Untersuchung der Kommission ergab jedoch keine Rechtfertigung für die durchgehend sehr hohen Gewinnspannen von Aspen. Die Arzneimittel von Aspen sind seit 50 Jahren patentfrei, was bedeutet, dass die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungskosten bereits vollständig amortisiert wurden. Zudem stellte die Kommission bei ihrer vorläufigen Beurteilung fest, dass die Stückkosten von Aspen im Zeitraum 2013-2019 zwar leicht gestiegen sind, dass aber die von Aspen erzwungenen Preiserhöhungen eindeutig in keinem Verhältnis zu etwaigen zusätzlichen Kosten standen.

Die Verhaltensweisen von Aspen betreffen den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), auch wenn nicht jedes Arzneimittel in jedem Land verkauft wird. Italien wurde von der Kommission nicht in die Untersuchung einbezogen, da die italienische Wettbewerbsbehörde Aspen 2016 per Beschluss zur Senkung seiner Preise auf dem italienischen Markt verpflichtet hatte.

Bei der Erhöhung der Preise, oftmals um mehrere hundert Prozent, nutzte Aspen aus, dass es für die Patienten und Ärzte zumeist keine Alternative zu seinen Krebsmedikamenten gab. Als nationale Behörden versuchten, sich den Preiserhöhungen zu widersetzen, drohte Aspen gar damit, die Medikamente aus den nationalen Listen erstattungsfähiger Arzneimittel streichen zu lassen, und war in einigen Fällen sogar bereit, die Medikamente ganz aus dem normalen Vertrieb in dem Mitgliedsstaat zu nehmen.

Das Verhalten von Aspen stellt möglicherweise einen Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften dar, nach denen die Erzwingung unangemessener Preise oder sonstiger Geschäftsbedingungen verboten ist (Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 54 des EWR-Abkommens).

Die EU-Wettbewerbsvorschriften greifen nicht in allen Fällen ein, in denen Bedenken hinsichtlich der Höhe von Arzneimittelpreisen bestehen können. Unter bestimmten spezifischen Umständen kann eine Preisgestaltung jedoch gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. In solchen Fällen kann die Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften dazu beitragen, Medikamente erschwinglicher zu machen.

Verpflichtungsangebote
Aspen hat folgende Verpflichtungen angeboten, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen:

>> Aspen wird seine Preise für sechs Krebsarzneien in Europa durchschnittlich um rund 73 Prozent senken.
>> Diese gesenkten Preise bilden eine Preisobergrenze für die kommenden zehn Jahre und gelten bereits ab Oktober 2019.
>> Aspen garantiert die Lieferung der Arzneimittel während der nächsten fünf Jahre und wird für weitere fünf Jahre entweder die Lieferungen fortsetzen oder anderen Herstellern die Marktzulassungen (MZ) für die Medikamente zur Verfügung stellen.

>> Die Kommission lädt alle Interessenträger ein, innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der Verpflichtungsangebote von Aspen im Amtsblatt Stellung dazu zu nehmen. Unter Berücksichtigung aller eingegangenen Stellungnahmen wird die Kommission dann abschließend feststellen, ob die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die Verpflichtungszusagen vollständig ausgeräumt werden.

Ist dies der Fall, kann die Kommission die Verpflichtungsangebote per Beschluss für Aspen für bindend erklären (Artikel 9 der EU-Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates).

Gegenstand eines solchen Beschlusses ist nicht die Feststellung, dass ein Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften vorliegt, sondern die rechtliche Verpflichtung der betreffenden Unternehmen, die angebotenen Verpflichtungen zu erfüllen.

Werden die Verpflichtungen nicht erfüllt, so kann die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften nachweisen zu müssen.

Hintergrund
Aspen ist ein weltweit tätiges Pharmaunternehmen mit Sitz in Südafrika und mehreren Tochtergesellschaften im EWR.

In der EU sind die nationalen Behörden befugt, Preisbindungen für Arzneimittel vorzuschreiben und zu entscheiden, welche Behandlungen über ihre Sozialversicherungssysteme erstattet werden können. Jedes Land verfolgt eine unterschiedliche, am eigenen wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Bedarf ausgerichtete Preisregulierungs- und Erstattungspolitik. Die Preise für Arzneimittel werden in der Regel auf nationaler Ebene zwischen Pharmaunternehmen und den nationalen Behörden, die für die Preisregulierung und die Erstattung zuständig sind, ausgehandelt. Bei unentbehrlichen Arzneimitteln, zu denen es keine oder nur wenige therapeutische Alternativen gibt, ist die Verhandlungsmacht der Behörden relativ gering.

Die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Marktstellung, worunter auch die Durchsetzung überhöhter und somit unfairer Preise fällt, ist nach Artikel 102 AEUV untersagt. Wie dieser Artikel umzusetzen ist, regelt die EU-Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates), die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet wird.

Nach Artikel 9 Absatz 1 der Kartellverordnung können Unternehmen, die von einer Untersuchung der Kommission betroffen sind, Verpflichtungen anbieten, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Kommission kann diese Verpflichtungen dann für bindend für die Unternehmen erklären. Artikel 27 Absatz 4 der Kartellverordnung sieht vor, dass die Kommission vor dem Erlass eines solchen Beschlusses interessierten Dritten Gelegenheit geben muss, zu den Verpflichtungsangeboten Stellung zu nehmen.
(Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 15.07.20
Newsletterlauf: 16.09.20


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Europäische Kommission

  • Forderungen nach mehr Flexibilität

    Die Europäische Kommission hat offiziell eine Verordnung angenommen, mit der europäischen Landwirtinnen und Landwirten eine teilweise Ausnahme von der Konditionalitätsregelung für brachliegende Flächen gewährt wird. Dem vorangegangen waren der Vorschlag der Kommission vom 31. Januar sowie Gespräche mit den Mitgliedstaaten in Ausschusssitzungen.

  • Verwaltungsaufwand für Landwirte begrenzen

    Die Europäische Kommission hat dem belgischen Ratsvorsitz ein Papier übermittelt, in dem erste mögliche Maßnahmen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Schultern der Landwirte dargelegt werden. Das Dokument enthält eine Reihe kurz- und mittelfristiger Maßnahmen, die zur Vereinfachung ergriffen werden können

  • Wegweisendes Regelwerk der EU

    Das Gesetz über digitale Dienste ist das wegweisende Regelwerk der EU, mit dem das Online-Umfeld sicherer, gerechter und transparenter gemacht werden soll, und wird auf alle Online-Vermittler in der EU angewandt. Es schützt die Nutzer in der EU besser vor illegalen Waren und Inhalten und sorgt für die Wahrung ihrer Rechte auf Online-Plattformen, auf denen sie mit anderen Nutzern in Kontakt treten, Informationen austauschen oder Produkte kaufen.

  • Untersuchung betrifft mutmaßliche Mängel

    Die Europäische Kommission hat ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob TikTok in den Bereichen Jugendschutz, Transparenz der Werbung, Datenzugang für Forschende sowie Risikomanagement in Bezug auf suchterzeugendes Design und schädliche Inhalte möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.

  • Influencer-Posts in sozialen Medien

    Die Europäische Kommission und die nationalen Verbraucherschutzbehörden von 22 Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Island haben die Ergebnisse einer Überprüfung ("Sweep") von Influencer-Posts in den sozialen Medien veröffentlicht. Demnach veröffentlichen fast alle Influencerinnen und Influencer (97 Prozent) kommerzielle Inhalte, aber nur jeder fünfte gibt systematisch an, dass es sich bei diesem Content um Werbung handelt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen