Zeuge: Keine Datenübermittlung


Hat der BND in großem Umfang sogenannte "Metadaten" über Zeitpunkt, Dauer und Standort von Telefon- oder E-Mail-Verkehren an die NSA weitergegeben?
Er könne sich persönlich auch nicht daran erinnern, als Referatsleiter jemals Material auf dem Bildschirm gehabt zu haben, das er unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes deutscher Bürger oder aus politischen Gründen für fragwürdig hätte halten müssen, betonte der Zeuge

(22.12.15) - Vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("NSA") hat ein ehemaliger Referatsleiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) den Vorwurf nicht bestätigen können, seine Behörde habe "anlasslos und massenhaft" Daten an die amerikanische National Security Agency (NSA) weitergeleitet. "In meinem Referat und in meinem Verantwortungsbereich hat das nicht stattgefunden", sagte der Zeuge J.S. in seiner Vernehmung. Der heute 60-jährige Bundeswehroffizier im Rang eines Obersten leitete zwischen Dezember 2006 und Juni 2010 das Referat T2d in der BND-Zentrale in Pullach, zuständig für "regionale Nachrichtenbearbeitung".

Mit seiner Vernehmung folgte der Ausschuss einem Wunsch der Opposition, die sich davon einen Beitrag zur Klärung der Frage erhoffte, ob der BND in großem Umfang sogenannte "Metadaten" über Zeitpunkt, Dauer und Standort von Telefon- oder E-Mail-Verkehren an die NSA weitergegeben hat. Davon war in Medien mehrfach die Rede gewesen. So hatte im Mai dieses Jahres "Zeit-Online" berichtetet, Monat für Monat seien 1,3 Milliarden Datensätze vom BND an die NSA geflossen. In früheren Ausschusssitzungen hatten Zeugen, die in Außenstellen des BND mit der Überwachung internationaler Datenverkehre befasst sind, indes immer wieder bestritten, Material an die NSA geliefert zu haben.

Für den Ausschuss ergab sich daraus die Vermutung, die Abflüsse seien möglicherweise aus der Geheimdienstzentrale in Pullach erfolgt. Eine Aufzeichnung des BND aus dem Jahr 2009 schien nahezulegen, das damals von J.S. geleitete Referat sei auch für diesen Materialaustausch zuständig gewesen. Dem widersprach der Zeuge freilich in seiner Vernehmung. Seine Hauptaufgabe sei die Bearbeitung von Nachrichten gewesen. Sein Referat habe aus verschiedenen Quellen gewonnene Erkenntnisse, die aus den Erfassungsstellen zugeliefert worden seien, zu sichten, zu verifizieren und daraus brauchbare Meldungen zu formulieren gehabt.

Sie habe diese Meldungen gegebenenfalls auch befreundeten Nachrichtendiensten zur Verfügung gestellt. Dabei habe es sich aber "grundsätzlich" nicht um Rohdaten gehandelt, sondern um ausformulierte nachrichtendienstlich relevante Erkenntnisse. Gelegentlich sei es vorgekommen, dass in "Fachgesprächen" mit Vertretern befreundeter Dienste auch Daten wie Mobilfunknummern oder E-Mail-Adressen ausgetauscht worden seien. Die Regel sei dies aber nicht gewesen: "Einen Rohmaterialaustausch mit der NSA hat es in meinem Referat nicht gegeben.".

Er könne sich persönlich auch nicht daran erinnern, als Referatsleiter jemals Material auf dem Bildschirm gehabt zu haben, das er unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes deutscher Bürger oder aus politischen Gründen für fragwürdig hätte halten müssen, betonte der Zeuge. Die Ausfilterung rechtlicher bedenklicher Überwachungsergebnisse sei freilich schon in den Erfassungsstellen erfolgt, bevor das Material überhaupt bei ihm zur Bearbeitung gelandet sei.

Über den Umgang mit der Selektorenliste des BND zeichnet sich unterdessen ein Konflikt zwischen den Oppositionsvertretern im Ausschuss und der Bundesregierung ab. Am Montag hatten der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg und die Obleute der Fraktionen Gelegenheit erhalten, das Verzeichnis BND-eigener Selektoren einzusehen, die bei einer Überprüfung 2013 als politisch fragwürdig aussortiert worden waren. Die Bundesregierung ist im Gegensatz zu Linken und Grünen der Meinung, das Thema habe den Ausschuss nicht zu interessieren. Die Opposition möchte jetzt den Untersuchungsauftrag entsprechend erweitern und droht andernfalls mit einem eigenen Untersuchungsausschuss zum Thema BND-Selektoren. (Deutscher Bundestag: ra)


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