Verbraucherschutz wird nicht ernst genommen


Studie: Verbraucherschutz bei Vermögensanlagen mangelhaft
Compliance im Bankenwesen: Kurzinformationen für Vermögensanlagen sind nicht gesetzeskonform

(27.06.13) - Seit Juni 2012 müssen Anbieter, die geschlossene Fonds oder andere Kapitalanlagen wie Genussrechte oder Namensschuldverschreibungen vertreiben, ihren Kunden ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) zur Verfügung stellen. Es muss in kurzer und verständlicher Form alle wesentlichen Fakten zu dem Anlageprodukt, seinen Chancen, Risiken und Kosten sowie den Provisionen für den Vermittler enthalten. Eine Untersuchung der Stiftung Warentest, die zusammen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) entwickelt wurde, zeigt jetzt, dass kein einziges der untersuchten VIBs alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt.

"Es ist alarmierend, dass die gesetzlichen Vorgaben und damit der Verbraucherschutz so wenig ernst genommen werden. Wenn bereits die Kurzinformation mangelhaft ist, wird es um die Qualität der angebotenen Produkte kaum besser stehen", sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin des vzbv.

Ein VIB soll Kunden über Chancen und Risiken des Anlageprodukts aufklären. Der Untersuchung zufolge werden jedoch schon einfachste Vorschriften missachtet: Jedes vierte der 67 Unternehmen, die im März eine Vermögensanlage verkauften, für das sie ein Informationsblatt bei der BaFin hinterlegten, verstieß gegen die Pflicht, dieses auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. Insgesamt 24 Kurzinformationen wurden daraufhin untersucht, wie sie die im Gesetz festgelegten Informationspflichten umsetzten. Lediglich ein Informationsblatt beschrieb das Produkt zumindest grundsätzlich im Detail. Alle anderen blieben ungenau und gingen nicht ausreichend auf konkrete Konditionen der jeweiligen Vermögensanlage ein.

Vermögensanlagen für Privatanleger ungeeignet
"Die ernüchternden Ergebnisse und die Erfahrungen aus der Finanzberatung der Verbraucherzentralen belegen, dass mangelhafte Informationen und Falschberatung bei geschlossenen Fonds und anderen nicht börsengehandelten Beteiligungsinstrumenten ein Thema bleiben. Wir brauchen weitergehende Schutzvorschriften", sagt Mohn.

Der vzbv spricht sich dafür aus, den aktiven Vertrieb solcher Vermögensanlagen an Privatanleger zu verbieten. Denn die Komplexität und mangelhafte Regulierung machten es Verbrauchern nahezu unmöglich, die Werthaltigkeit und Risiken dieser Produkte realistisch einzuschätzen. Ein adäquater und unabhängiger Kaufpreis, der an der Börse gebildet wird, fehle. Hinzukomme das Risiko eines Totalverlusts. Damit seien die Produkte kaum für Privatanleger geeignet. Auch die geplante EU-Richtlinie zur Regulierung alternativer Investmentfonds sehe deshalb grundsätzlich keinen Vertrieb derartiger Vermögensanlagen an Privatanleger vor. Sie erlaube es den Mitgliedsstaaten lediglich, davon abzuweichen. Leider mache davon Deutschland als fast einziges Land in der EU Gebrauch.

Um die Risiken für Anleger durch den Vertrieb von Vermögensanlagen zu reduzieren, sind aus Sicht des vzbv schärfere Schutzvorschriften geboten:

Die Empfehlung und Vermittlung solcher Produkte sollte gesetzlich maximal bis zu einer Höhe von fünf Prozent des freien Vermögens eines Privatanlegers erlaubt sein.

Das Bundesfinanzministerium sollte von der Verordnungsermächtigung, die das Vermögensanlagengesetz vorsieht, Gebrauch machen und einheitlich klare Standards für die Vermögensanlagen-Informationsblätter setzen.

Die Kurzinformation des Vermögensanlagen-Informationsblatts muss auf einen Blick und in drucktechnisch hervorgehobener Form das maximale Verlustrisiko der Anlage deutlich machen und eine Aussage darüber enthalten, wer unter welchen Voraussetzungen als Anleger für die jeweilige Vermögensanlage geeignet ist, wie etwa:

"Die Anlage kann mit einem Totalverlust verbunden sein und ist nur für Anleger geeignet, die einen solchen Totalverlust finanziell tragen können und bereit sind einen solchen hinzunehmen. Die Beteiligungen sind oft nur schwer wieder zu veräußern und eignen sich nicht zur Altersvorsorge."

Finanzmarktwächter kann Verbraucherschutz stärken
Ob diese Maßnahmen ausreichen, muss eine systematische, verbraucherbezogene Marktbeobachtung prüfen. Der vzbv fordert darum die Einführung eines Finanzmarktwächters: Auf Basis der Beschwerden in den Verbraucherzentralen kann er frühzeitig neue Entwicklungen ermitteln, nachhalten und transparent machen, wie eine Regulierung wirkt. Mit seinen Erkenntnissen kann er die staatliche Kontrolle und politische Entscheidungen unterstützen. "Der Finanzmarktwächter wirkt präventiv. So lässt sich eingreifen, bevor Verbrauchern Verluste entstehen", so Mohn. (vzbv:ra)

Verbraucherzentrale Bundesverband: Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Studien

  • Financial Crime Compliance-Kosten

    LexisNexis Risk Solutions hat ihren alljährlichen True Cost of Financial Crime Compliance Report veröffentlicht. Der Report zeigt, wie Finanzinstitute die Kosten und Herausforderungen bewältigen, die mit den sich ständig weiterentwickelnden Financial Crime Compliance-Vorschriften einhergehen.

  • Mobilitätszuschuss beliebtester Benefit

    Denn sie wissen nicht, was sie tun: Der Fachkräftemangel hält HR-Abteilungen bundesweit auf Trapp, doch scheinen viele Unternehmen die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden nicht gut zu kennen. Dadurch schießen sie mit ihren Maßnahmen für Mitarbeiterbindung oft am Ziel vorbei. Dies zeigen Daten des Circula Benefits-Reports 2023/24, für die im August 1000 deutsche Arbeitnehmer sowie 251 HR- und Finanzentscheider befragt wurden.

  • Herausforderung ESG-Regulatorik

    Die Transformation zum Business Partner ist zwar schon seit Jahren ein festes Ziel von CFOs, aber erst die Auswirkungen der Multi-Krise aus Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Lieferketten-Störungen und Inflation sowie die großen Zukunftsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit rücken Finanzvorstände stärker ins Zentrum der Unternehmenssteuerung. So nehmen 85 Prozent der CFOs den zunehmenden Druck zur Digitalisierung als Treiber für große Veränderungen in den kommenden Jahren wahr. Zusätzlich beschäftigt rund 80 Prozent der CFOs die ESG-Regulatorik - und hier insbesondere die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten -, während 76 Prozent zeitgleich die Bewältigung der Folgen der aktuellen Krisenherde als wichtigste Zukunftsaufgabe sehen. Nur 40 Prozent der Finanzchefs schätzen, dass ihr Bereich derzeit sehr oder eher gut aufgestellt ist, um auf Krisen zu reagieren.

  • Compliance als treibende Kraft

    Die überwältigende Mehrheit der Unternehmen setzt mit ihren Meldekanälen auf Best Practice und ermöglicht es Hinweisgebenden, Missstände oder Gesetzesverstöße über digitale Systeme anonym zu melden.

  • Europa auf dem Weg zum Ausweis auf dem Smartphone

    Mit der Einigung zur eIDAS 2.0-Verordnung macht Brüssel den Weg frei für den elektronischen Handy-Ausweis. Dazu soll eine so genannte "EU Digital Identity Wallet" eingeführt werden - also eine digitale Brieftasche, in der ein elektronischer Personalausweis und weitere digitale Identitäten gespeichert werden können.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen