Kein Beweis für Abschalteinrichtung


VW-Abgasskandal: Der Hinweis auf sogenanntes Cycle-beating fand sich in einem Konzeptentwurf des Umweltbundesamtes (UBA) von Anfang 2008
Professor Uwe Lahl, damals Abteilungsleiter für Immissionsschutz, Gesundheit und Verkehr im Umweltministerium, sagte im Ausschuss, es habe den Verdacht gehabt, "dass da was ist"



Im Bundesumweltministerium gab es bereits 2007/2008 den Verdacht, dass mittels einer speziellen Software die Abgase von Dieselmotoren auf dem Rollenprüfstand beeinflusst werden können. Mehrere Vertreter des Ministeriums bestritten aber, Kenntnis von einer illegalen Abschalteinrichtung gehabt zu haben. Der Hinweis auf sogenanntes Cycle-beating fand sich in einem Konzeptentwurf des Umweltbundesamtes (UBA) von Anfang 2008. Professor Uwe Lahl, damals Abteilungsleiter für Immissionsschutz, Gesundheit und Verkehr im Umweltministerium, sagte im Ausschuss, es habe den Verdacht gehabt, "dass da was ist". Hinweise auf cycle-beating seien aus der NGO-Szene und von mindestens einem UBA-Mitarbeiter an ihn herangetragen worden.

Es habe aber keinerlei Beweise gegeben. Man habe auch keinen Vorschlag gehabt, wie man den Nachweis hätte führen können. Er habe die Hinweise für eine "abenteuerliche Geschichte" gehalten und würde es ohne das VW-Eingeständnis immer noch tun. Gleichwohl habe er die Hinweise ernst genommen, sagte Lahl, der heute Amtschef im baden-württembergischen Verkehrsministerium ist.

Auch Hubert Steinkemper, damals Unterabteilungsleiter unter Lahl, verneinte, Kenntnis von Betrugssoftware für Abgasmanipulationen gehabt zu haben. "Den Hinweis hatte ich nicht", sagte Steinkemper, der 2013 aus Altersgründen aus dem Ministerium ausschied. Was Volkswagen getan habe, hätte er nicht für möglich gehalten. Die Passage des UBA, in der von der Möglichkeit von Cycle-beating die Rede sei, sei abstrakt gewesen. Sie sei auch nicht gestrichen worden, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" geschrieben habe.

Vielmehr sei er dahingehend modifiziert worden, dass in Verdachtsfällen Überprüfungen vorgenommen werden sollen. Dass Fahrzeugelektronik erkennen kann, wenn sich ein Auto auf dem Rollenprüfstand befindet, ist nach Aussage des Abgas-Fachreferenten im Ministerium, Oliver Eberhardt, bekannt und teilweise sogar technisch notwendig, etwa bei Allradmodellen. Steinkemper plädierte für stringentere Regeln, wann die Abgasnachbehandlung abgeschaltet werden kann. Dies ist aus Gründen des Motorschutzes bislang erlaubt, die Regeln werden von den Herstellern aber extrem ausgereizt.

Das Umweltbundesamt sollte im Auftrag des Umweltministeriums Anfang 2008 ein Konzept für Feldüberwachungen erstellen, um zu testen, ob Fahrzeuge auch im Betrieb und nicht nur bei der Typzulassung die Abgasgrenzwerte einhalten. Die Abstimmung zwischen Ministerium und UBA nannte Lahl "holprig". Ein erstes Konzept war dem Ministerium zu dünn, ein weiteres zu weitgehend. Um das Verkehrsministerium zu gewinnen, wurde es geglättet. "Die Begeisterung war nicht übermäßig ausgeprägt beim Verkehrsminister", sagte Steinkemper.

Als letzten Zeugen am Abend befragte der Ausschuss Jochen Flasbarth, von 2009 bis 2013 UBA-Präsident und seitdem Umweltstaatssekretär. Bei seinem Amtsantritt im Umweltbundesamt sei er gleich zu Beginn auf die Stickoxid-Problematik der Dieselfahrzeuge hingewiesen worden. Man habe daher auf die schnelle Einführung der Euro-6-Norm und der realitätsnäheren RDE-Tests (Real Driving Emissions) gedrängt. Diese sollen 2017 Kraft treten. Von der Betrugssoftware hat Flasbarth nach eigener Aussage ebenfalls erst mit dem VW-Eingeständnis im September 2015 erfahren.

An der Aufarbeitung des Skandals war das Umweltministerium dem Staatssekretär zufolge nicht beteiligt. Dies oblag dem Verkehrsministerium, das eine eigene Untersuchungskommission einsetzte. Deren Ergebnisse habe er trotz hohem Interesse an frühzeitiger Information erst kurz vor Veröffentlichung telefonisch und in groben Zügen von Verkehrsstaatssekretär Michael Odenwald erfahren. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 28.10.16
Home & Newsletterlauf: 08.11.16


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen