Benachteilung von Frauen im Wissenschaftssystem


Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen in der Wissenschaft - Jetziges Problem: Je höher die Hierarchiestufe, desto geringer der Frauenanteil
Ulla Burchardt (SPD): "Überall da, wo entschieden wird, sind kaum Frauen"


(19.06.12) - Die Gleichstellung von Frauen und Männern im Wissenschaftsbetrieb ist zwar vorangekommen, aber bei weitem nicht ausreichend: Je höher die Hierarchiestufe, desto geringer der Frauenanteil. Das ist das Fazit einer Öffentlichen Anhörung "Frauen in Wissenschaft und Forschung" des Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. "Überall da, wo entschieden wird, sind kaum Frauen", sagte die Ausschussvorsitzende Ulla Burchardt (SPD) in ihrem Eingangsstatement.

Jutta Dalhoff, vom GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, forderte, die vorhandenen Programme weiterzuentwickeln. Viele Instrumente wie die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der Deutschen Forschungsgemeinschaft aus dem Jahr 2008 hätten eine "positive gleichstellungspolitische Dynamik" entfaltet. Der Frauenanteil der Professuren in Deutschland habe sich über alle Fächer hinweg von 10,6 Prozent im Jahr 2000 auf 19 Prozent im Jahr 2010 entwickelt.

Edit Kirsch-Auwärter, Gleichstellungsbeauftrage an der Universität Göttingen, machte sich für eine fach- und einrichtungsspezifische Quote stark, da Appelle nicht reichen würden und sich mitunter sogar negativ auf das Fortkommen der Frauen auswirken würden. Es entstehe der Eindruck für die Gleichstellung werde schon etwas getan. Kirsch-Auwärter fand deutliche Worte für die derzeitige Lage: "Bleibt die Personalstruktur so wie sie ist, ist das eine Aufforderung an Wissenschaftlerinnen das Wissenschaftssystem wieder zu verlassen. Das nenne ich einen perversen Ansatz."

Der Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen, Joybrato Mukherjee nannte zur Veranschaulichung Zahlen. Obwohl die Uni Gießen zwei Drittel Studentinnen habe, liege der Anteil der männlichen Professoren bei 82 Prozent. Er plädierte dafür, dort wo neue Stellenbesetzungen anstünden, diese wenn irgend möglich mit Frauen zu besetzen. Auf allen Hierarchiestufen müsste die "kritische Masse" von 30 bis 40 Prozent Frauenanteil erreicht werden, damit die Frauen "ganz selbstverständlich agieren" könnten und nicht als Alibifrau gelten. Er sprach sich für eine Quote aus, die gemeinschaftlich verabredet ist und zudem die spezifischen Bedingungen an der jeweiligen Hochschule berücksichtigt. Sie müsste durch Maßnahmen flankiert werden, die auf einen Mentalitätswandel zielen.

Auch Wolfgang Marquardt, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, forderte eine Zielquote. Sie solle flexibel sein und an das Kaskadenmodell gekoppelt werden. Das bedeutet, dass der Frauenanteil auf einer Qualifikationsstufe mindestens so hoch sein muss, wie der Anteil auf der jeweils niedrigeren Stufe. Marquardt sagte: "Die Zielquoten sollen ambitioniert, aber realistisch sein."

Auf einen anderen Punkt wies Martina Schraudner von der Technischen Universität München hin: "Die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen in der Wissenschaft ist keine Frage der Gerechtigkeit, sondern für die Organisation mit Vorteilen verbunden." Talente könnten aus einer größeren Grundgesamtheit geschöpft werden und es könnten andere Akzente gesetzt werden. Denn Frauen würden andere Forschungsthemen auf die Agenda setzen als Männer.

Dagmar Simon vom Wissenschaftszentrum Berlin sagte an ihr Vorrednerin anknüpfend: "Einen Großteil von qualifizierten Wissenschaftlerinnen auszuschließen ist nicht effizient." (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Bitcom lobt und kritisiert Kryptopolitik

    Der Branchenverband Bitcom warnt davor, dass Deutschland seine gute Ausgangsposition im Bereich der Kryptowirtschaft nicht aufs Spiel setzen solle. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Finanzmarktdigitalisierungsgesetz (20/10280) sagte Bitcom-Vertreter Benedikt Faupel: "Der Standort Deutschland hat gute Voraussetzungen, ich erinnere an die Blockchain-Strategie."

  • Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte

    Der Kulturausschuss hat sich in einem öffentlichen Fachgespräch mit den Chancen und Risiken des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz im Medienbereich auseinandergesetzt. Geladen hatte er Sachverständige von Gewerkschaften, Berufsverbänden, Unternehmen und aus der Wissenschaft.

  • Modernisierung des Postrechts

    In einer Anhörung beschäftigten sich neun Sachverständige mit dem Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Modernisierung des Postrechts (20/10283). Dieses beinhalte eine "grundlegende Novellierung des Postrechts", schreibt die Bundesregierung zu dem Entwurf.

  • Einnahmen aus dem Energiekrisenbeitrag

    Die im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine massiv gestiegenen Preise für Erdgas, Wärme und Strom haben zeitweise eine existenzbedrohende Belastung für die Bevölkerung und Unternehmen in Europa und nicht zuletzt in Deutschland dargestellt. Dabei sorgten das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) und das Strompreisbremsegesetz (StromPBG) für eine zeitlich befristete, schnelle Entlastung in der Breite der Bevölkerung und der Unternehmen in Deutschland, welche durch ihre konkrete Ausgestaltung die Anreize zum Energiesparen aufrechterhalten hat.

  • Soziale und ökologische Nachhaltigkeit

    Eine nachhaltige Künstliche Intelligenz (KI) braucht politische Rahmenbedingungen. Das machte Kilian Vieth-Ditlmann, stellvertretender Leiter des Policy- & Advocacy-Teams bei der AW AlgorithmWatch gGmbH während eines öffentlichen Fachgespräches im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung deutlich. Als ersten Schritt bewertete er die im EU-Parlament verabschiedete KI-Verordnung.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen