Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2009


Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität in Deutschland bleibt hoch
Bekämpfung der Geldwäsche wird zudem durch neue elektronische Zahlungssysteme im Internet konterkariert


(09.07.10) - In Berlin haben Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière und der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, das Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2009 vorgestellt. Demnach ist die Zahl der OK-Ermittlungsverfahren im vergangenen Jahr erstmals seit zehn Jahren wieder leicht angestiegen. Im Berichtszeitraum 2009 wurden 579 OK-Verfahren geführt (2008: 575).

Hierzu erklärte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière: "Die Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität in Deutschland bleibt hoch. Der rückläufige Trend der Verfahrenszahlen im Bereich der OK-Verfahren hat sich nicht fortgesetzt. In diesem von Kontrolldelikten geprägten Feld bedeutet ein Mehr an Verfahren, dass unsere Ermittler erfolgreich sind. Danken möchte ich daher besonders den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten von Bund und Ländern für ihre hervorragende Arbeit."

Auch im vergangenen Jahr dominierten Verfahren aus dem Bereich der Rauschgiftkriminalität mit einem Anteil von fast 41 Prozent die OK-Lage in Deutschland. Bei der Eigentumskriminalität mit rund 15 Prozent aller OK-Verfahren ging es im vergangenen Jahr hauptsächlich um den Diebstahl von Fahrzeugen, die in Deutschland entwendet und dann nach Polen, in die Ukraine oder nach Litauen verbracht wurden.

Die so genannte Kriminalität i. Z. m. dem Wirtschaftsleben nimmt mit einem Anteil von 13 Prozent aller OK-Verfahren den dritten Rang bei den OK-Delikten ein. Insbesondere Finanzierungsstraftaten wie Anlage- und Kreditbetrug sowie Insolvenzdelikte standen im Mittelpunkt der Tatbegehung. In fast 90 Prozent der in Deutschland geführten OK-Verfahren gab es internationale Bezüge, die sich auf insgesamt 122 Staaten erstreckten.

Bundesinnenminister Dr. de Maizière sagte: "Die Polizei muss mit den Entwicklungen der Organisierten Kriminalität Schritt halten. Deswegen gilt es permanent - und auch in Zeiten knapper Haushalte -, nach Möglichkeiten zur Optimierung der OK-Bekämpfung zu suchen. Der Internationalität der Organisierten Kriminalität müssen wir die Internationalität unserer Strafverfolgungsbehörden entgegensetzen. Transnationale OK-Ermittlungsverfahren erfordern internationale Kooperation und angesichts steigender Komplexität einen hohen Ressourceneinsatz."

OK-Gruppierungen verursachten 2009 mehr als 1,3 Mrd. Euro Schaden; eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um annähernd 100 Prozent (2008: 691 Mio. Euro). Die Gewinne sind ebenfalls erheblich gestiegen: um fast 40 Prozent auf ca. 903 Mio. Euro (2008: 663 Mio. Euro).

Im Jahr 2009 wurden in fast 90 Prozent aller OK-Verfahren Finanzermittlungen durchgeführt. In fast einem Drittel der Verfahren fanden sich Hinweise auf Geldwäsche (186 Verfahren). In knapp einem Viertel der Verfahren ist es gelungen, kriminell erlangtes Vermögen abzuschöpfen. So konnten 113 Millionen Euro vorläufig als Vermögenswerte gesichert werden - ein Rückgang um 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2008: 169,9 Mio. Euro).

BKA-Präsident Jörg Ziercke führte hierzu aus: "Ein entscheidendes Problem bei der Vermögenssicherung ist die internationale Tatbegehung: Gerade in den letzten Jahren beobachten wir die Tendenz, dass insbesondere in OK-Verfahren Straftäter die erlangten Vermögenswerte umgehend ins Ausland transferieren, um sie dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Langwierige justizielle Rechtshilfeersuchen sind die Folge. Zudem verschleiern die Täter ihre Gewinne zunehmend. Die Beweissicherung wird durch den Einsatz neuer Technologien auf der Täterseite immer schwieriger. Die Bekämpfung der Geldwäsche wird zudem durch neue elektronische Zahlungssysteme im Internet konterkariert."

Organisierte Kriminalität zeichnet sich durch einen hohen Grad an Abschottung aus und verhält sich äußerst konspirativ. OK-Ermittlungsverfahren sind hochkomplex und binden deshalb verstärkt Personal sowie technische Ressourcen. In fast zwei Drittel der OK-Verfahren (362) wurden im Jahr 2009 Telekommunikationsüberwachungen durchgeführt.

BKA-Präsident Jörg Ziercke sagte: "Die Zahlen belegen, wie wichtig die Überwachung von Telekommunikation für die Ermittlungsbehörden ist und lassen erahnen, welche Probleme auf uns zukommen, wenn die OK-Gruppen nicht mehr nach klassischem Muster, sondern anonym und verschlüsselt mit Hilfe moderner Technik kommunizieren. Eine Klarstellung, dass auch die verschlüsselte Internettelefonie im Wege der sogenannten Quellen-TKÜ erfasst werden kann, ist daher überfällig. Nach dem Urteil des BVerfG fehlt es außerdem an einer gesetzlichen Speicherverpflichtung der Provider in Bezug auf die Verkehrsdaten."

Im Jahr 2009 wurden insgesamt 9.294 Tatverdächtige ermittelt, rund 2 Prozent weniger als im Vorjahr (2008: 9.472). Deutsche Tatverdächtige stellen mit 3.564 Personen immer noch den höchsten Anteil der Tatverdächtigen (38,3 Prozent), gefolgt von türkischen (855 Verdächtige) und italienischen (323 Verdächtige) Staatsangehörigen.

Die italienische OK ist seit den Mafia-Morden von Duisburg stärker in den Fokus der OK-Bekämpfung in Deutschland gerückt. Die Anzahl italienisch dominierter OK-Gruppen (30) ist im Vergleich zum Vorjahr (2008: 18) wieder angestiegen. Bei ihren kriminellen Aktivitäten standen insbesondere Kokainhandel und -schmuggel, aber auch Kriminalität i.Z.m. dem Wirtschaftsleben (Betrugsdelikte) sowie Steuer- und Zolldelikte (Steuerhinterziehung) im Vordergrund.

Kriminelle Rockergruppierungen spielen in typischen OK-relevanten Deliktsfeldern eine bedeutende Rolle. 2009 richteten sich 21 OK-Verfahren ausschließlich gegen von deutschen Staatsangehörigen dominierte Rockergruppierungen (2008: 15). In zehn dieser Ermittlungsverfahren lag die Hauptaktivität der Rockergruppierungen im Rauschgifthandel und -schmuggel, in neun Verfahren im Bereich Gewaltkriminalität und in zwei Verfahren im Bereich Waffenhandel und Waffenschmuggel.

Ein OK-Verfahren richtete sich gegen eine türkisch dominierte und ein weiteres gegen eine durch Schweizer dominierte Rockergruppierung. Zusätzlich wurden 17 Verfahren gegen OK-Gruppen mit Verbindungen zu Rockergruppierungen geführt.

Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière betonte hierbei: "Bund und Länder haben auf der letzten Innenministerkonferenz beschlossen, eng zusammen zu arbeiten und alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten auszuschöpfen, um dem Phänomen der Rockerkriminalität entschieden entgegenzutreten."

Abschließend unterstrich der Bundesinnenminister seine Überlegungen in Bezug auf die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handels: "Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung klaffen gravierende Schutzlücken. Hier bedarfes dringend einer gesetzlichen Neuregelung. Außerdem will ich die Möglichkeiten der konsequenten Abschöpfung krimineller Vermögen weiter verbessern. Der Satz, dass sich Verbrechen nicht lohnen darf, gilt natürlich immer, aber ganz besonders bei der Organisierten Kriminalität". (Bundeskriminalamt: ra)


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