Sie sind hier: Home » Markt » Hintergrund

Für Pandemiebekämpfung nicht geeignet


Die Einlagerung unnötiger und nicht geeigneter antiviraler Medikamente anlässlich der Pandemiefehlalarme 2005 und 2009 kostete Deutschland Haushaltsmittel im dreistelligen Millionenbereich
Transparency fordert für den Fall eines erneuten Pandemiealarms eine neutrale wissenschaftliche Bewertung des tatsächlichen Gefahrenpotentials

(25.02.15) - In den Jahren 1999 und 2000 Jahren hatten die Firma Roche Pharma AG das Medikament Tamiflu (Wirkstoff Oseltamivir) und die Firma GlaxoSmithKline das Medikament Relenza (Wirkstoff Zanamivir) zunächst in den USA auf den Markt gebracht, mit der Behauptung, mit ihrer Hilfe könnte die Ausbreitung und Schwere viraler Infektionen im Pandemiefall wirksam bekämpft werden. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hatte diese Behauptung allerdings immer zurückgewiesen, während die europäische Zulassungsbehörde EMA diese Einschränkung bei der europäischen Zulassung im Jahr 2002 nicht vornahm.

In Wirklichkeit sind beide Medikamente für eine Pandemiebekämpfung nicht geeignet. Unabhängige Wissenschaftler der Cochrane Collaboration hatten wegen der Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen der veröffentlichten Studien mit den von den Herstellern zur Zulassung bei der EMA eingereichten Dokumenten schon vor 2009 auf Offenlegung der vollständigen Studiendaten bestanden. Erst 2013 haben die Hersteller alle Daten zur unabhängigen wissenschaftlichen Überprüfung öffentlich gemahnt. Dabei kam heraus, dass die von den Herstellern und von ihnen finanzierten Wissenschaftlern immer noch behauptete antivirale Wirksamkeit der Medikamente in den vollständigen Studiendaten nicht nachweisbar ist. (Im Detail nachzulesen im British Journal of Medicine.)

Begleitet wurden die Tamiflu- und Relenza-Zulassungen von einer Kampagne über angeblich drohende weltweite Influenza-Pandemien, maßgeblich gelenkt durch die European Scientific Working Group on Influenza (ESWI), einer wiederum unter anderem von den Pharmafirmen Roche und GlaxoSmithKline finanzierten Expertengruppe, die ihren Einfluss auf nationale und internationale Gesundheitsbehörden, insbesondere auch auf die WHO, ausübte, die in der Folge weltweite Pandemiebekämpfungspläne entwickelte. Dem für die Pandemieausrufung 2009 verantwortlichen Gremium der WHO (Emergency Comittee) gehörten wiederum auch ESWI-Experten an; ihre Namen wurden bis August 2010 geheim gehalten. Untersuchungen des Europarates sowie nationaler Regierungen in Europa und investigativer Journalisten zu den Ursachen des Schweinegrippe-Fehlalarms 2009/2010 legten die mannigfaltigen Verflechtungen zwischen den WHO-Pandemie-Experten und den Medikamenten- und Impfstoffherstellern bloß.

Im Rahmen der Pandemie-Pläne haben der Bund und die Bundesländer entsprechend große Mengen Oseltamivir (Tamiflu) und Zanamivir (Relenza) v.a. in den Jahren 2005 und 2009 eingelagert. Transparency hat, unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit, v.a. mit Hilfe der Informationsfreiheitsgesetze beim Bund und in den Ländern die Kosten der Bevorratung dieser antiviralen Medikamente von 2002 bis 2009 mit rd. 330 Millionen Euro ermittelt.

Die antiviralen Medikamente wurden wegen der angeblichen Pandemien, die keine waren, wie von unabhängigen Wissenschaftlern vorhergesagt, nicht verwendet. Die Haltbarbarkeitsdaten der Medikamente sind inzwischen teilweise abgelaufen, zum Teil sind diese Medikamente bereits vernichtet, die übrigen dürften in Kürze ebenfalls nicht mehr verwendbar sein.

Die detaillierte Ermittlung der eingekauften Medikamente war v.a. durch die nach den Informationsfreiheitsgesetzen beharrlich über zwei Jahre verfolgte Überlassung auch der Vertragsunterlagen möglich, darüber hinaus aufgrund zusätzlich beantragter Auskünfte.

Transparency Deutschland fordert für den Fall eines erneuten Pandemiealarms eine neutrale wissenschaftliche Bewertung des tatsächlichen Gefahrenpotentials und eine transparentere Vorbereitung durch die zuständigen Stellen, insbesondere dass

>> die für den Ausruf des Pandemiefalles, für die dann zu treffenden Maßnahmen sowie für die zu bevorratenden Medikamente oder Impfstoffe zuständigen Kommissionen mit unabhängigen Experten besetzt und öffentlich kontrolliert werden
und
>> Oseltamivir (Tamiflu) von der Liste der unentbehrlichen Medikamente (Essential Medicines) der WHO gestrichen wird.

Dr. Christoph Partsch von der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit: "Die erfolgreichen Recherchen von Transparency Deutschland unterstreichen, wie wichtig der unbeschränkte Informationszugang gerade auch für kritische Nichtregierungsorganisationen ist und dass die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern hierbei unverzichtbare Dienste leisten."

Dr. Angela Spelsberg, Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit von Transparency Deutschland, sagte: "Dass die Informationsfreiheitsgesetze die Möglichkeit eröffnet haben, die Fehlkäufe bei der Pandemievorsorge von Medikamenten, deren Nutzen im Hinblick auf die Verhinderung der Virusausbreitung und der Vermeidung von schweren Komplikationen schon bei der Erstzulassung durch die FDA umstritten war, im Detail aufdecken zu können und die enorme Verschleuderung von Steuergeldern sichtbar zu machen, ist für die Öffentlichkeit äußerst wichtig. Für die weitere Arbeit der Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland bedeutet es Verpflichtung, auf die Beseitigung der Missstände zu dringen. Wir wollen dazu beitragen, dass solche kostenträchtigen und für die Gesundheit der Bevölkerung bedeutsamen Ankäufe künftig nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden können, um dem Wiederholungsfall vorzubeugen. Außerdem stellt sich die Frage, wer für den finanziellen Schaden in Höhe von 330 Millionen Euro aufkommt."

Dieter Hüsgen, Leiter der Arbeitsgruppe Informationsfreiheit von Transparency Deutschland: "Die im Rahmen der Ermittlungen darüber hinaus gewonnenen Erkenntnisse zur Anwendung der auch in Deutschland sich immer mehr durchsetzenden Informationsfreiheitsrechte, wie die unterschiedlichen Verfahrensweisen bei der Antragsbearbeitung durch die zuständigen Behörden, die unterschiedliche Länge der Bearbeitungszeiten sowie die unterschiedlichen Gebührenregelungen und ihre unterschiedliche Anwendungsweise, sind für die weitere politische Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit und von Transparency Deutschland von Bedeutung." (Transparency: ra)

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Markt / Hintergrund

  • Entwicklung der HR-Softwareindustrie

    Human Resources gilt heutzutage als Rückgrat eines jeden Unternehmens. Die Verwaltung von Mitarbeiterdaten, die Durchführung von Rekrutierungsprozessen und die Entwicklung von Talenten sind nur einige der vielfältigen Aufgaben, die die Personalabteilung täglich bewältigen.

  • Mittelstand im Regulierungskorsett

    Ziel des Data Acts ist es, einen Wettbewerbsmarkt für Daten zu schaffen und die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der EU zu stärken. Durch die Förderung eines fairen, transparenten und wettbewerbsfähigen digitalen Marktes adressiert er die Notwendigkeit einer verstärkten Datenmobilität und -nutzung.

  • Paragrafen 201b Strafgesetzbuch vorgeschlagen

    Das Bundeskabinett hat am 21. August 2024 zu einer bayerischen Initiative zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes Stellung genommen. Im Juli dieses Jahres hatte der Bundesrat den bayerischen Gesetzentwurf verabschiedet.

  • Bekämpfung neuer Kriminalitätsphänomene

    Seit 2015 ermittelt die Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg erfolgreich in herausgehobenen Verfahren im Bereich Cyberkriminalität. Die ZCB verfügt über zahlreiche nationale und internationale Kontakte. Durch die internationale Zusammenarbeit konnte erstmals ein Zwangsarbeiter einer Betrugsfabrik in Asien nach Bayern eingeflogen und durch die Staatsanwälte der ZCB vernommen werden.

  • EU-Finanzmarktintegration muss vorangehen

    Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister hat die Ausrichtung der EU-Gesetzesvorschläge zur Überarbeitung des Rahmens für Krisenmanagement und Einlagensicherung (CMDI-Review) verabschiedet. "Der Entwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung und eine deutliche Verbesserung gegenüber den Vorschlägen der EU-Kommission", sagte Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen