Handyüberwachung in Deutschland


Piratenpartei kritisiert: Ausmaß der Handyüberwachung per Funkzellenabfrage weitestgehend im Dunkeln
Piraten will bundesweites Verbot der so genannten nichtindividualisierten Funkzellenabfrage ein, da diese unverhältnismäßig stark in die Privatsphäre unbescholtener Bürger eingreift

(27.02.13) - Nach der Funkzellen-Affäre in Berlin ergab eine Kleine Anfrage an den sächsischen Landtag, dass auch in Sachsen in 60 Verfahren massenhaft Mobilfunkverbindungsdaten über Funkzellenabfragen erhoben wurden (1). In etwa drei Viertel der Fälle wurde die Handyüberwachung nicht zur Verfolgung besonders schwerwiegender Straftaten, sondern zur Aufdeckung einfacher Vermögensdelikte missbraucht. Die Piratenpartei Deutschland kritisiert den ausufernden und unkontrollierten Gebrauch der Funkzellenabfrage im Strafverfolgungsbereich und fordert eine sofortige Dokumentation, Veröffentlichung und Bürgerbenachrichtigung über alle bis zum heutigen Tag durchgeführten Maßnahmen. Darüber hinaus setzen sich die Piraten für ein umgehendes, bundesweites Verbot der so genannten nichtindividualisierten Funkzellenabfrage ein, da diese unverhältnismäßig stark in die Privatsphäre unbescholtener Bürger eingreift.

"Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Ermittlungsbehörden mit diesen Befugnissen nicht verantwortungsvoll umgehen können und Einschränkungen schlichtweg ignorieren. Das gilt nicht nur für die Funkzellenabfrage, sondern für fast alle neuen Überwachungsgesetze der letzten Jahre", kritisiert Markus Barenhoff, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland.

Die gesetzlich vorgeschriebene Benachrichtigung der Betroffenen, welche häufig unterbleibe, müsse laut Piraten ebenfalls in allen Fällen nachgeholt werden. "Indem die Überwachung den Betroffenen gezielt verheimlicht wird, wird verhindert, dass sie sich rechtlich gegen diese Praxis wehren können. Alternativ kann jeder Bürger natürlich schon jetzt sein Informationsrecht in Anspruch nehmen und Auskunft bei der Staatsanwaltschaft erbitten. Denn wäre ihnen das Ausmaß der Überwachung bekannt, wären die ständigen Versuche gewisser Politiker, die Überwachungsgesetze noch auszuweiten, nicht mehr salonfähig", ergänzt Simon Weiß, der sich als Mitglied der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin mit dem Thema Funkzellenabfrage befasst.

Bei einer Funkzellenabfrage wird erfasst, welche Mobiltelefone sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle befunden haben. Um die Notwendigkeit dieser Maßnahme zu begründen, wird oft mit schwersten Verbrechen wie Terroranschlägen argumentiert. Wie zuletzt durch die Kleine Anfrage erneut bestätigt wurde, wird die Funkzellenabfrage in der Praxis aber auch schon bei gewöhnlichen Straftaten bis hinunter zu Vandalismus eingesetzt. Die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben, welche den Einsatz nur bei schweren Straftaten vorsehen, werden dabei bewusst ignoriert.

Die Funkzellenabfrage geriet erstmals in den Fokus der Öffentlichkeit, als bekannt wurde, dass in Verbindung mit einer Demonstration in Dresden großflächig mittels Funkzellenabfrage überwacht worden war. Datenschützer fordern seitdem wiederholt, die Grundrechte der Bürger zu achten und die Funkzellenabfrage einzuschränken oder abzuschaffen (2).

Quellen:
(1) http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=10379&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1
(2) http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=50198
(Piratenpartei: ra)


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