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Durchsetzung des Kartellrechts im Pharmasektor


Kartellrecht: Europäische Kommission übermittelt Mitteilung der Beschwerdepunkte an J&J und Novartis wegen verzögerter Markteinführung eines Schmerzmittelgenerikums
Joaquín Almunia: "Nach unseren vorläufigen Erkenntnissen haben die niederländischen Tochterunternehmen von Johnson & Johnson und Novartis einen sogenannten "Co-Promotion-Vertrag" geschlossen, um Wettbewerb zwischen den beiden Unternehmen zu vermeiden"


(20.02.13) - Die Europäische Kommission hat die Pharmaunternehmen Johnson & Johnson (J&J, USA) und Novartis (Schweiz) schriftlich über ihre Beschwerdepunkte zu einem zwischen ihren jeweiligen niederländischen Tochtergesellschaften geschlossenen Co-Promotion-Vertrag für das starke Schmerzmittel Fentanyl unterrichtet. Die Kommission vertritt die vorläufige Auffassung, dass dieser Vertrag die Markteinführung eines kostengünstigeren Generikums in den Niederlanden verzögert hat, was gegen die Kartellvorschriften der EU verstoßen würde. Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem endgültigen Ergebnis des Verfahrens nicht vor.

"Nach unseren vorläufigen Erkenntnissen haben die niederländischen Tochterunternehmen von Johnson & Johnson und Novartis einen sogenannten "Co-Promotion-Vertrag" geschlossen, um Wettbewerb zwischen den beiden Unternehmen zu vermeiden. Sollte sich dies bestätigen, wäre den Verbrauchern in den Niederlanden die Möglichkeit genommen worden, ein billigeres Schmerzmittel zu wählen. Die Kommission geht entschieden gegen ungebührliche Verzögerungen bei der Markteinführung von Generika vor, damit die europäischen Bürgerinnen und Bürger kostengünstigere Medikamente kaufen können. Insbesondere in Zeiten knapper öffentlicher Kassen müssen wir sicherstellen, dass sich die Pharmaunternehmen nicht unserer Wohlfahrts- und Gesundheitsversicherungssysteme bedienen", so der für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissar und Kommissionsvizepräsident Joaquín Almunia.

Die J&J-Tochter Janssen-Cilag, die das Schmerzmittel Fentanyl in den Niederlanden vertreibt, hatte mit ihrem engen Konkurrenten Sandoz, einer Novartis-Tochter, im Juli 2005 einen sogenannten "Co-Promotion-Vertrag" geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die einer Entwicklung und Vermarktung von Nachahmerprodukten des Fentanyl-Pflasters und folglich einem Eintritt von Sandoz in den niederländischen Markt im Wege gestanden hätten. Der Vertrag sah bis zu einer Markteinführung eines generischen Produkts monatliche Zahlungen von Janssen-Cilag an Sandoz vor. Sandoz verzichtete somit während der Vertragslaufzeit (Juli 2005 bis Dezember 2006) auf die Markteinführung eines generischen Fentanyl-Pflasters. Dies könnte die Markteinführung eines kostengünstigeren Generikums um 17 Monate verzögert haben, so dass die Preise für Fentanyl in den Niederlanden künstlich hoch gehalten wurden.

Mit dieser Untersuchung geht die Kommission erneut gegen große Pharmaunternehmen vor, um absichtliche Verzögerungen bei der Markteinführung generischer Arzneimittel zu unterbinden. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission vorläufig die Auffassung, dass der Co-Promotion-Vertrag zwischen den beiden Unternehmen gegen EU-Kartellrecht verstößt, nach dem wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken verboten sind (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV).
Hintergrundinformationen zur Untersuchung

Fentanyl ist stärker als Morphium und wird zur Behandlung starker Schmerzen eingesetzt.
Im Oktober 2011 leitete die Kommission von Amts wegen eine eingehende Untersuchung in dieser Sache ein.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist an Johnson & Johnson, dessen Tochter Janssen-Cilage B.V. sowie an Novartis und dessen Tochter Sandoz B.V. gerichtet.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Wettbewerbsbestimmungen. Mit dieser Mitteilung setzt die Kommission die Parteien schriftlich von den gegen sie vorliegenden Beschwerdepunkten in Kenntnis. Die Unternehmen können daraufhin die Unterlagen in der Kommissionsakte einsehen, schriftlich Stellung nehmen und eine mündliche Anhörung beantragen, um vor Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden ihre Position darzulegen.

Wenn die Parteien ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben und die Kommission dennoch zu dem Schluss kommt, dass hinreichende Beweise für eine Zuwiderhandlung vorliegen, kann sie einen Beschluss erlassen, mit dem sie die wettbewerbswidrige Verhaltensweise untersagt und gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen von bis zu 10 % ihres weltweiten Jahresumsatzes verhängt.

Weitere Informationen zu diesem Fall finden Sie im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der GD Wettbewerb unter der Nummer AT.39685. Über neue Beschlüsse informiert der elektronische Newsletter Competition weekly news summary.

Die Durchsetzung des Kartellrechts im Pharmasektor
Eine 2009 von der Kommission vorgenommene Untersuchung zum Wettbewerb im Pharmasektor hatte eine Reihe struktureller Fragen und problematischer Unternehmenspraktiken aufgezeigt, die möglicherweise zu Wettbewerbsverzerrungen und Verzögerungen bei der Einführung neuer, innovativer und kostengünstigerer Generika im EU-Markt geführt haben. Der Untersuchung zufolge gibt es Anzeichen dafür, dass Originalpräparatehersteller dafür zahlen, dass die Einführung von Generika verzögert wird.

Nach den Mitteilungen der Beschwerdepunkte in den Sachen Lundbeck und Servier und im Einklang mit der allgemeinen Durchsetzungspraxis im Pharmasektor ist die jetzige Mitteilung der Beschwerdepunkte eine weitere Maßnahme, mit der die Kommission auf die in der Sektoruntersuchung aufgezeigten Wettbewerbsprobleme in der Pharmabranche reagiert. (Europäische Kommission: ra)


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