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Verpflichtungen für eine Dauer von zehn Jahren


Kartellrecht: EU-Kommission akzeptiert Verpflichtungsangebote von Insurance Ireland zur Gewährleistung des Zugangs zu ihrer Datenaustauschplattform
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, bot Insurance Ireland bestimmte Verpflichtungen an



Die Europäische Kommission hat Verpflichtungsangebote von Insurance Ireland, einer Vereinigung irischer Versicherungsgesellschaften, nach dem EU-Kartellrecht für rechtlich bindend erklärt. Insurance Ireland muss einen fairen und diskriminierungsfreien Zugang zu ihrem Informationsaustauschsystem Insurance Link gewährleisten, das wichtige Daten für Unternehmen bereitstellt, die Kfz-Versicherungsleistungen in Irland anbieten.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: "Insurance Ireland hat Verpflichtungen angeboten, die sicherstellen, dass der Zugang zu ihrem Datenaustauschsystem auf der Grundlage fairer, objektiver, transparenter und diskriminierungsfreier Kriterien gewährt wird. Diese Verpflichtungen hat die Kommission für rechtlich bindend erklärt. Die Verpflichtungen stellen auf dem irischen Kfz-Versicherungsmarkt wieder faire Wettbewerbsbedingungen her und erleichtern den Markteintritt neuer Marktteilnehmer. Dadurch werden die Verbraucher von einer größeren Auswahl an Anbietern profitieren. Das ist wichtig, weil die Wirtschaft heutzutage zunehmend auf Datenaustausch angewiesen ist und der Zugang zu Daten in vielen Märkten zu einem Schlüsselfaktor geworden ist."

Die Bedenken der Kommission
In der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom Juni 2021 legte die Kommission ihre vorläufige Auffassung dar, dass Insurance Ireland den Zugang zu ihrem Informationsaustauschsystem Insurance Link für Nichtmitglieder willkürlich verzögerte bzw. ihnen diesen faktisch sogar verweigerte und so den Wettbewerb auf dem irischen Kfz-Versicherungsmarkt einschränkte.

Die Daten von Insurance Link ermöglichen es Versicherern, präzisere Risikoprofile der Kunden zu erstellen, sodass sie Versicherungspolicen für Kraftfahrzeuge entsprechend bepreisen können. Durch die Beschränkung des Zugangs zu ihrer Plattform hatte Insurance Ireland bestimmte Unternehmen gegenüber ihren Mitgliedern, die Zugang zu der Plattform hatten, im Wettbewerb benachteiligt. Dies stellte insbesondere für Versicherer mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ein Hindernis für den Markteintritt dar, was die Chancen für Verbraucher, die sich für Kfz-Versicherungen in Irland interessierten, auf ein breitgefächertes Angebot mit stärker wettbewerbsorientierten Preisen schmälerte.

Die Verpflichtungsangebote
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, bot Insurance Ireland bestimmte Verpflichtungen an. Vom 4. März bis zum 4. April 2022 unterzog die Kommission diese Verpflichtungsangebote einem Markttest und konsultierte interessierte Dritte, um sich zu vergewissern, dass die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch diese Verpflichtungen ausgeräumt würden. In Anbetracht der Ergebnisse dieses Markttests nahm Insurance Ireland mehrere Änderungen an ihren ursprünglichen Verpflichtungsangeboten vor. So wurden das Profil und die Rolle des unabhängigen Antragsbeauftragten präzisiert, der die Zugangsanträge bearbeiten wird, und bestimmte Aspekte in Bezug auf die Umsetzung und Überwachung der Verpflichtungen klarer gefasst.

Die Kommission stellte fest, dass die endgültigen Verpflichtungsangebote von Insurance Ireland den Zugang der Marktteilnehmer zur Plattform Insurance Link gewährleisten werden, und beschloss daher, sie für Insurance Ireland für rechtlich bindend zu erklären. Im Einzelnen hat sich Insurance Ireland verpflichtet,

>> den Zugang zu Insurance Link unabhängig von einer Mitgliedschaft bei Insurance Ireland zu gewähren;
>> die Kriterien für den Zugang zu Insurance Link dahin gehend zu ändern, dass diese fair, objektiv, transparent und diskriminierungsfrei sind und einheitlich auf alle Antragsteller aus Irland und aus anderen Mitgliedstaaten angewandt werden;

>> ein neues Antragsverfahren für den Zugang zu Insurance Link mit festen Fristen einzuführen, bei dem die Anträge von einem unabhängigen Antragsbeauftragten bearbeitet werden, der hochrangig angesiedelt ist und über Berufserfahrung im Versicherungssektor verfügt. Im Falle einer Zugangsverweigerung können Antragsteller bei einer unabhängigen Beschwerdestelle, dem Oversight Committee, Beschwerde einlegen;

>> ein kosten- und nutzungsbasiertes Gebührenmodell einzuführen und faire, transparente und diskriminierungsfreie Gebühren für die Nutzer von Insurance Link zu gewährleisten;

>> faire, objektive, transparente und diskriminierungsfreie Kriterien für die Mitgliedschaft in der Versicherungsvereinigung Insurance Ireland zu gewährleisten.

Die endgültigen Verpflichtungen gelten für eine Dauer von zehn Jahren. Unter der Aufsicht der Kommission wird ein Treuhänder für die Überwachung der Umsetzung und Einhaltung der Verpflichtungen zuständig sein.

Hintergrund
Insurance Ireland ist eine Vereinigung von Unternehmen, die in Irland im Versicherungssektor tätig sind. Insurance Ireland verwaltet das Informationsaustauschsystem Insurance Link, das nützliche Informationen für die Aufdeckung und Bekämpfung von Betrug auf dem irischen Kfz-Versicherungsmarkt enthält, und bietet dieses ihren Mitgliedern an.

Im Juli 2017 führte die Kommission unangekündigte Nachprüfungen im Kfz-Versicherungssektor in Irland durch. Im Mai 2019 leitete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren zu dem Verhalten von Insurance Ireland ein, um zu untersuchen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorliegt. Im Juni 2021 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der sie ihre vorläufigen Bedenken darlegte.

Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verbieten wettbewerbswidrige Vereinbarungen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen.

Nach Artikel 9 Absatz 1 der EU-Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003) kann die Kommission ein Kartellverfahren beenden, indem sie die von einer Vereinigung angebotenen Verpflichtungen akzeptiert. Mit einem solchen Beschluss wird nicht festgestellt, ob die EU-Kartellvorschriften verletzt worden sind, sondern die Vereinigung wird rechtlich zur Einhaltung ihrer Zusagen verpflichtet. Einen Policy Brief zu Verpflichtungsbeschlüssen nach Artikel 9 finden Sie hier.

Wenn Insurance Ireland ihre Verpflichtungen nicht einhält, kann die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent des weltweiten Umsatzes der Vereinigung oder der Summe des Umsatzes ihrer auf dem relevanten Markt tätigen Mitglieder verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften nachweisen zu müssen.
(Europäische Kommission: ra)


eingetragen: 25.07.22
Newsletterlauf: 08.09.22


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