Rüstungsexporte & Geheimhaltungsbedürftigkeit


Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung? - Sachverständige streiten über Transparenz bei Rüstungsexporten
Rüstungsentscheidungen in Deutschland: Fühlen sich potenzielle Empfängerländer sich durch die kontroverse öffentliche Diskussion diskriminiert fühlen


(20.11.12) - Forderungen nach mehr Transparenz bei Rüstungsexportentscheidungen sind bei Juristen auf völlig unterschiedliche Reaktionen gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie lehnte Professor Hans-Michael Wolffgang (Universität Münster) in seiner Stellungnahme die von der Opposition geforderten Unterrichtungen des Bundestages über bevorstehende Genehmigungsentscheidungen ab: "Die geforderten Unterrichtungsrechte des Deutschen Bundestages würden in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung eindringen. Es läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung vor."

Laut Wolffgang würde auch die Abschaffung der Geheimhaltung von Entscheidungen über Rüstungsexporte und die Bekanntgabe erteilter Genehmigungen mit Begründung "in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung eindringen und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen".

Ganz anders argumentierte Sebastian Roßner von der Universität Düsseldorf, der die Herstellung von Transparenz im Bereich der Rüstungsexporte als dringend notwendig bezeichnete: "Insbesondere muss die seit Jahrzehnten andauernde Unwissenheit des Bundestages in diesen Fragen beendet werden. Die Rüstungsexportpolitik braucht aus Gründen der Demokratie das Licht und die frische Luft einer politischen, möglichst breit zu führenden Diskussion." Es gebe auch keine Geheimhaltungsbedürftigkeit von Regierungshandeln gegenüber dem Bundestag, argumentierte Roßner.

Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge der Opposition. So fordert die SPD-Fraktion (17/9188), die Bundesregierung solle sich künftig streng an die eigenen Rüstungsexportrichtlinien, das Außenwirtschaftsgesetz, die Außenwirtschaftsverordnung und das Kriegswaffenkontrollgesetz halten und dementsprechend eine restriktive Genehmigungspraxis anwenden. Außerdem fordert die SPD-Fraktion die Bundesregierung auf, den Rüstungsexportbericht in Zukunft spätestens drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres zu veröffentlichen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/9412) verlangt von der Regierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs, um Rüstungsexporte besser kontrollieren zu können. Außerdem müsse der Bundestag bei besonders "sensiblen Exporten" vor deren Genehmigung unterrichtet werden und eine Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.

Für die militärische Luftfahrt erklärte die Organisation "AeroSpace and Defence", viele Rüstungsgüter würden in Kooperation mit Nachbarländern hergestellt, die keine Einschaltung des Parlaments kennen würden. Würden Rüstungsentscheidungen in Deutschland kontroversen öffentlichen Diskussionen unterworfen, dann würden die Partnerländer versuchen, Deutschland in die Rolle des Zulieferers abzudrängen, "um zu verhindern, dass potenzielle Empfängerländer sich durch die kontroverse öffentliche Diskussion diskriminiert fühlen". Die Bundesregierung hätte dann keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die Exportentscheidung: "Der angestrebte parlamentarische Einfluss führt zur Einflusslosigkeit der Bundesregierung, vom Parlamentseinfluss ganz zu schweigen."

Wie die militärische Luftfahrtbranche empfahl auch der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, keine Änderungen an den "strengen deutschen Exportbestimmungen" vorzunehmen.

Das Internationale Konversionszentrum (BICC Bonn) beklagte die Abwesenheit einer öffentlichen Diskussion über das Für und Wider deutscher Rüstungsexporte: "Eine öffentliche Auseinandersetzung wird bislang insbesondere durch die sehr späte Veröffentlichung der jährlichen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sowie den geheim tagenden Bundessicherheitsrat erschwert."

Bernhard Moltmann (Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) kritisierte, "mit dem Nebeneinander von Regelwerken, der Konkurrenz institutioneller Kompetenzen und der Verschränkung von einzelstaatlichen wie internationalen Mechanismen vernebeln sich Verantwortlichkeiten. Das stützt die Forderung nach Kohärenz und parlamentarischer Kontrolle." Da Rüstungsgüter besonders langlebig seien, forderte Moltmann eine "wirksame Endverbleibskontrolle". Als großes Problem bezeichnete er auch die Vergabe von Lizenzen zur Rüstungsproduktion im Ausland. Das Lizenzproblem sei nur zu lösen, indem keine Lizenzen mehr vergeben würden. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen