Regeln zum "exekutiven Fußabdruck" einhalten


Medizinforschungsgesetz begünstigt Pharmaindustrie: Transparency Deutschland fordert lückenlose Aufklärung der Causa "Lex Lilly"
Transparency Deutschland: "Wir sehen hier nur die Spitze des Eisbergs. Meist bleibt es im Dunklen, wie Pharmakonzerne ihre Macht missbrauchen und ihre Interessen durchsetzen
"



Das neue Medizinforschungsgesetz (MFG) wurde laut Angaben von Transparency möglicherweise zugunsten der Pharmaindustrie angepasst – und zwar entsprechend der Forderung des amerikanischen Pharmakonzerns Eli Lilly. Transparency verweist auf Recherchen eines Teams von Investigate Europe, Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR und interne Dokumente aus dem Bundesgesundheitsministerium, die diesen ungeheuerlichen Verdacht nahelegen sollen. Kern der Behauptung: Nach dem MFG müssen Erstattungspreise der Krankenkassen an die Hersteller neuer Medikamente künftig nicht mehr offengelegt werden. Im Gegenzug dafür will Eli Lilly 2,3 Milliarden Euro in den Produktionsstandort Deutschland investieren: In Rheinland-Pfalz wird ein neues Werk des Pharmariesen gebaut.

Hierzu kommentiert Rolf Blaga, Leiter der AG Medizin & Gesundheit von Transparency Deutschland: "Wir sehen hier nur die Spitze des Eisbergs. Meist bleibt es im Dunklen, wie Pharmakonzerne ihre Macht missbrauchen und ihre Interessen durchsetzen."

"Die Causa "Lex Lilly" ist ein Skandal und muss lückenlos aufgeklärt werden! Mitglieder der Bundesregierung müssen die Wahrheit sagen. Dazu gehört auch, Einflussversuche offenzulegen und nicht abzustreiten. Transparent wäre gewesen, die Mitglieder des Bundestags darüber abstimmen zu lassen, ob zugunsten einer Industrieansiedlung den Pharmakonzernen Vorteile bei der Gewinnerzielung gewährt werden sollen."

Weiterhin mahnt die Antikorruptionsorganisation an, dass die geltenden Regeln zum "exekutiven Fußabdruck" eingehalten werden müssen, wenn ein Gesetz begründet wird. Denn: Seit dem 1. März 2024 gilt, dass transparent gemacht werden muss, ob und wie Lobbyisten Einfluss auf einen Gesetzesentwurf genommen haben. Der Entwurf für das Medizinforschungsgesetz wurde am 27. März 2024 dem Bundeskabinett vorgelegt, fiel also schon unter die neue Regelung. Zudem hatte Transparency Deutschland die geplante Geheimniskrämerei um Medikamentenpreise schon damals scharf kritisiert und die ersatzlose Streichung der entsprechenden Vertraulichkeitsklausel gefordert.

Außerdem müssten laut Transparency Deutschland Arzneimittel- und Impfstoffpreise gegenüber staatlichen Auftraggebern bzw. öffentlichen Erstattern wie Krankenkassen transparent gemacht werden. Sie müssen kalkulatorisch begründet werden und sachlich nachprüfbar sein.

Neue Medikamente werden vor allem für bisher schwer zu behandelnde oder seltene Erkrankungen entwickelt. Wenige oder manchmal auch nur ein einziger Hersteller legen die Preise dafür fest. Die liegen aber weit über den tatsächlichen Kosten (einschließlich Forschung und Entwicklung) zuzüglich eines angemessenen Gewinns.

"Medikamente gehören zur Grundversorgung kranker Menschen", fügt Rolf Blaga hinzu. "Es muss alles getan werden, damit möglichst viele Betroffene damit versorgt werden und nicht nur diejenigen, die es sich leisten können."

Im Übrigen zeige dieser Fall, wie wichtig ein Bundestransparenzgesetz sei: Denn das eingangs erwähnte Rechercheteam hatte die Akten rund um das MFG nach dem gültigen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bereits im Dezember 2023 vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) und auch vom Kanzleramt angefordert. IFG-Anträge müssen innerhalb von drei Wochen erledigt werden. Passiert ist jedoch: Nichts. Erst im September 2024 schickte das BMG die Unterlagen an die Journalisten. Und das auch erst, nachdem wegen Untätigkeit Klage eingereicht wurde. Vom Kanzleramt dagegen kommt bis heute nur Funkstille. Das Fatale: Wenn die Bundesregierung rechtzeitig geantwortet hätte, hätte dies die Gesetzgebung noch beeinflussen können. So hat das Medizinforschungsgesetz am 27. September 2024 den Bundesrat passiert und ist damit beschlossene Sache: Ein Geschenk der Bundesregierung an die Pharmaindustrie. (Transparency: ra)

eingetragen: 13.11.24
Newsletterlauf: 22.01.25

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Markt / Unternehmen

  • Identitäts-Wallet (EUDI-Wallet)

    Ein breites Bündnis aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und deutscher Kreditwirtschaft setzt sich für die rasche Einführung einer europäischen digitalen Identität ein. In einem gemeinsamen Positionspapier fordern die unterzeichnenden Verbände, darunter Bitkom und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), klare politische Leitlinien sowie eine beschleunigte Umsetzung für die Identitäts-Wallet (EUDI-Wallet). Eine Wallet ist eine virtuelle Brieftasche, in der verschiedene digitale Dokumente auf dem Smartphone oder Tablet gespeichert werden können.

  • In den Diensten der Rechtsberufe

    Doctrine, Plattform für juristische KI, steigt in den deutschen Markt ein. Das französische Legaltech-Unternehmen bietet seine Lösungen nun auch deutschen Kanzleien, Unternehmen, Behörden und Gerichten an. Doctrine entwickelt KI-Werkzeuge, die auf der Grundlage verlässlicher juristischer Informationen bei der Recherche sowie dem Verfassen juristischer Schriftsätze unterstützen. In Deutschland kooperiert Doctrine dazu mit dejure.org, einer der vertrauenswürdigsten Quellen für juristische Informationen. Doctrine geht hierzu eine strategische Beteiligung an dejure.org ein.

  • Cloud-Souveränität beginnt in Europa

    Wer hat Zugriff auf unsere Daten - und wo sind diese gespeichert? Diese Fragen stellen sich aktuell immer mehr Unternehmen in Europa. Angesichts zunehmender Cyberrisiken und globaler Spannungen wächst das Bewusstsein für digitale Souveränität. Und das zu Recht: Besonders die Zusammenarbeit mit US-Cloud-Diensten führt für europäische Unternehmen immer wieder zu Herausforderungen - sowohl operativ, rechtlich als auch sicherheitstechnisch. Die Bedeutung des europäischen Datenstandorts für Resilienz, Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit ist daher wichtiger denn je. Das gilt gerade für das Vertragsmanagement. Denn hier kommen hochsensible Informationen ins Spiel.

  • Kernkapital geht insgesamt zurück

    Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben die Ergebnisse ihres regelmäßigen Stresstests veröffentlicht. Seit dem Frühjahr haben sich die Kreditinstitute der Simulation eines Basis- und eines pessimistischen Drei-Jahres-Szenarios mit einem schweren makroökonomischen Abschwung gestellt. Die Ergebnisse werden von der EZB zur Berechnung der individuellen aufsichtlichen Eigenmittelempfehlung der Institute herangezogen. Der Stresstest hatte zuletzt 2023 stattgefunden.

  • Bitkom veröffentlicht Transparenzbericht

    Als erster großer Wirtschaftsverband hat Bitkom einen umfassenden Transparenzbericht veröffentlicht. Er enthält unter anderem detaillierte Angaben zur internen Organisation, Entscheidungsprozessen, Mitgliederstrukturen, Finanzen und Beschäftigten, Kommunikation und den politischen Aktivitäten. Mit dem Transparenzbericht geht Bitkom deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen