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Die EU-Charta der Grundrechte


Bericht der Europäischen Kommission verweist auf Fortschritte bei der Durchsetzung der Grundrechte in der EU
Bericht sei ein wichtiger Meilenstein dafür, dass die EU ihrem Engagement für Grundrechte nachkommt


(06.04.11) - Die EU-Charta der Grundrechte ist seit über einem Jahr für die EU-Organe (Europäisches Parlament, Rat und Europäische Kommission) bei der Erarbeitung neuer EU-Rechtsvorschriften, aber auch für die nationalen Behörden bei der Umsetzung des EU-Rechts verbindlich. In ihrem Bemühen, die Grundrechte für die EU-Bürger Wirklichkeit werden zu lassen, berichtet die Europäische Kommission erstmals, wie die Charta angewendet wird. Der Jahresbericht über die Anwendung der Charta zeigt, dass die Grundrechte in einer Vielzahl von Politikbereichen – vom Datenschutz bis zum Bereich Einwanderung und Asyl – von großer Bedeutung sind und die Öffentlichkeit ein großes Interesse an der Charta hat.

Der Bericht macht allerdings auch deutlich, dass die Charta häufig missverstanden wird. Im Jahre 2010 erhielt die Kommission mehr als 4 000 Briefe von Bürgern im Zusammenhang mit den Grundrechten. Rund drei Viertel dieser Briefe betrafen Fälle, auf die das EU-Recht nicht anwendbar war. Eine jüngste Umfrage des Europäischen Bürgerbeauftragten ergab, dass 72 Prozent der Europäer sich nicht ausreichend über die Charta informiert fühlen (EO/11/6).

Der jetzige Bericht ist ein erster Schritt, diese Herausforderungen anzunehmen und zu verdeutlichen, auf welche Bereiche die Charta anwendbar ist. Hierdurch wird der Zugang der Bürger zum Recht verbessert. Der Bericht zeigt den Bürgern, an wen sie sich wenden müssen, wenn sie der Auffassung sind, dass ihre Grundrechte durch ein EU-Organ oder eine nationale Behörde verletzt wurden. Der Jahresbericht ist somit Teil der Strategie der Kommission zur wirksamen Umsetzung der Grundrechte, damit sich die Bürger in der Praxis auf diese Rechte verlassen können.

"Damit die Charta in der Praxis funktioniert, müssen die Menschen ihre Rechte kennen und wissen, wie sie sie wahrnehmen können, damit ihnen Gerechtigkeit widerfährt," sagte die in der EU-Kommission für das Ressort Justiz zuständige Vizepräsidentin Viviane Reding. "Die EU ist nicht die Superpolizei für Grundrechte. Die Charta gilt in erster Linie für die EU-Organe. Die Rechte müssen zuerst von den nationalen Justizbehörden entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten durchgesetzt werden". Sie fügte hinzu: "Wenn es allerdings um die Anwendung des EU-Rechts geht, werde ich keine Verletzung der Grundrechte tolerieren. Dieser Bericht hilft uns, Fortschritte zu erkennen, damit wir bei Bedarf Maßnahmen ergreifen und Lehren für die Zukunft ziehen können".

"Dieser Bericht ist ein wichtiger Meilenstein dafür, dass die EU ihrem Engagement für Grundrechte nachkommt. Bei der Politikgestaltung und Rechtssetzung der EU wird er als Richtschnur dienen und macht deutlich, wo – seitens der EU-Organe oder der Mitgliedstaaten – Handlungsbedarf besteht, damit die Grundrechte aller EU-Bürger gewahrt werden", erklärte Morten Kjaerum, der Direktor der EU-Agentur für Grundrechte.

Die Bürger haben ein großes Interesse an der Durchsetzung der EU-Grundrechte-Charta und verknüpfen dies mit hohen Erwartungen. Gleichzeitig betrifft eine große Zahl der eingegangenen Beschwerden Situationen, in denen die Charta nicht angewendet werden konnte (siehe Anhang). Dies zeigt, dass häufig unklar ist, welchen Zweck die Charta verfolgt, in welchen Fällen die Charta anzuwenden ist und welche Rolle die EU spielt.

Der heute vorgelegte Bericht soll daher die Bürger besser informieren, in welchen Fällen sie sich auf die Charta berufen können. Insbesondere sollen die jeweiligen Aufgaben der Mitgliedstaaten und ihrer nationalen Systeme zum Schutz der Grundrechte sowie die Aufgaben der Europäischen Union erläutert werden. Sofern jemand der Auffassung ist, dass seine Grundrechte verletzt wurden, muss er wissen, an wen er sich wenden kann, um Zugang zum Recht zu erhalten. Der Bericht bietet den ersten umfassenden Überblick über die Anwendung der Grundrechte in der EU nach Einführung des Vertrags von Lissabon, durch den die Charta rechtsverbindlich wurde.

Der Bericht verweist darauf, dass die in der Charta verankerten Rechte jederzeit von den EU-Organen sorgfältig beachtet werden müssen, während die Mitgliedstaaten durch die Charta nur in den Fällen gebunden sind, in denen sie die Maßnahmen und das Recht der EU umsetzen. Die sechs Kapitel des Berichts entsprechen den sechs Kapiteln der Charta der Grundrechte der Europäischen Union: Würde des Menschen, Freiheiten, Gleichheit, Solidarität, Bürgerrechte und justizielle Rechte (siehe Anhang). Es wird deutlich, wie wichtig die Charta für eine Vielzahl von Politikbereichen ist, für die die EU verantwortlich ist.

Im Hinblick auf den Einsatz von Ganzkörper-Scannern an Flughäfen verwies die Kommission auf die Notwendigkeit, dass Grundrechte wie die Menschenwürde, die Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Datenschutz gewahrt werden müssen. Im Bereich Grenzschutz hat die Kommission neue Vorschriften vorgeschlagen, um die Überwachung der Seegrenzen effektiver zu gestalten und gleichzeitig die Achtung der Grundrechte von auf See aufgegriffenen Migranten zu gewährleisten. Ferner hat die Kommission Änderungen zur Stärkung von Frontex, der EU-Grenzschutzagentur, vorgeschlagen. Der Vorschlag sieht vor, dass alle Grenzschutzbeamten zum Thema Grundrechte geschult sein müssen und Zwischenfälle bei Einsätzen, auch im Zusammenhang mit den Grundrechten, den nationalen Behörden zu melden sind und weiterverfolgt werden.

Der Gerichtshof der Europäischen Union spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für die Beachtung der Charta. Im Hinblick auf den Datenschutz hat das Gericht am 9. November 2010 die EU-Bestimmungen zur Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes für ungültig erklärt. In einem richtungsweisenden Urteil entschied der Gerichtshof am 1. März, dass unterschiedliche Versicherungsprämien für Männer und Frauen eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen und nicht mit der Charta vereinbar sind (MEMO/11/123). Die Mitgliedstaaten dürfen von diesem wichtigen Grundsatz in ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht abweichen.

Im Jahre 2010 hat die Kommission Maßnahmen ergriffen, um das Recht aller EU-Bürger zu gewährleisten, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten und nicht diskriminiert zu werden. Zur Sicherstellung dieser Rechte hat die Kommission nach den Ereignissen im Sommer 2010, die die Ausweisung von den Roma angehörenden EU-Bürgern aus Frankreich umfassten, sofort reagiert (SPEECH/10/428 und MEMO/10/502). Die Kommission hat sorgfältig geprüft, ob bei den entsprechenden Vorgängen die EU-Anforderungen in vollem Umfang eingehalten wurden. Aufgrund des Eingreifens der Kommission ändern jetzt Frankreich und andere Mitgliedstaaten ihre Bestimmungen, um sie mit den EU-Vorschriften zur Freizügigkeit vollständig in Einklang zu bringen.

Hintergrund
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde die Charta der Grundrechte der Europäischen Union rechtsverbindlich.

Im Oktober 2010 verabschiedete die Kommission eine Strategie zur Gewährleistung einer wirksamen Umsetzung der Charta. Sie hat eine "Grundrechts-Checkliste" entwickelt, um die Abschätzung der Folgen ihrer Rechtsetzungsvorschläge für die Grundrechte zu verbessern (siehe Anhang). Die Kommission hat sich ebenfalls verpflichtet, die Bürger zu informieren, wann sie in Grundrechtsangelegenheiten tätig werden kann, und einen Jahresbericht über die Anwendung der Charta zur Überwachung der Fortschritte zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung dieses Berichts wird vom Europäischen Parlament bereits seit langem gefordert.

Weitere Informationen
Der Jahresbericht der Kommission über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist verfügbar unter:
http://ec.europa.eu/justice/news/intro/news_intro_en.htm
(Europäische Kommission: ra)


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