Verfahren kann Kfz-Steuersatz verändern


Zur Anwendung kommt in Zukunft eine weltweit harmonisierte Testprozedur zur Ermittlung der Abgas-Emissionen leichter Kraftfahrzeuge
Steuererhöhung durch die Hintertür? - Die internationalen Kraftfahrzeughersteller protestierten: Erste Untersuchungen hätten gezeigt, dass mit einer durchschnittlichen Erhöhung der Emissionen um 20 Prozent zu rechnen sei



Automobilhersteller befürchten durch die Einführung eines neuen Messverfahrens für den Kohlendioxid-Ausstoß bei Kraftwagen Erhöhungen der Kraftfahrzeugsteuer. Die von der Bundesregierung geplante Umstellung des Messverfahrens führe zu einer Erhöhung des Kohlendioxid-Ausstoßes, ohne dass die Fahrzeuge technisch oder in ihrer Effizienz verändert würden, erklärte der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses.

Grundlage der Anhörung war der von der Deutschen Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (18/11234). Danach sollen die Kohlendioxid-Werte von neuen Personenkraftwagen ab dem 1. September 2018 nach einem anderen Verfahren ermittelt werden. Zur Anwendung komme in Zukunft eine weltweit harmonisierte Testprozedur zur Ermittlung der Abgas-Emissionen leichter Kraftfahrzeuge ("Worldwide harmonized light duty test procedure" - WLTP). Ohne die Übernahme des neuen Verfahrens wäre eine sachgerechte, gleichmäßige Besteuerung nicht möglich. Der Stichtag 1. September 2018 soll auch für die Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer gelten, heißt es in dem Entwurf.

Die internationalen Kraftfahrzeughersteller protestierten: Erste Untersuchungen hätten gezeigt, dass mit einer durchschnittlichen Erhöhung der Emissionen um 20 Prozent zu rechnen sei. Damit werde es auch zu einer Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer kommen. Die Umstellung der Kfz-Steuer dürfe jedoch nicht zu einer Schlechterstellung neuer und technisch identischer Fahrzeuge führen. Auch habe die Koalition Steuererhöhungen in der laufenden Legislaturperiode ausgeschlossen. Das jetzige Vorhaben sei eine "Steuererhöhung durch die Hintertür".

Auch der Verband der Automobilindustrie sprach von einer 20-prozentigen Erhöhung des Kohlendioxidausstoßes durch das neue Messverfahren. Konsequenz sei eine Erhöhung des Kraftfahrzeugsteueraufkommens um 435 Millionen Euro bis zum Jahr 2022 durch das neue Messverfahren. Auch der VDA argumentierte, diese Erhöhung stehe im Widerspruch zur Koalitionsvereinbarung. Eine Umstellung des Messverfahrens dürfe nicht auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen werden. Der Verband schlug einen Abschlagfaktor beim Steuertarif vor, um Autofahrer nicht stärker zu belasten.

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft machte eine Gegenrechnung zu den Herstellern auf: Die auf Prüfständen festgestellten Kohlendioxid-Werte würden erheblich von den tatsächlichen Werten abweichen. Innerhalb von zehn Jahren sie die Diskrepanz von zehn auf 40 Prozent gestiegen. Das führe neben den Auswirkungen auf Verbraucher, Politik, Umwelt, Klima und Gesundheit zu erheblichen Mindereinnahmen bei der Kfz-Steuer, die Björn Klusmann vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft auf rund 1,08 Milliarden Euro bezifferte. Das seien etwa zwölf Prozent des gesamten Kfz-Steueraufkommens.

Auch andere Sachverständige beurteilten den Gesetzentwurf positiv. Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe zeigte sich froh, dass man mit dem Gesetzentwurf einem realistischen Ergebnis einen Schritt näher komme. Matthias Knobloch vom Automobilclub Europa (ACE) erklärte, der Sprung bei der Kfz-Steuer sei keine echte Steuererhöhung, sondern eine Anpassung der Steuer an die Realität. So könnte die Steuer bei einem normalen TSI-Benziner von 63 Euro auf 115 Euro steigen. Bei einem Diesel würde die Steuer von 160 auf 210 Euro steigen. Damit liege die Kfz-Steuer immer noch auf einem niedrigen Niveau. Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) bezeichnet es als "gerecht und rechtlich geboten", die Steuer nach dem WLTP-Verfahren zu erheben. Insgesamt sei eine grundlegende Reform der Kraftfahrzeugsteuer, die auf den Klimaschutzplan 2050 abziele, notwendig.

Ob die Steuer überhaupt steigt, ist nach Ansicht von Professor Frank Hechtner (Freie Universität Berlin) ungewiss. Zwar berücksichtige das neue WLTP-Verfahren insbesondere Teile der Sonderausstattung, eine längere Fahrstrecke und höhere Geschwindigkeiten, so dass ein Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen je Kilometer nicht ausgeschlossen werden könne. Andererseits könne es Fallkonstellationen geben, in denen nach dem neuen Verfahren geringere Emissionen gemessen würden. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 26.04.17
Home & Newsletterlauf: 16.05.17


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen