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LAG Hamm fällt Urteil zum AGG-Missbrauch


Vielfach befürchtete missbräuchliche Anwendung der Bestimmungen des AGG: Keine Entschädigung bei nicht ernst gemeinter Bewerbung
In dem vom LAG Hamm entschiedenen Fall hatte sich eine 42-jährige Frau auf die Stellenanzeige eines Immobilienunternehmens beworben, welche sich nach dem Wortlaut an Mitarbeiter "bis 35 Jahre" richtete


Von Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge LL.M.

(18.07.08) - Abgelehnte Bewerber haben trotz einer gegebenenfalls in diskriminierender Form verfassten Stellenausschreibung bei einer nicht ernst gemeinten Bewerbung keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (kurz: AGG).

Dies entschied jüngst das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm) in einem Urteil vom 26. Juni 2008 (Az.: 15 Sa 63/08). Das Gericht erweiterte damit den Kreis arbeitsgerichtlicher Instanzentscheidungen zur Frage der Entschädigungspflicht des Arbeitgebers bei Stellenausschreibungen diskriminierenden Inhalts.

Das AGG verbietet unter anderem Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Dies gilt nach dem Gesetz auch in Bezug auf den Zugang zu Beschäftigungsverhältnissen (vgl. §§ 1, 2 Abs. 1, 7 AGG). Für den Fall eines Verstoßes sehen die gesetzlichen Bestimmungen Schadensersatzansprüche vor (§ 15 AGG).

In dem vom LAG Hamm entschiedenen Fall hatte sich eine 42-jährige Frau auf die Stellenanzeige eines Immobilienunternehmens beworben, welche sich nach dem Wortlaut an Mitarbeiter "bis 35 Jahre" richtete.

Nachdem die Klägerin durch den Arbeitgeber nicht zum Vorstellungsgespräch geladen worden war, klagte sie gegen diesen auf Zahlung einer Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Die Klägerin machte geltend, dass sie ausschließlich wegen ihres Alters nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei.

Wie sich im Rahmen des Prozesses herausstellte, hatte sich die Klägerin darüber hinaus in zwei weiteren Fällen ebenfalls auf potentiell altersdiskriminierende Stellenanzeigen beworben und von den ablehnenden Arbeitgebern entsprechende Entschädigungen verlangt.

Nachdem das angerufene Arbeitsgericht der Klage der Frau zunächst stattgegeben hatte, hoben die Landesarbeitsrichter die Entscheidung auf die Berufung des Arbeitgebers hin auf und wiesen die Klage ab.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Klägerin die Ernsthaftigkeit ihrer Bewerbung auf die in altersdiskriminierender Weise ausgeschrieben Stelle abzusprechen sei.

Die mangelnde Ernsthaftigkeit ihrer Bewerbung folge dabei aus dem Umstand, dass sich die Klägerin nachweislich nur auf die streitbefangene Stelle und weitere Stellenausschreibungen mit potentiell diskriminierendem Inhalt beworben hatte. Nach Ansicht des LAG sei bei dieser Sachlage davon auszugehen, dass es der Klägerin nicht um eine positive Entscheidung über ihre Bewerbung, sondern lediglich um die Zahlung von Entschädigungen durch den Arbeitgeber gegangen sei.

Wegen der Bedeutung der Sache ließen die Landesarbeitsrichter jedoch die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

Fazit:
Die Entscheidung des LAG Hamm macht deutlich, wie schnell es zu der bereits vor Inkrafttreten des AGG vielfach befürchteten missbräuchlichen Anwendung der Bestimmungen des AGG kommen kann. Für Arbeitgeber ist eine missbräuchliche Anwendung bzw. Geltendmachung von Entschädigungsforderungen nach den gesetzlichen Bestimmungen oftmals nicht bzw. nur unter erheblichem Aufwand nachzuweisen.

In dem vom LAG Hamm entschiedenen Fall hatte die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung durch das Gericht keine vollständigen Angaben zu sämtlichen Fällen gemacht, in denen sie sich auf Stellenanzeigen potentiell diskriminierenden Inhalts beworben hatte.

Dass die Klägerin tatsächlich in zwei weiteren Fällen in ähnlicher Weise nicht ernst gemeinte Bewerbungen verfasst hatte, wurde nur aufgrund des Umstandes bereits gerichtlich anhängiger weiterer Verfahren bekannt.

Unternehmen sollten daher bei der Abfassung von Stellenausschreibungen die Vorgaben des AGG durchaus ernst nehmen und sich bei der inhaltlichen Gestaltung gegebenenfalls beraten lassen sowie ihre verantwortlichen Mitarbeiter (HR, Personal) entsprechend schulen. Darauf, dass Gerichte in jedem Fall missbräuchliche, d.h. nicht ernst gemeinte Bewerbungen auf Stellenausschreibungen nachweisen, können sich Arbeitgeber zumindest nicht verlassen. (Münchow Rechtsanwälte: ra)

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