Geplante GKV-Zusatzbeiträge plus Sozialausgleich


Wettbewerb im Gesundheitssystem? - Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz müssen Versicherte die stetig steigenden Gesundheitskosten in Zukunft allein über nach oben offene Zusatzbeiträge finanzieren
Honorar- und Einnahmenzuwächse der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser würden hingegen lediglich marginal begrenzt


(27.10.10) - Die Pläne der Koalitionsfraktionen zur Einführung einkommensunabhängiger Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stoßen auf ein geteiltes Echo.

Während in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zum GKV-Finanzierungsgesetz (17/3040) die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dies als wichtigen Schritt zur Stärkung des Wettbewerbs kennzeichneten, lehnten Gewerkschaften und Sozialverbände Zusatzbeiträge strikt ab.

Auf Frage der CDU/CSU-Fraktion betonte Heinrich Höfer vom BDI, die Zusatzbeiträge seien ein "entscheidender Baustein" für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem, nicht nur unter den Krankenkassen, sondern auch unter den Leistungserbringern.

Der BDA-Versicherungsexperte Volker Hansen bestätigte, dass einkommensunabhängige Zusatzbeiträge "wichtig für den Wettbewerb" seien. Er bedauerte aber, dass diese erst vom Jahr 2012 an erhoben würden. Eine echte Entkopplung der Krankheitskosten von den Löhnen bleibe aus.

Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Annelie Buntenbach, bemängelte, mit dem Einfrieren des Arbeitgeberbeitragssatzes würden sämtliche Kostensteigerungen in Zukunft "bei den Versicherten abgeladen".

Für den Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisierte Fabian Sèkely auf Nachfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Zusatzbeiträge als "nicht gerecht".

In einem ersten Block der Anhörung standen die geplante Beitragserhöhung von 14,9 auf 15,5 Prozent zum Jahresbeginn sowie die geplanten Zusatzbeiträge und ihr Sozialausgleich auf der Agenda der Anhörung. In einem zweiten Block soll es am späten Nachmittag um die Begrenzung der Ausgaben gehen. Die Koalition will den Beitragssatz der Arbeitgeber bei 7,3 Prozent einfrieren. Steigende Gesundheitskosten sollen die Versicherten in Zukunft allein über nach oben offene Zusatzbeiträge finanzieren. Übersteigt der durchschnittlich von allen Kassen benötigte Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens eines Kassenmitglieds, soll es die Differenz durch einen Sozialausgleich zurückbekommen.

Auf Nachfragen der Fraktionen von SPD und Die Linke bemängelten sowohl Arbeitgeber, Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und Bundesagentur für Arbeit (BA), mit dem geplanten Sozialausgleich sei ein Zuwachs an Bürokratie-Kosten verbunden.

Der BDA-Vertreter Hansen plädierte dafür, den Sozialausgleich über die Kassen abzuwickeln. Ansonsten würden alle 3,5 Millionen Betriebe in Deutschland belastet. Für die BA unterstrich Manfred Schnitzler ebenfalls, dass die GKV den Aufwand des Sozialausgleichs tragen solle. Wolfgang Binne von der DRV Bund warnte die Politik vor einer "deutlichen Unterschätzung des Verwaltungsaufwandes„.

Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, bestätigte auf Nachfragen der Unions- und der FDP-Fraktion zwar, dass mit dem GKV-Finanzierungsgesetz ein flächendeckender Zusatzbeitrag bereits im kommenden Jahr sowie die Insolvenz einzelner Krankenkassen vermieden werden könnten. Zugleich betonte Pfeiffer jedoch, dass die Beitragssatzerhöhung geringer hätte ausfallen können, wenn auf der Ausgabenseite mehr getan worden wäre. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden durch die Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes von 14,9 auf 15,5 Prozent im kommenden Jahr mit rund 6,3 Milliarden Euro belastet. Die Honorar- und Einnahmenzuwächse der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser würden hingegen lediglich marginal begrenzt. (Deutscher Bundestag: ra)

Lesen Sie auch:
Geplante GKV-Zusatzbeiträge plus Sozialausgleich
Konsolidierung der GKV-Finanzen
Umstellung der gesetzlichen Krankenversicherung
Arbeitslosengeld II & private Krankenversicherung


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen