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Bekämpfung der Unternehmenskriminalität


Sanktionierung von Unternehmen ohne Gefährdung der Wirtschaft
Rechtsexperten stellen Münchner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes vor



Mit dem "Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" will die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht, schärfere und vor allem höhere Strafen für Unternehmen in Deutschland einführen. Dem haben heute führende Rechtswissenschaftler den Münchner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes entgegengestellt. Die Initiative sieht einen besseren Weg zur Sanktionierung von Unternehmen bei strafrechtlich relevanten Verstößen der Führungskräfte vor.

Kern des vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Frank Saliger an der Ludwig-Maximilians-Universität gemeinsam mit der Kanzlei Tsambikakis & Partner ausgearbeiteten und vom Verband "Die Familienunternehmer" unterstützten Münchner Entwurfs ist eine angemessenes Recht zur Sanktionierung von Verbänden mit am Prinzip der Verhältnismäßigkeit orientierten Geldbußen. Strafverfolgungsbehörden sollen zur Ermittlung von Rechtsverstößen gestärkt und interne Untersuchungen klar geregelt werden. Kleine Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten oder 10 Millionen Euro Jahresumsatz sollen ausgenommen werden.

"Deutschland braucht ein modernes Gesetz zur Sanktionierung von Unternehmen bei strafrechtlich relevanten Verstößen der Führungskräfte. Dabei muss aber das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Das gilt insbesondere in Bezug auf die Höhe von Geldstrafen", erklärt Prof. Dr. Michael Tsambikakis, Mitinitiator des Münchner Entwurfs von der Kanzlei Tsambikakis & Partner in Köln. "Wir schlagen ein eigenständiges, verhältnismäßiges und kohärentes Verbandssanktionsgesetz vor, mit dem Vergehen konsequent bestraft werden können, ohne durch unverhältnismäßige Abschöpfung von Gewinnen die Unternehmen in ihrer Substanz – und damit Arbeitsplätze – zu gefährden."

"Mit der Kriminalisierung von Unternehmen ist niemandem gedient. Die Sanktionierung von Unternehmen erfordert einen einheitlichen Rahmen unter Wahrung der deutschen Rechtstradition", betont Prof. Dr. Frank Saliger von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. "Das bisherige Ordnungswidrigkeitenrecht ist nicht mehr zeitgemäß. Aber wir bleiben dabei, dass sich Zuwiderhandlungen von Leitungspersonen und Mitarbeitern dem Verband zurechnen lassen müssen. Bei der Bemessung der Sanktionen müssen vorhandene Compliance-Systeme strafmildernd berücksichtigt werden. Nur so schaffen wir Anreize dafür, dass Unternehmen systematisch darauf hinarbeiten, Rechtsverstöße zu vermeiden. Damit betten wir die geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in das Gesetz direkt mit ein."

Höhe von Geldbußen wird klar geregelt
Während nach dem derzeit geltenden Ordnungswidrigkeitenrecht Geldbußen von bis zu einer Milliarde Euro möglich sind, sieht der Gesetzesentwurf aus dem Bundesjustizministerium Strafen von bis zu 10 Prozent des Konzernumsatzes vor. Hinzu kommt die Prangerwirkung eines Sanktionsregisters. Dem stellt der Münchner Entwurf maximale Geldbußen von 200 Millionen Euro zuzüglich Gewinnabschöpfung entgegen.

"Wir halten es für falsch, an das Kartellrecht angelehnte Unternehmensstrafen einzuführen und die Unternehmen öffentlich zu ächten. Für die Beschäftigten hätte dies ebenso dramatische Folgen wie für Aktionäre und Anteilseigner. Auch der Staat würde sich selbst schaden, weil damit die Krise oder der Zusammenbruch von Unternehmen in Kauf genommen wird", so Prof. Dr. Frank Saliger.

Gesetzliche Neuregelung interner Untersuchungen schafft Rechtssicherheit
Ein zentraler Bestandteil des Münchner Entwurfs bildet die gesetzliche Regelung sogenannter interner Untersuchungen. Dabei wird das staatliche Gewaltmonopol in den Mittelpunkt gerückt. Hintergrund ist unter anderem die Entscheidung des Bundes­verfassungsgerichts zur Beschlagnahmung von Ergebnissen einer internen Untersuchung des VW-Konzerns zur Aufklärung des Skandals um manipulierte Diesel-Abgaswerte.

"Eine objektive Aufarbeitung von Vergehen in Unternehmen setzt die enge Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden des Staates voraus. Daher stellen wir in unserem Gesetzesentwurf klar, dass interne Ermittler zur Kooperation mit der Staatsanwaltschaft verpflichtet sind", betont Hans-Peter Huber von Tsambikakis & Partner in Berlin. "In den USA hat sich dieses Prinzip bewährt. Das fängt mit der Auswahl der Kanzlei an. Sie muss wie ein Wirtschaftsprüfer bei der Jahresabschlussprüfung unabhängig sein und laufend an die Staatsanwaltschaft berichten. Zudem müssen Mitbestimmungsorgane wie der Betriebsrat in die interne Untersuchung eingebunden und Mitarbeiter bei Befragungen anwaltlich begleitet werden. Sie genießen dabei denselben Schutz wie bei einer staatlichen Zeugenbefragung."

Gewinnabschöpfung in Milliardenhöhe gefährdet Wirtschaftsstandort
"Ein Generalverdacht gegenüber der Wirtschaft führt nicht zu einer höheren Gesetzestreue der Führungskräfte. Der vorliegende Gesetzesentwurf würde insbesondere kleinere Unternehmen in völlig unverhältnismäßiger Weise belasten. Daher unterstützen wir den Münchner Entwurf als klare Alternative, die den Unternehmen Rechtssicherheit gibt", betont Ulrich Herfurth, Vorsitzender der Bundeskommission Wettbewerbs- und Wirtschaftsrecht des Verbands "Die Familienuntzernehmer" e.V.. "Hohe Geldbußen führen schnell zum Abbau von Arbeitsplätzen in den betroffenen Unternehmen. Damit werden Menschen für etwas bestraft, was andere zu verantworten haben. Der Münchner Entwurf beachtet das Verhältnismäßigkeitsprinzip und klammert kleine Unternehmen aus, die nicht wie Konzerne komplexe Compliance-Systeme schaffen können. Das ist der richtige Weg."
(Tsambikakis & Partner: ra)

eingetragen: 16.09.19
Newsletterlauf: 04.11.19

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