50-Prozent-Klausel im Tarifvertragsgesetz ändern


Experten bestätigen Reformbedarf im Tarifvertragsgesetz
Erheblichen Reformbedarf bei den Regelungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) - Derzeit seien nur etwa 0,65 Prozent alle Tarifverträge allgemeinverbindlich


(17.02.12) - Die Vorschläge der Opposition, die 50-Prozent-Klausel im Tarifvertragsgesetz zu ändern, stoßen bei Experten auf ein weitgehend positives Echo. Das wurde in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales deutlich, die sich mit drei Anträgen der Opposition (17/8459, 17/8148, 17/4437) zum Tarifsystem in Deutschland befasste.

Die 50-Prozent-Klausel im Tarifvertragsgesetz besagt, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Tarifverträge auf Antrag der Tarifparteien für allgemeinverbindlich erklären kann, wenn erstens ein öffentliches Interesse daran besteht und zweitens die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens die Hälfte aller unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Personen beschäftigen. SPD, Linke und Grüne wollen dieses System der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) reformieren, um in mehr Branchen als bisher Mindestlohnstandards beziehungsweise Mindestlöhne durchzusetzen. Die 50-Prozent-Hürde halten sie angesichts der sinkenden Tarifbindung in Deutschland für nicht mehr zeitgemäß. Darüber hinaus plädieren sie für eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) auf alle Branchen.

Der Arbeitsrechtler Ralf Wank sagte, die 50-Prozent-Klausel sei zu Zeiten angemessen gewesen, als es noch eine stärkere Tarifbindung in Deutschland gab. Angesichts der ständig abnehmenden Tarifbindung sei eine Senkung dieses Schwellenwertes auf beispielsweise 40 Prozent, wie es die Grünen vorschlagen, angebracht.

Auch Franz-Josef Düwell, bis 2011 Vorsitzender des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts, machte einen erheblichen Reformbedarf bei den Regelungen der AVE aus. Derzeit seien nur etwa 0,65 Prozent alle Tarifverträge allgemeinverbindlich, rechnete er vor. Sie erfüllten demnach für den Arbeitsmarkt nur eine marginale Funktion. Das 50-Prozent-Quorum sollte nach Ansicht Düwells für den Erlass einer Rechtsverordnung keine Voraussetzung sein. Ein zahlenmäßig festgelegtes Quorum führe immer nur zu Rechtsstreitigkeiten, argumentierte er.

Florian Rödl, Arbeitsrechtler aus Frankfurt am Main, sagte, es sei dringend geboten, das 50-Prozent-Quorum zugunsten der Repräsentativität abzulösen und verwies, wie Düwell, auf "erstaunliche Schwierigkeiten" bei der Handhabung aus juristischer Sicht.

Kritisch bewerteten einige Experten den Vorschlag, das AEntG auf alle Branchen auszudehnen. Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks bezeichnete dies als "überflüssig". Bereits jetzt hätten die einzelnen Wirtschaftsbranchen die Möglichkeit, die Aufnahme in das AentG zu beantragen und ihre Tarifverträge über das Gesetz über den Weg der AVE erstrecken zu lassen, sagte er.

Einer solchen Ausweitung erteilte auch Ralf Wanke eine Abfuhr. Dies widerspräche dem Grundgedanken des Gesetzes, betonte er.

Für Rainer Huke von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sei eine Ausweitung deshalb "falsch", weil das Gesetz Entsendungsprobleme lösen soll und die gäbe es nun einmal nicht in allen Branchen. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Internationale Standards und Normen

    Nach Ansicht der Bundesregierung werden im Amtsblatt der EU veröffentlichte harmonisierte europäische Normen nicht generell Teil des Unionsrechts, auch wenn die EU-Kommission aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine andere Meinung vertritt. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (20/15026) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14834).

  • Treibhausgas (THG)-Emissionen

    Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken,wobei alle Sektoren bis auf den Verkehr Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen hervor (20/14900).

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

  • Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung

    Über die Beschaffung und den Einsatz von IT-(Sicherheits-)Produkten durch den Bund als öffentlichen Auftraggeber informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14887) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (20/14226). Unter der Überschrift "Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung" wird darin ein umfassender Überblick über die Beschaffung und Zulassung von einzelnen IT-Sicherheitsprodukten und -diensten gegeben.

  • Aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen

    Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort (20/14693) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/14379) die zu Ende 2024 erfolgte Änderung der Richtlinien für eine aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Bereits die bis November 2024 geltenden Regelungen hätten vorgesehen, dass Mitglieder des Bundestages "in Ausnahmefällen" in Aufsichtsgremien von Unternehmen mit Bundesbeteiligung berufen werden können, heißt es in der Antwort.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen