Wirtschaft warnt vor Belastungen


Fachgespräch des Finanzausschuss: Niedrigbesteuerung in einem Land sei noch lange keine Steuerschädlichkeit - Es müssten andere Dinge hinzukommen, etwa eine Subventionierung
Große Geldwäschefälle und systematische Steuerhinterziehung würden oft durch öffentliche Berichterstattung aufgedeckt



Vertreter der deutschen Wirtschaft haben in einem öffentlichen Fachgespräch des Finanzausschusses vor weiteren Belastungen der Unternehmen vor dem Hintergrund des stärker werdenden internationalen Steuerwettbewerbs gewarnt und sich gegen Versuche ausgesprochen, eine neue Digitalsteuer einzuführen. Im Zusammenspiel mit der bereits erfolgten Umsetzung der internationalen Vorschläge gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen (sogenannte BEPS-Maßnahmen) habe sich die Ausgangslage der Wettbewerbsfähigkeit für die deutschen Unternehmen deutlich verschlechtert, erklärte Berthold Welling vom Verband der Chemischen Industrie in seiner Stellungnahme und stellte fest: "Nach wie vor versteuern viele Unternehmen mit einem Stammhaus in Deutschland einen überproportional hohen Anteil ihrer Gewinne in Deutschland." Trotz BEPS habe sich der Steuerwettbewerb erhöht. Welling verlangte eine Entlastung der Unternehmen.

Als Exportland könne sich Deutschland langfristig keine höhere Steuerbelastung der Unternehmen als andere Staaten leisten, erklärte auch Wolfgang Haas, Vorsitzender des Steuerausschusses des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI): "Der zunehmende internationale Steuerwettbewerb erhöht den Druck, den Wirtschaftsstandort Deutschland international wettbewerbsfähig zu halten und Investitionen in Deutschland steuerlich zu unterstützen." Die Gesamtbelastung der in Deutschland tätigen Unternehmen sollte an das international niedrigere Niveau angepasst werden. Nach Angaben von Haas liegt in der chemischen Industrie der Inlandsanteil des Umsatzes bei 18 bis 20 Prozent der weltweiten Konzernumsätze. Dagegen betrage der in Deutschland gezahlte Anteil der Ertragsteuern im Verhältnis zu den weltweiten Ertragsteuern 40 bis 60 Prozent.

Ähnlich argumentierte Walter Thumbs, Leiter Steuern der Profunda Verwaltungs-GmbH. Er warnte davor, mit Blick auf die digitale Wirtschaft neue Steuern einzuführen, die letztlich nur die exportorientierte deutsche Wirtschaft treffen würden. Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft wird derzeit von der OECD geprüft. Deren Vertreter Achim Pross kündigte in dem Fachgespräch an, es würden dauerhafte Lösungen im Rahmen des Körperschaftsteuersystems erarbeitet. Das werde nicht einfach sein. Als besonders schwierig bezeichnete Pross die Aufteilung der Gewinne.

Pross erklärte, eine Niedrigbesteuerung in einem Land sei noch lange keine Steuerschädlichkeit. Es müssten andere Dinge hinzukommen, etwa eine Subventionierung. Reimar Pinkernell (Flick Gocke Schaumburg) erinnerte in seiner Stellungnahme an die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach die Ausnutzung eines niedrigen Steuerniveaus in einem anderen Mitgliedstaat keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit darstelle, wenn der Steuerpflichtige dort eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe. Effizient wirtschaftende Staaten könnten die Steuerbelastung der bei ihnen niedergelassenen Unternehmen senken und sich so einen Standortvorteil sichern. Unternehmen wiederum könnten ihre Tätigkeit dort ausüben, wo sich die größte Rendite erwirtschaften lasse. Zugleich stellte Pinkernell fest, dass internationaler Konzerne "mit zum Teil verblüffenden Tricks" Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagert hätten, in denen keine echte Wertschöpfung stattgefunden habe.

Staatliche Akteure hätten sich als "Anstifter und Gehilfen betätigt, wozu allerdings nicht nur die berüchtigten karibischen Steueroasen, sondern auch EU-Länder gehören würden. Dagegen habe der deutsche Fiskus nur beschränkte Abwehrmöglichkeiten, weil Investitionen in anderen EU-Mitgliedstaaten durch Doppelbesteuerungsabkommen und Unionsrecht geschützt würden. Pinkernell stellte kritisch fest, es gebe nicht nur einen allgemeinen Steuerwettbewerb zwischen den großen Industriestaaten, sondern zwischen einigen europäischen Niedrigsteuerländern sei es zu einem "beschleunigten Unterbietungswettlauf" gekommen.

Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit verlangte mehr Transparenz als Instrument für wirksame Kontrolle. Große Geldwäschefälle und systematische Steuerhinterziehung würden oft durch öffentliche Berichterstattung aufgedeckt. Die bestehenden Registrierungs- und Informationspflichten könnten viel zu leicht umgangen werden. "Mieter sind oft nicht in der Lage herauszufinden, wer ihnen ihre Wohnung vermietet, Konsumenten können nicht beurteilen, welche Unternehmen ihren fairen Anteil an Steuern zahlen, korrupte Funktionsträger, Kriminelle und Terroristen bleiben gegenüber ihren Geschäftspartnern, Banken und gegenüber den Behörden unerkannt", so Trautvetter in seiner Stellungnahme.

Jan Strozyk (Norddeutscher Rundfunk) erklärte, die Enthüllungen der letzten Jahre hätten das "innerste einer hocheffizienten, ausgesprochen professionellen Schattenfinanz-Industrie gezeigt, die allein das Interesse der Verdunkelung verfolge. Thomas Eigenthaler (Deutsche Steuer-Gewerkschaft) meinte, Transparenz und Meldepflichten könnten noch verbessert werden. Es sei aber auch viele Maßnahmen getroffen worden, die erst langsam greifen würden.

Thumbs wunderte sich in dem Fachgespräch, dass die Forderung nach mehr Transparenz mit dem Beispiel der Cum/Ex-Transaktionen zu untermauern versucht werde. Das Beispiel beweise gerade das Gegenteil: Die Cum/Ex-Transaktionen seien jahrelang innerhalb der Finanzverwaltung und im Finanzministerium bekannt gewesen. "Falls nicht gehandelt wurde, so hat das sicher nichts mit mangelnder Transparenz zu tun", sagte Thumbs.

Grundlage des Fachgesprächs waren vier Anträge. So wendet sich die SPD-Fraktion in einem Antrag (19/233) gegen "unfairen Steuerwettbewerb" und fordert im Lichte der sogenannten Paradise-Papers unter anderem von der Bundesregierung, sich bei OSZE und EU für ein stärkeres Engagement in diesem Bereich einzusetzen. So soll die "Schwarze Liste" der EU mit Steueroasen auch EU-Staaten enthalten können. Die Linke setzt auf ein härteres Vorgehen gegen internationale Steuervermeidung und Geldwäsche. In ihrem Antrag (19/219) fordert die Fraktion von der Bundesregierung unter anderem Gesetzentwürfe und EU-Initiativen, damit Steueroasen und Offshore-Finanzzentren klar identifiziert werden können. Mit Ländern, die auf der "Schwarzen Liste" der Steueroasen stehen, sollen nach Willen der Linken Doppelbesteuerungsabkommen gekündigt werden.

Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/227), zur Sicherung eines fairen Steuerwettbewerbs gegen "verdeckte Subventionen und Wettbewerbsverzerrungen" vorzugehen. Unter anderem wird verlangt, perspektivisch das deutsche Steuersystem "drastisch" zu vereinfachen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will in einem Antrag (19/239) sogenannte Steuersümpfe trocken legen. Im Nachgang der sogenannten Paradise-Papers fordert die Fraktion unter anderem, eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen einzuführen. In Europa soll nach Willen der Grünen auf eine gemeinsame Steuerbemessungsgrundlage und einen europäischen Mindeststeuersatz hingearbeitet werden. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 19.05.18
Newsletterlauf: 11.06.18


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