Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen


Linke: Es fehlt an einer zwingenden Tariftreueregelung im GWB, wonach Auftragnehmer verpflichtet sind, bei der Erfüllung des Auftrags den jeweils ortsüblichen Tariflohn zu zahlen
Noch immer sind auch nach der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch das VergRModG arbeitsbezogene und soziale Kriterien nicht für alle Phasen der Auftragsvergabe verpflichtend vorgeschrieben



Bei öffentlichen Aufträgen gelten immer die allgemein verbindlichen Mindestarbeitsbedingungen und Entgelte nach dem Tarifvertragsgesetz. Die Bundesregierung schreibt in einer Antwort (19/20209) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/19786), es gebe keine Hinweise, dass "diese verpflichtende Berücksichtigung tarifvertraglicher Regelungen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge verletzt würde". Die öffentliche Hand hatte 2018 laut Vergabestatistik Aufträge im Umfang von 64,576 Milliarden Euro erteilt.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erfasse derzeit allerdings nur die Aufträge und Konzessionen der meldepflichtigen Stellen, die Statistik sei daher unvollständig. Eine neue IT-Schnittstelle soll ab Herbst 2020 eine allgemeine und bundesweite Datenerfassung ermöglichen, heißt es weiter.

Vorbemerkung der Fragesteller:
Als öffentlicher Auftraggeber verfügt der Staat über eine erhebliche Marktmacht und ein großes ökonomisches Steuerungspotential. Schon deshalb muss er ein hohes Interesse an einer nachhaltigen Verwendung von Steuergeldern haben. Denn anders als die Privatwirtschaft ist der Staat als öffentlicher Auftraggeber in der Verantwortung, diese Marktmacht als politisches Lenkungsinstrument für die Unterstützung regionaler und lokaler Wirtschaftskreisläufe, die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen, zur Stärkung einer ökologisch-nachhaltigen Wirtschaftsweise und insbesondere zur Einhaltung von Tarifverträgen und anderen sozialen Mindeststandards aktiv zu nutzen. Mit der Reform des europäischen Vergaberechts im Jahr 2014 wurden umweltbezogene sowie arbeitsbezogene und soziale Kriterien als nicht mehr vergabefremd anerkannt und dadurch deutlich aufgewertet. Damit hat die Europäische Union (EU) die strategische Einkaufsmacht der öffentlichen Hand anerkannt.

Auch das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 4. Oktober 2018 zu dem Strategiepaket für die öffentliche Auftragsvergabe (2017/2278(INI)) noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten gemäß EU-Vergaberecht verpflichtet seien, dafür zu sorgen, dass Auftragnehmer und Unterauftragnehmer die umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen vollständig einzuhalten haben.

Das Europäische Parlament hat die Kommission zudem aufgefordert, "sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinien von 2014 nachkommen (…)". Mit ihrem Entwurf für das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergRModG), welches 2016 in Kraft getreten ist, hat es die Bundesregierung nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller versäumt, die von der Europäischen Union neu geschaffenen Spielräume voll auszunutzen (vgl. Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE., "Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts", Bundestagsdrucksache 18/7090). Denn noch immer sind auch nach der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch das VergRModG arbeitsbezogene und soziale Kriterien nicht für alle Phasen der Auftragsvergabe verpflichtend vorgeschrieben.

An vielen Regelungsstellen des GWB fehlt weiter eine ausdrückliche Bezugnahme auf die ILO-Kernarbeitsnormen. Vor allem fehlt es jedoch an einer zwingenden Tariftreueregelung im GWB, wonach Auftragnehmer verpflichtet sind, bei der Erfüllung des Auftrags den jeweils ortsüblichen Tariflohn zu zahlen. Dabei würde durch eine solche Tariftreueregelung mittelbar das Tarifvertragssystem gestärkt und Lohndumping bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge unterbunden.
(Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 20.08.20
Newsletterlauf: 11.11.20


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