Menschenrechte in globalen Lieferketten


Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten
Unternehmen werden verpflichtet, eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchzuführen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten




Wirtschaftsverbände befürchten eine zu einseitige Lastenverteilung zuungunsten deutscher Unternehmen nach Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes. Insgesamt sprach sich eine breite Mehrheit von Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales dennoch für ein solches Gesetz aus. Grundlage der Anhörung war der Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten (19/28649) sowie ein Antrag (19/29279) der Fraktion Die Linke, in dem diese eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfes fordert.

Die Bundesregierung will Unternehmen verpflichten, menschenrechtliche Standards in all ihren globalen Produktionsstätten einzuhalten. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten sollen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer sollen einbezogen werden, sobald das Unternehmen über substantielle Kenntnisse von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene verfügt. Die Unternehmen werden verpflichtet, eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchzuführen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten.

Kritik von den Wirtschaftsverbänden gab es unter anderem wegen der vorgesehenen sogenannten "Prozessstandschaft", also der Möglichkeit für Betroffene, die sich in ihren Rechten verletzt sehen, sich in ihrer Klage von Nichtregierungsorganisationen (NGO) unterstützen zu lassen. Neue zivilrechtliche Haftungsregelungen sieht der Gesetzentwurf dagegen nicht vor, ein Punkt, an dem Wirtschaftsverbände erhebliche Zweifel äußerten. So kritisierte Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), das Gesetz schließe eine solche zivilrechtliche Haftung keineswegs aus, es bestünden weiter Haftungsmöglichkeiten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. "Man muss den Eindruck haben, dass eine solche Haftung durchaus gewollt ist. Das ist eine große Gefahr für die Unternehmen." Für den Bundesverband der Deutschen Industrie bezeichnete Joachim Lang die Prozessstandschaft als "überflüssig" und fügte hinzu: "Wir haben die Sorge, dass dies als Anreiz für medienwirksame Klagen von NGOs genutzt wird." Die BDA kritisierte außerdem, dass der Entwurf zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte, aber keine Möglichkeit aufzeige, wie die Unternehmen die Widersprüche zwischen nationalen und internationalen Normen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) auflösen sollen. Dies sei eine Überforderung, betonte Gunkel.

Für die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften verteidigte unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Initiative Lieferkettengesetz den Entwurf. Er wurde jedoch mehrfach als nicht weitgehend genug bewertet. "Der gesetzgeberische Schritt ist konsequent, er wird für Rechtssicherheit sorgen", sagte DGB-Vertreter Frank Zach. Johanna Kusch von der Initiative Lieferkettengesetz nannte den Entwurf einen Paradigmenwechsel, weg von einem freiwilligen Bekenntnis zu Menschenrechten hin zu rechtsverbindlichen Verpflichtungen. Anders als von der BDA dargestellt, enthalte der Entwurf allerdings keine zivilrechtliche Haftung, betonte sie und ergänzte, dass sie das für falsch halte. Auch in Bezug auf die einbezogenen Unternehmen und Lieferketten sei der Entwurf nicht ausreichend, betonte sie. Annette Niederfranke von der ILO-Vertretung Deutschland regte an, beim Risikomanagement die Sozialpartner vor Ort und auch die internationalen Organisationen mit einzubeziehen und alle acht ILO-Kernarbeitsnormen als Tatbestand in das Gesetz aufzunehmen.

Markus Krajewski, Professor für öffentliches Recht und Völkerrecht an Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, kritisierte ebenso die fehlende Regelung der zivilrechtlichen Haftung. In seiner Stellungnahme heißt es dazu: "Das führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und kann im Ergebnis zur Folge haben, dass die von dem Gesetz erfassten besonders großen Unternehmen im Fall einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage besser gestellt werden als vom Gesetz nicht erfasste mittelständische Unternehmen, wenn diese sich gegen eine nach den allgemeinen Regeln erhobene Klage verteidigen müssen. Damit kann sich das Gesetz in seiner vorgelegten Fassung als mittelstandsfeindlich erweisen." (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 29.06.21
Newsletterlauf: 20.09.21


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