Steuerverluste in Entwicklungsländern


Mindereinnahmen durch Unternehmenssteuervermeidung über Steueroasen auf 400 Milliarden Dollar für die OECD-Staaten
Und rund 200 Milliarden Dollar Mindereinnahmen für die Länder des globalen Südens



Steuervermeidung und Steuerhinterziehung betreffen Entwicklungsländer in besonderem Maße. Dies stellten mehrere Sachverständige am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses fest. Gründe seien die schmale Steuerbasis, einseitige Wirtschaftsstrukturen und eine ineffiziente Steuerverwaltung. Der Ausschuss hatte zwölf Experten geladen, um sich über die "Auswirkungen von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung auf die Entwicklungsländer" zu informieren.

Christian von Haldenwang vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik sprach von "zwei großen Mechanismen", die das Steueraufkommen in Entwicklungs- und Schwellenländer schmälern würden: "Reiche Individuen entziehen sich ihrer Steuerpflicht, indem sie Gelder ins Ausland abziehen und falsche Angaben zu Einkommen und Vermögen machen. Große, international operierende Unternehmen nutzen zwischenstaatliche Gesetzes- und Regulierungslücken und verlagern profitträchtige Aktivitäten künstlich in Staaten mit besonders niedriger Steuerquote."

Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezifferte die Mindereinnahmen durch Unternehmenssteuervermeidung über Steueroasen auf 400 Milliarden Dollar für die OECD-Staaten und rund 200 Milliarden Dollar für die Länder des globalen Südens. Er berief sich dabei auf Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Wie von Haldenwang berichtete auch Meinzner von der "Offshore-Flucht wirtschaftlicher und politischer Eliten". Oft führe diese Flucht in die "Steueroase Deutschland". Nach Zahlen der Bundesbank würden 2,5 bis drei Billionen Euro verzinste Anlagen von Steuerausländern auf Konten in Deutschland liegen.

Meinzner bezifferte den Verlust durch Unternehmenssteuervermeidung in Entwicklungsländern auf sechs bis 13 Prozent der Steuereinnahmen. Dagegen liege der Verlust der OECD-Länder bei zwei bis drei Prozent. Richard Murphy (Tax Resarch LLP) bezifferte den Verlust der Entwicklungsländer auf 100 bis 200 Milliarden Euro im Jahr. Auch David Nguyen-Thanh (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) sagte, den Entwicklungsländern würden durch illegale Steuerpraktiken wichtige Einnahmen für die nachhaltige Entwicklung und den Aufbau eines leistungsfähigen Staates entgehen.

Mehrere Sachverständige wiesen darauf hin, dass durch ein unzulängliches Besteuerungssystem die indirekten Steuern eine zu geringe Rolle in Entwicklungsländern spielen würden. Pascal Saint-Amans (OECD) bestätigte, dass diese Länder stärker von den Ertragsteuern abhängen würden als entwickelte Länder.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie bestätigte dies: "Hohe Steuerausfälle in Entwicklungsländern sind auch auf ein oft unvollkommenes Steuersystem, eine ineffiziente Steuerverwaltung und eine damit verbundene unzureichende Durchsetzung von Steueransprüchen zurückzuführen. Darüber hinaus besteht aufgrund einer potenziell hohen Schattenwirtschaft und damit einhergehenden Umsatz- und Einkommensteuerausfällen eine überproportionale Abhängigkeit vom Steueraufkommen der Unternehmen", erklärte Berthold Welling, Leiter der BDI-Steuerabteilung. Auf einen anderen Aspekt machte Reimar Pinkernell (Flick Glocke Schaumburg) aufmerksam: Danach liefern sich Entwicklungsländer untereinander einen schädlichen Steuerwettbewerb, den Pinkernell als "tax holidays" bezeichnete.

In diesem Zusammenhang fragten Abgeordnete auch nach der Offenlegung von Steuerdaten internationaler Konzerne, die damit beziffern sollen, wie hoch die Gewinne in verschiedenen Ländern waren und wie diese versteuert wurden. Wolfgang Haas (BASF) lehnte eine Veröffentlichung dieser Daten ab, weil er keinen Nutzen in der Veröffentlichung erkennen könne. Die Steuerbehörden hätten diese Daten.

Ein Problem seien in diesem Zusammenhang Staaten wie die USA, die eine Veröffentlichungspflicht ablehnen würden. Professor Eckehart Reimer sagte, diese Daten seien grundrechtlich geschützt. Auch er verwies auf die US-Behörden, die zum Beispiel über die FACTA-Abkommen an vielen Daten aus anderen Ländern kämen, aber selbst nichts zurückliefern würden. Es sei "entscheidend", dass die USA mit ins Boot kommen würden. Über eine Pflicht der Veröffentlichung von Unternehmensdaten müsse mit den USA diskutiert werden. Saint-Amans bezeichnete die Veröffentlichung von Steuerdaten als wichtig und forderte, Steuern müssten dort bezahlt werden, wo die wirtschaftliche Entwicklung stattfinde. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 29.06.16
Home & Newsletterlauf: 28.07.16


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen